Die Ärztekammer Berlin fordert den freien Zugang zu allen Arzneimittelstudien. "Nur wenn alle Daten von klinischen Studien auf dem Tisch liegen, kann man die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen von Arzneimitteln unabhängig überprüfen", erklärte Kammerpräsident Dr. med. Günther Jonitz, der zusammen mit zahlreichen weiteren Unterstützern eine "Berliner Erklärung" zu diesem Thema unterzeichnet hat. "Das selektive Publizieren von Daten und Studien führt häufig zu einer völlig falschen Bewertung von Arzneimitteln." Er forderte insbesondere den Zugang zu den Rohdaten der Pharmahersteller, um mögliche Verfälschungen durch weiterführende Studien zum Schaden der Patienten aufzudecken. Evidenzbasierte Medizin, also eine wissenschaftlich überprüfbare Medizin, brauche als zentrale Grundlage die Auswertung der besten vorhandenen Daten ("Sauberes Wissen"). Deshalb seien Regierungen europa- und weltweit aufgefordert, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die diesen Zugang sicherstellen. "Pharmakonzerne dürfen nicht länger erwarten, mit Medikamenten Milliarden zu verdienen und gleichzeitig ihre Studienergebnisse als Betriebsgeheimnisse betrachten. Das Wohl der Patienten geht vor Geschäftsinteressen", hob Jonitz hervor, vor allem, weil in der Vergangenheit Studien mit für die Versorgung negativen Ergebnissen unterschlagen wurden.
Zu diesem Thema hatte sich der Berliner Kammerpräsident im vergangenen September in Berlin mit Vertretern der Charité, der Antikorruptionsorganisation Transparency International und des Deutschen Cochrane Zentrums zu einer Podiumsdiskussion getroffen. Gast war dabei Dr. Peter Doshi von der Johns Hopkins University aus Baltimore (USA), der als Mitglied der Cochrane Collaboration antivirale Medikamente gegen Influenza (Neuraminidase Inhibitoren) untersucht hatte. Dabei ging es insbesondere um die mangelhafte Datenlage zu Tamiflu®, auf deren Grundlage im Jahr 2009 Regierungen weltweit das Grippemedikament voreilig massenhaft eingekauft hatten, wozu sich die Ärztekammer Berlin damals kritisch geäußert hatte. Doshi stellte exemplarisch dar, dass der Pharmahersteller Roche sich bis heute hartnäckig weigere, alle Studienergebnisse zu Oseltamivir (Tamiflu®) zu veröffentlichen. Als ein Ergebnis dieses Treffens ist die "Berliner Erklärung" entstanden, die Sie nachfolgend im Wortlaut finden.
Die Berliner Erklärung im Wortlaut:
"Hiermit unterstütze ich die Berliner Erklärung zur Wiederherstellung der Integrität wissenschaftlichen Publizierens, Evidenz-Basierter Medizin und der Entscheidungsfindung auf dem Public Health Gebiet. Wir erwarten, dass alle politisch verantwortlichen nationalen und internationalen Institutionen
- demokratische, transparente und verlässliche Mechanismen implementieren, um Interessenkonflikten bei Zulassungsbehörden und Public Health Institutionen und deren zugeordneten Expertenkommissionen vorzubeugen,
- sicher stellen, dass alle Norm gebenden und zulassenden Behörden oder Institutionen (zum Beispiel die Europäische Medizin Agentur (EMA), die Weltgesundheitsorganisation (WHO), oder die US Food and Drug Administration [FDA]) für ungehinderten Zugang zu allen ihnen ausgehändigten wissenschaftlichen Dokumenten (ausreichend anonymisiert) sorgen und damit unabhängige wissenschaftliche Evaluation stimulieren,
- unverzerrte Publikationen von Ergebnissen Klinischer Studien (RCTs) fördern, indem vorsätzliche Verzerrung solcher Ergebnisse (reporting bias) als eine Form von Wissenschaftsbetrug sanktioniert wird,
- dringend nationale und internationale Influenza Pandemiepläne korrigieren, um Verschwendung von Gesundheitsressourcen zu vermeiden, wie z.B. die Einlagerung des Medikamentes Oseltamivir (Tamiflu®)."
Interessierte können die Berliner Erklärung unter folgendem Link unterzeichnen:
ÄRZTEKAMMER BERLIN
- Pressestelle -
Sascha Rudat, Tel. 030/ 40 80 6-4100/-4101
Michaela Peeters, Tel. 030/ 40 80 6-4102
E-Mail: presse@aerztekammer-berlin.de
Homepage: www.aerztekammer-berlin.de