Die letzte Delegiertenversammlung der 12. Legislaturperiode hatte ein volles Programm. Den Mittelpunkt bildete der Wirtschaftsplan für das Jahr 2011. Aufgrund der weiter verbesserten wirtschaftlichen Lage der Kammer werden die Kammerbeiträge über alle Beitragsstufen hinweg ab 1. Januar dieses Jahres erneut um 0,05 Prozentpunkte gesenkt.
Von Sascha Rudat
Die November-Delegiertenversammlung dreht sich traditionell um die Finanzen der Kammer, so dass sich stellenweise auch die Diskussionen entsprechend wiederholen. Besonders deutlich wurde dies beim Thema Senkung der Kammerbeiträge. Während der Vorstand einen Vorschlag einbrachte, der eine Absenkung um 0,05 Prozentpunkte vorsah (was jährliche Mindereinnahmen von rund 670.000 Euro bedeutet), plädierte die Fraktion Gesundheit für eine lineare Absenkung um pauschal 50 Euro über alle Beitragsstufen hinweg (Beitragsminus von rund 800.000 Euro). Constanze Jacobowski (Fraktion Gesundheit) brachte einen entsprechenden Antrag ein. Im Vorjahr hatte die Opposition eine pauschale Absenkung von 40 Euro gefordert. So waren denn auch die Argumente, die ausgetauscht wurden, die gleichen wie im Jahr zuvor. Laut Jacobowski würde mit ihrem Vorschlag eine "größere Beitragsgerechtigkeit" erreicht, da die unteren Beitragsstufen überproportional entlastet würden. Zudem würden weitere Beitragsstufen beitragsfrei gestellt. Genau darin sahen die Gegner dieses Vorschlages das größte Problem. Denn würde man diesem Modell folgen, wären 47 Prozent der Kammermitglieder beitragsfrei gestellt. "Das wäre eine klare Spaltung der Ärzteschaft in Zahler und Nicht-Zahler", warnte Kammerpräsident Günther Jonitz (Marburger Bund). Darauf wies auch der stellvertretende Vorsitzende der Haushaltskommission, Peter Bobbert (Marburger Bund), hin: "Das Ziel ist das richtige, nur der Weg ist der falsche." Wolfgang Kreischer (Hausärzte) mahnte zudem, die bewährte Systematik der Beitragsordnung nicht zu verlassen. Der Änderungsantrag der Fraktion Gesundheit fand schließlich keine Mehrheit. Mehrheitlich wurde dagegen die Absenkung des Beitragssatzes um 0,05 Prozentpunkte beschlossen. Für den größten Teil der Beitragszahler bedeutet dies eine prozentuale Absenkung um 7,1 Prozent, für die unteren Beitragsgruppen gar bis zu 20,6 Prozent.
Solide Finanzen
Schatzmeister Rudolf Fitzner wies darauf hin, dass man nach wie vor nach dem Prinzip vorgehe, erst die entsprechenden Ergebnisse zu erzielen, bevor man die Beiträge senken könne. Die beschlossene Beitragssenkung sei aber angesichts des guten Ergebnisses vertretbar und für das Haushaltsjahr 2011 eingeplant. Wie der kaufmännische Leiter der Kammer, Frank Rosenkranz, zunächst ausführlich darstellte, fielen im Wirtschaftsjahr 2009 die Einnahmen der Kammer mit rund 10,7 Millionen Euro um etwa 873.000 Euro höher aus als geplant. Dem gegenüber standen um rund 653.000 Euro geringere Aufwendungen. Das Gesamtergebnis fiel damit um rund 1,5 Millionen Euro höher aus als geplant. Dank dieses positiven Ergebnisses konnten dem variablen Kapitel etwa 768.000 Euro zugeführt werden. Grund für dieses erfreuliche Ergebnis waren laut Rosenkranz auf der Einnahmeseite vor allem höhere Beitragseinnahmen. Bei den Aufwendungen machten sich weniger Kosten für die überbetriebliche Ausbildung, geringere Personalkosten (offene Nachbesetzungen), günstigere Neuaufträge für die Gebäudereinigung und -überwachung sowie geringere Kosten bei Bürobedarf positiv bemerkbar.
Ähnlich erfreulich sieht es für das Haushaltsjahr 2010 aus. Gegenüber dem Plan, der ein Minus von 489.000 Euro vorsah, ging Rosenkranz in seiner Prognose (Stand August 2010) von einem Plus von rund 900.000 Euro aus. Für dieses Ergebnis sind zu einem großen Teil die höheren Beitragseinnahmen verantwortlich. Auf der anderen Seite seien unter anderem geringere Personalkosten und auf das Jahr 2011 verschobene Software-Anpassungen der Kammer zu verzeichnen. Für 2011 geht Rosenkranz von einer Unterdeckung von 134.000 Euro aus. Zwar seien trotz der beschlossenen Beitragssenkung erneut um über 800.000 Euro höhere Beitragseinnahmen zu erwarten. Dem gegenüber stehen aber unter anderem höhere Personal- und Raumkosten sowie höhere Abgaben an die Bundesärztekammer (2. Stufe des Abbaus der Ost-Reduzierung).
Schatzmeister Fitzner zeigte sich über die "gesunden Finanzen" erfreut. Das sahen auch die Wirtschaftsprüfer so, die für das Jahr 2009 einen uneingeschränkten Prüfvermerk erteilten. Erneut kamen die Delegierten auf die Diskrepanz zwischen Plan und Ist-Zustand zu sprechen. Julian Veelken (Fraktion Gesundheit) kritisierte, die aus seiner Sicht zu vorsichtigen Schätzungen. Wie Fitzner und Bobbert erläuterten, sei dies auf schwer kalkulierbaren Beitragsmehreinnahmen aufgrund höherer Einkünfte der Kammermitglieder zurückzuführen. Kammerpräsident Jonitz ergänzte, es sei immer Anliegen dieses Vorstandes gewesen, einen sicheren Kurs einzuschlagen. Fitzner wies zudem auf zukünftige Risiken wie die elektronische Gesundheitskarte, das Steuerrisiko im Zusammenhang mit der Erstellung der Kammerzeitschrift, die Instandhaltungskosten für das Kammergebäude und die Kosten für notwendige zusätzliche Räumlichkeiten hin. Gewisse Rücklagen müssten aus seiner Sicht zur Abfederung dieser Risiken vorhanden sein. Mit diesem Haushalt könne man positiv in die Zukunft blicken, betonte Fitzner. So verabschiedeten die Delegierten schließlich sowohl den Jahresabschluss 2009 als auch den Haushaltsplan 2011 einstimmig.
9. Nachtrag zur Weiterbildungsordnung
Der nächste gewichtige Punkt auf der Tagesordnung war der 9. Nachtrag zur Weiterbildungsordnung. Nachdem einige kleinere redaktionelle Änderungen vorgenommen worden waren, kritisierte Julian Veelken die Überfrachtung der Weiterbildungsordnung bei gleichzeitiger Reduktion der Weiterbildungszeit. Vorstandsmitglied Dietrich Bodenstein stimmte Veelken darin zu, dass die Weiterbildungsordnung zu überarbeiten sei, gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass die Ärztekammer Berlin mit ihrer Weiterbildungsordnung gewissen Zwängen wie der Musterweiterbildungsordnung unterliege. Die Delegierten verabschiedeten den 9. Nachtrag einstimmig. Ebenso einstimmig wurde die Vorschlagsliste für die Wahl der Weiterbildungsprüfer verabschiedet.
Für mehr Chancengleichheit
Im Anschluss beschäftigen sich die Delegierten mit dem Entwurf einer Resolution unter dem Titel "Fairer Wettbewerb im Gesundheitswesen braucht Chancengleichheit". Die drei Forderungen der Resolution (s. Kasten) richten sich an den Gesetzgeber, damit Ärzte und Gruppen von Ärzten gleichberechtigt am "Wettbewerb im Gesundheitswesen" teilnehmen können und Benachteiligungen im Sozialgesetzbuch V beseitigt werden. Kammerpräsident Jonitz betonte, ihm sei es "ein Herzensanliegen, dass Ärzte gegenüber anderen Institutionen im Gesundheitswesen nicht benachteiligt werden." Diese Schieflagen müssten beseitigt werden. In der Sache waren sich die meisten Delegierten einig. Allerdings entspann sich eine lebhafte Diskussion um den Wortlaut und die drei Punkte der Resolution. Insbesondere zu Punkt 3 - die Forderung der Kammer nach Zugang zu den Routinedaten der Patientenversorgung - stieß auf Kritik. Zahlreiche Delegierte waren der Auffassung, dass dieser Punkt nicht zu den anderen beiden passe. Darüber hinaus sei nicht genau erklärt, welche Routinedaten gemeint seien. Zum Thema Routinedaten werden Sie in einer der nächsten Ausgaben von BERLINER ÄRZTE einen erläuternden Artikel finden. Eine Vorstandsüberweisung der Resolution wurde schließlich ebenso mehrheitlich abgelehnt, wie das Ausgliedern von Punkt 3. Die Delegierten verständigten sich mehrheitlich auf die hier abgedruckte Fassung der Resolution.
Zwei Anträge an Vorstand überwiesen
Zu vorgerückter Stunde hatten sich die Delegierten schließlich noch mit zwei Anträgen der Fraktion Gesundheit zu befassen. Der eine Antrag sah eine Aufforderung an die Bundesregierung vor, in der GKV das Sachleistungsprinzip beizubehalten. Angesichts einer zu erwartenden kontroversen Diskussion zu diesem Thema plädierten die Delegierten mehrheitlich für eine Überweisung an den Vorstand. Dies geschah ebenso mit einem Antrag, der eine Unterstützung der Ärztekammer für die Volksinitiative Frische Luft beinhaltete.
Foto: Sascha Rudat
Nachträgliche Ehrung für Maria Birnbaum Die Internistin Maria Birnbaum ist im Rahmen der Delegiertenversammlung von Kammerpräsident Günther Jonitz nachträglich mit der Georg-Klemperer-Medaille ausgezeichnet worden. Aus gesundheitlichen Gründen hatte die Ärztin, die sich seit Jahrzehnten in den ehrenamtlichen Gremien der Kammer - insbesondere im Bereich Weiterbildung - verdient macht, die Ehrung beim diesjährigen Kammertag im Juni nicht entgegen nehmen können (die vollständige Laudatio von Vittoria Braun können Sie in BERLINER ÄRZTE 08/2010, S. 23 nachlesen). Der Kammerpräsident verlas einen Brief von DV-Mitglied und KV-Vorsitzender Angelika Prehn, die an der Sitzung nicht teilnehmen konnte. Prehn würdigte die Internistin u. a. mit folgenden Worten: "Dr. Birnbaum ist eine Ärztin und Wissenschaftlerin, wie man es sich als Patient nur wünschen kann. Das war zu DDR-Zeiten so und das hat sich bis heute nicht geändert. Sie engagiert sich nicht nur für die Belange der Kranken, sondern seit vielen Jahren auch für die ihrer Kollegen."
Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin beschließt folgende Resolution: Fairer Wettbewerb im Gesundheitswesen |
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Um einen fairen Wettbewerb im Gesundheitswesen und Chancengleichheit zu gewährleisten, fordert die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin den Gesetzgeber auf, folgende Rechte für ärztliche Organisationen und Verbände einzuführen: 1. Recht auf VertragsgestaltungÄrzte oder Gruppen von Ärzten müssen das Recht erhalten auch mit anderen Leistungserbringern Verträge abzuschließen, die eine medizinische Versorgung erhalten oder verbessern. 2. Recht auf Abschluss von RabattverträgenÄrzte oder Gruppen von Ärzten müssen die Möglichkeit erhalten, Rabattverträge zu Gunsten einer preiswerten und rationalen Arzneimitteltherapie abzuschließen. Dadurch wäre wesentlich stärker gewährleistet, dass sich auch beim Wechsel von Medikamenten sowohl die Informationen für die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte als auch das kooperative Verhalten der Patienten (Compliance) verbessern. 3. Recht auf Information durch RoutinedatenDen Ärztekammern muss der Zugang zu Routinedaten der Patientenversorgung ermöglicht werden. Nur durch Zugang zur quantitativen und semiquantitativen Darstellung des Leistungsgeschehens auf der Ebene der Patientenversorgung können die Weichen für eine hochwertige Fort- und Weiterbildung sowie für eine kleinräumige regionale Versorgung gestellt werden. Routinedaten sind ebenfalls ein wichtiger Indikator für eine an der Qualität ärztlicher Leistungen orientierte Steuerung des Gesundheitswesens. Im Rahmen ihrer hoheitlichen Aufgaben müssen auch die Ärztekammern Zugang zu diesen Daten bekommen. Auch unter der aktuellen Regierung ist der "Wettbewerb im Gesundheitswesen" einer der führenden Steuerungsmechanismen in der Patientenversorgung. Dabei sind die gesetzlichen Krankenversicherungen in erheblichem Maße privilegiert, was einen fairen Wettbewerb unmöglich macht. Sie dürfen als Einzige Verträge zur integrierten oder hausärztlichen Versorgung oder Rabattverträge mit Pharmaunternehmen abschließen. BegründungDen Ärztekammern stehen zudem bis heute die Routinedaten aus den Abrechnungen ambulanter und stationärer Leistungen, die im Rahmen gesetzlicher Vorschriften im SGB V und im SGB XI, im Krankenhausfinanzierungsgesetz, im Krankenhausentgeltgesetz oder in der Risikostrukturausgleichsverordnung erhoben werden, nicht zur Verfügung. Diese Daten stellen zwar kein genaues Abbild der Realität der Patientenversorgung dar, sind jedoch im höchsten Maße geeignet, sowohl die Fort- und die Weiterbildung als auch die Qualität der Berufsausübung zu optimieren. Den Ärztekammern ist deshalb aufgrund ihres körperschaftlichen Auftrages mit Gemeinwohlbindung der Zugang zu solchen Daten zu gewährleisten. Die Regelungen der § 303 a-f SGB V sind unverzüglich so auszugestalten, dass die Nutzungsberechtigten nach § 303f SGB V gleichberechtigt in die Gremien nach § 303 a bis c SGB V aufgenommen werden. Die Nutzungsberechtigten haben derzeit kein Mitspracherecht bei der Auswahl, der Struktur und zur Qualität der zur Verfügung stehenden Daten. Das Sozialgesetzbuch V lässt die vom Gesetzgeber gewollte und für das Gesundheitswesen dringend erforderliche Verzahnung der Sektoren (ambulante vertragsärztliche Versorgung/stationäre Versorgung im Krankenhaus) nur auf Initiative und unter Beteiligung der Krankenkassen bzw. Ihrer Landesverbände zu. Sinnvolle Kooperationen zwischen Ärzten und anderen Leistungserbringern werden dadurch erheblich erschwert bzw. verhindert. Die für das Gesundheitswesen dringend erforderliche Nutzung aller vorhandenen Ressourcen sowie Synergieeffekte, von denen Patienten erheblich profitieren könnten, bleiben so weitgehend ungenutzt. Der Gesetzgeber wird dringend aufgefordert, diese Defizite abzustellen. Die Benachteiligungen ärztlicher Verbände bei der Vertragsgestaltung sind unverzüglich zu beenden, um endlich einen fairen Wettbewerb im Gesundheitswesen sicherzustellen. |