Im Mittelpunkt dieser Delegiertenversammlung standen die Erörterungen zu den Änderungen der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin. Der 114. Deutsche Ärztetag hatte im Mai letzten Jahres die Neufassung der Muster-Berufsordnung beschlossen. Nun galt es für die Delegierten, zu entscheiden, ob und ggf. welche Regelungen zukünftig Aufnahme in die Berufsordnung der Ärztekammer Berlin finden sollen und damit für die Berliner Ärztinnen und Ärzte bindend sein würden. Aufgrund der Komplexität des Gegenstandes hatte die Delegiertenversammlung die ursprünglich für Juni vorgesehene Befassung auf die September-Sitzung vertagt.
Von Michaela Peeters
Nachdem in den vorangestellten Tagesordnungspunkten Anfragen und Mitteilungen des Vorstandes u. a. die Kinderarmut in Berlin und die Vorstellung des neuen Tätigkeitsberichtes der Ärztekammer Berlin behandelt wurden, hatten die Delegierten auf ihrer Sitzung am 26. September vor allem zur Neufassung der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin (BO) zu beraten. Nachdem der 114. Deutsche Ärztetag im Mai letzten Jahres in Kiel die Novellierung der Muster-Berufsordnung (M-BO) beschlossen hatte, war die Abteilung Berufsrecht der Kammer beauftragt, daraus sich ergebende Konsequenzen für die Berliner Berufsordnung zu prüfen und einen Vorschlag für eine schlanke und für Ärztinnen und Ärzte verständliche Berufsordnung zu erarbeiten. Eine erste Befassung mit den Ergebnissen, wie sie ursprünglich für die vorangegangene Sitzung im Juni vorgesehen war, wurde aufgrund der Komplexität des Themas auf die jetzige September-Sitzung vertagt. Intensive Vorarbeit und Beratungen in den Listen ermöglichten es den Delegierten, sich sorgfältig mit der Materie auseinanderzusetzen und Beiträge zur Diskussion bereits im Vorfeld einzureichen.
Entsprechend umfangreich war dann auch die Drucksache 13/35, die Gegenstand der Beratung war. Knapp 150 Seiten Grundlagen und Erläuterungen samt Synopsis zu den divergierenden Inhalten von M-BO der Bundesärztekammer und gültiger BO der Ärztekammer Berlin waren von der Abteilung Berufsrecht vorbereitet und vorgelegt worden, die entsprechenden Änderungen farbig und nachvollziehbar hervorgehoben. Während der Sitzung verhalf zudem die Leiterin der juristischen Abteilung der Kammer, Martina Jaklin, mit einer kommentierten Darstellung und dezidierten Ausführungen zum besseren Verständnis der Papiervorlage und letztendlich auch zum Durchdringen der einzelnen Paragraphen. Dazu stellte sie 20 wesentliche Änderungen heraus, die besonderes Augenmerk verdienten. BERLINER ÄRZTE stellt eine kleine Auswahl vor. Eine Umfassende Darstellung der sich für Berliner Ärztinnen und Ärzte ergebenden Änderungen wird nach Abschluss des Satzungsverfahrens an dieser Stelle erfolgen.
"Rasse", "Ethnizität" oder "Ethnische Herkunft"
Für eine intensive Diskussion sorgte der Vorschlag von Matthias David (Marburger Bund), den im Gelöbnis der Berufsordnung verwendeten Begriff der "Rasse" durch das Wort "Ethnizität" zu ersetzen. Seiner Auffassung nach, sei es nicht mehr zeitgemäß, wenn die Ärzteschaft sich dieses, insbesondere durch den Nationalsozialismus negativ geprägten Begriffes weiter bediene. Aus juristischer Sicht verwies Frau Jaklin darauf, dass der Begriff der "Rasse" von seiner Bedeutung her umfassender sei als die Begriffe "Ethnizität" oder "Ethnische Herkunft". Der Begriff werde sowohl im Grundgesetz sowie im allgemeinen Gleichstellungsgesetz verwendet. Es sei nicht anzuraten, so die Juristin, diesen Begriff durch einen anderen zu ersetzen, der ggf. nicht ausreichend weit gefasst wäre. Infolge einer solchen Änderung bestünde die Gefahr der Senkung des Schutzniveaus bezüglich derer, die mit dem Bekenntnis zur Gleichbehandlung eigentlich geschützt werden sollen. Unter Dafürhalten des Präsidenten Günther Jonitz einigten sich die Delegierten schließlich darauf, die Formulierungen zur Gleichbehandlung im Genfer Gelöbnis in die Berufsordnung zu übernehmen und damit den dort verwendeten Begriff der "ethnischen Herkunft" ergänzend ins Gelöbnis der Berliner BO aufzunehmen. Mit mehrheitlichen Beschluss wird der Passus nun zukünftig wie folgt lauten: "Ich werde mit all meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärztlichen Berufes aufrechterhalten. Ich werde mich in meinen ärztlichen Pflichten meinem Patienten gegenüber nicht beeinflussen lassen durch Alter, Krankheit oder Behinderung, Konfession, ethnische Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politische Zugehörigkeit, Rasse, sexuelle Orientierung oder soziale Stellung. (...)"
Aufklärungspflichten konkretisiert
Darauffolgend befasste sich die Delegiertenversammlung mit § 8 (Aufklärungspflichten). Martina Jaklin erklärte, dass die Vorschrift entsprechend der Rechtsprechung konkretisiert worden ist. Das im Entwurf vorliegende Patientenrechtegesetz enthalte ebenfalls eine Vorschrift zur Aufklärungspflicht, die gleichfalls die aktuelle Rechtsprechung abbilde, allerdings hinsichtlich der verbindlichen Inhalte der Aufklärung noch darüber hinausgehe. Erfolgreich hatte sich die Ärztekammer Berlin in ihrer Stellungnahme zum Patientenrechtegesetz indes dafür eingesetzt, dass der Arzt nur über alternative Behandlungsmethoden aufklären muss, wenn diese gleichermaßen üblich und indiziert sind.
Einsichtsrecht in die Behandlungsunterlagen
Im Weiteren ging es um § 10 zur "Dokumentationspflicht" des Arztes und zur Gewährung des Einsichtsrechts in die Behandlungsdokumentation. Kontrovers diskutierten die Delegierten, in welchem Ausmaß der Patient Einsichtsrecht in die Akten erhalten dürfe. Angesichts des gegenüber der Ärztekammer Berlin übermittelten Standpunktes des Datenschutzbeauftragten des Landes Berlin und der im Entwurf zum Patientenrechtegesetz vorgesehenen Regelung bedürfe es nach Bewertung der Kammer einer Klarstellung. Diese solle verdeutlichen, dass der Arzt die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen nicht nur aus therapeutischen Gründen, sondern auch dann verweigern dürfe und ggf. müsse, wenn und soweit seine oder die Persönlichkeitsrechte Dritter dies erfordern. Die Änderung des § 10 Absatz 2 wurde mehrheitlich so beschlossen.
IGeL nicht Bestandteil der Berufsordnung
Besondere Beachtung erfuhr auch § 12 Absatz 4, der unter der Überschrift "Honorar und Vergütungsabsprachen" in der M-BO besondere Informationspflichten vor der Inanspruchnahme solcher ärztlichen Leistungen regelt, die erkennbar nicht von einer Krankenversicherung oder einem anderen Kostenträger erstattet werden. Hierbei handelt es sich im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung um sog. IGeL-Leistungen. Die Norm umfasst dabei allerdings sowohl den Bereich der privaten sowie auch den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Frau Jaklins Ausführungen dazu, aus welchen Gründen dieser Passus nicht sinnvoll erscheine und nach juristischer Bewertung gänzlich entfallen sollte, überzeugte die Delegierten. Eine solche Informationspflicht, die bereits im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt sei und die über die im Entwurf des Patientenrechtegesetzes enthaltene Regelung hinausgehe, überspanne die Pflichten des Arztes unangemessen. Dem wurde seitens der Delegierten uneingeschränkt zugestimmt.
Es folgten weitere kurze Erläuterungen zu empfohlenen Änderungen der §§ 13 Absatz 3, 18 Absatz 2a und 24, zu den Themen "Besondere Medizinische Verfahren", "Berufliche Kooperationen" und "Verträge über ärztliche Tätigkeit". Eingehender beschäftigten sich die Delegierten mit dem § 26 "Ärztlicher Notfalldienst", der, laut Jaklin, zwar bereits im Berliner Kammergesetz geregelt sei. Das Berliner Kammergesetz schreibe jedoch die Regelung von Befreiungen vom Notfalldienst in der BO vor, sodass auf eine Regelung in der BO nicht verzichtet werden könne. Auf Empfehlung von Burkhard Bratzke einigte man sich außerdem auf den Wegfall des Wortes "klinisch", wodurch der ambulante Sektor im Passus mit berücksichtigt und z.B. Medizinische Versorgungszentren, die ebenfalls Notdienste organisieren, mit eingeschlossen würden. Die Delegiertenversammlung stimmte dem Regelungsvorschlag mit der genannten Änderung zu.
Den Abschluss bildeten Erläuterungen zum § 32 (Unerlaubte Zuwendungen). Frau Jaklin erläuterte, dass bereits die aktuelle Fassung des § 32 BO von der entsprechenden Norm der M-BO abweiche. So sei es in Berlin untersagt, im Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung Geschenke oder andere Vorteile von Patienten oder anderen anzunehmen oder sich versprechen zu lassen, wenn der Wert des Geschenks oder des anderen Vorteils nicht geringfügig ist, ohne dass es dabei, wie in der M-BO, darauf ankomme, dass hierdurch der Eindruck der Beeinflussung der ärztlichen Entscheidung erweckt werden müsse. Die Delegierten stimmten dem Vorschlag zu, die bisherige Norm so beizubehalten und, anders als in der M-BO, die Geringfügigkeitsgrenze nicht zu streichen.
Einstimmiger Beschluss zur Neufassung der Berufsordnung
Zu guter Letzt wurde die Neufassung der BO an diesem Abend einstimmig durch die Delegiertenversammlung beschlossen. Die intensive Befassung machte deutlich, dass die Berliner Delegierten insbesondere zum geplanten Patientenrechtegesetz in vielerlei Hinsicht eine kritische Haltung vertreten. Der Intention, eine "schlanke" und für Ärztinnen und Ärzte verständliche Berufsordnung zu verabschieden, wurde durch klare und konzentrierte Normen zu Rechten und Pflichten der Berliner Ärztinnen und Ärzte Rechnung getragen.
Von vornherein ausgespart aus der Befassung blieb lediglich der § 16 "Beistand für Sterbende", der in Hinblick auf die aktuelle Diskussion auf Wunsch des Vorstandes und in Einverständnis mit den Delegierten einer außerordentlichen Beratung zugeführt werden soll. Bis dahin gilt die bisherige Fassung.
Verfasserin:
Michaela Peeters
Nächste Delegiertenversammlung:
21. November 2012