Delegierte beschließen schrittweise Anhebung des Rentenalters

DV-Bericht

Bericht von der Delegiertenversammlung am 24. September 2008

Die Delegierten hatten es in ihrer Sitzung am 24. September nicht einfach. Mussten Sie doch erstmals in der 40-jährigen Geschichte der Berliner Ärzteversorgung (BÄV) über Änderungen des Leistungsumfanges entscheiden. Diese sind notwendig geworden, um die jetzt belegte stark gestiegene Lebenserwartung der Berliner Ärztinnen und Ärzte solide abzudecken. Einstimmig beschlossen die Ärztevertreter schließlich ein Maßnahmenpaket, das unter anderem eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittalters von 65 auf 67 Jahre vorsieht. Betroffen sind Ärztinnen und Ärzte ab Jahrgang 1950. Daneben wird es moderate Kürzungen bei künftigen Berufsunfähigkeits- und Witwenrenten sowie einen modifizierten versicherungsmathematischen Abschlag bei vorgezogenen Altersrenten geben. Der Kinderzuschlag zur Altersrente fällt für neu gewährte Renten ab dem Jahr 2010 weg. Bestehende Renten sind von den Maßnahmen nicht betroffen. Eine Anhebung der Renten und der Anwartschaften für 2009 lehnten die Delegierten ab.

von Sascha Rudat

Die Zahlen, die der Vorsitzende des BÄV-Verwaltungsausschusses, Kammervizepräsident Elmar Wille, den Delegierten präsentierte, waren ebenso ummissverständlich wie einleuchtend. Zunächst die erfreuliche Nachricht: Berliner Ärztinnen und Ärzte leben immer länger - und zwar analog zu anderen Freiberuflern länger als der Bundesdurchschnitt. Das belegen die jetzt vorliegenden Sterbetafeln für die Mitglieder der berufsständischen Versorgungswerke. Während eine 60-jährige Freiberuflerin im Jahr 1991 eine Lebenserwartung 84,9 Jahren hatte, so waren es im Jahr 2002 bereits 87,1 Jahre. Bei männlichen Freiberuflern stieg die Lebenserwartung in diesem Zeitraum von 80,5 auf 83,9 Jahre. Prognosen für das Jahr 2050 gehen sogar von einer Lebenserwartung von 92,9 Jahren (Frauen) und 90,2 Jahren (Männer) aus.

Den finanziellen Mehraufwand durch die sich daraus ergebenden längeren Rentenbezugsdauern beziffern der BÄV-Versicherungsmathematiker nach Angaben von Elmar Wille auf rund 730 Millionen Euro. 307 Millionen Euro konnten bereits durch Gewinnrückstellungen angespart werden. Bleibt eine Lücke von über 400 Millionen Euro. Diese durch Kapitalerträge zu schließen, sei angesichts der dramatischen Situation an den Finanzmärkten kaum möglich, erklärte Wille. Für eine solide Finanzierung blieben deshalb nur Eingriffe bei den Leistungen. "Wir haben verschiedene Varianten durchgerechnet", sagte Wille, "Ziel war es, das hohe Niveau der Rentenanwartschaften beizubehalten und den Rechnungszins nicht anzutasten." Dabei wollte man verantwortlich handeln und keine Probleme in die Zukunft verschieben. Man habe sich deshalb für ein Maßnahmenpaket mit moderaten Einschnitten entschieden.

Mehr Rente mit 67

Ein wesentlicher Punkt des Paketes ist die schrittweise Anhebung des Renteneintrittalters von 65 auf 67 Jahre. Ab dem Geburtsjahrgang 1950 wird das Eintrittsalter in Zwei-Monats-Schritten angehoben. Mit den Jahrgängen 1961/62 ist die Anhebung dann abgeschlossen. Dabei bleibt die Möglichkeit der Vorziehung der Altersrente um maximal 60 Monate erhalten, das heißt, die Vorziehungsgrenze wandert schrittweise vom 60. auf das 62. Lebensjahr mit. Wie Wille betonte, steigt durch die längere Beitragszeit auch die Altersrente, wie folgendes Beispiel zeigt:

"Beispiel"-Rentner (Eintritt in das Versorgungswerk im Jahr 2008 mit Eintrittsalter 27,
Beitragsdurchschnitt i.H.v. 76,46% der Höchstabgabe):
Altersrente mit 65 Jahren (alte Satzung): 3.800 Euro
Altersrente mit 67 Jahren (neue Satzung): 4.000 Euro

"Wer länger arbeitet, bekommt also auch mehr Rente", unterstrich Wille, "das ist nicht überall so". Es sei außerdem politisch künftig nicht durchsetzbar, dass Ärzte mit 65 Jahren in Rente gingen, während Krankenschwestern und Medizinische Fachangestellte zwei Jahre länger arbeiten müssten.

Reduzierte BU-Renten

Ein weiterer Punkt des Maßnahmenpaketes ist die stufenweise Reduzierung der künftigen Berufsunfähigkeitsrenten von derzeit 76% auf 70% der Rentenanwartschaften. Dabei soll die Reduzierung von 0,1%-Punkte pro Monat für eine Übergangsfrist von 5 Jahren erfolgen. Bei Neuzugängen ab dem 1. Januar 2009 beträgt der BU-Schutz sofort 70% der Rentenanwartschaft. Laufende BU-Renten bleiben unangetastet. Wie der BÄV-Vorsitzende erläuterte, steigt mit dem späteren Renteneintrittsalter auch die Rentenanwartschaft, so dass die Reduzierung der BU-Renten moderater ausfällt als es auf den ersten Blick scheint. Ein Beispiel macht das deutlich:

"Beispiel"-Rentner (Eintritt in das Versorgungswerk im Jahr 2008 mit Eintrittsalter 27,
Beitragsdurchschnitt i.H.v. 76,46% der Höchstabgabe):
BU-Rente nach alter Satzung: 76% von 3.800 Euro = 2.888 Euro
BU-Rente nach neuer Satzung: 70% von 4.000 Euro = 2.800 Euro (nach Ablauf der 5-jährigen Übergangsfrist)

Höhere Abschläge bei vorgezogener Rente

Daneben ist eine Anhebung der Abschläge bei der Vorziehung des Rentenbeginns vorgesehen. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 erfolgt für neu beantragte vorgezogene Altersrenten die Anhebung der Abschläge von 0,4 auf 0,5% pro Vorziehungsmonat. Alle zwischen dem 60. und dem 65. Lebensjahr können 2009 noch zu den bisherigen Konditionen die vorgezogene Altersrente beantragen.

Witwen- und Waisenrenten sinken moderat

Die Witwen- und Waisenrenten sollen für eine Übergangszeit von 5 Jahren von derzeit 60% auf 55% der bezogenen Rente oder der Anwartschaft auf Altersrente sinken

Berechungsgrundlage bleibt dabei aber - im Gegensatz zu vielen anderen Versorgungswerken, wie Wille hervorhob - die Altersrente bzw. die Anwartschaft. Andere Werke stellten teilweise auf die niedrigere BU-Anwartschaft ab. Ein Beispiel:

"Beispiel"-Rentner (Eintritt in das Versorgungswerk mit Eintrittsalter 27,
Beitragsdurchschnitt i.H.v. 76,46% der Höchstabgabe). Bei Todeseintritt im Anwartschaftstadium:
Witwen-/Waisenrente nach alter Satzung: 60% von 3.800 Euro = 2.280 Euro
Witwen-/Waisenrente nach neuer Satzung: 55% von 4.000 Euro = 2.200 Euro

Wegfall der Kinderzuschüsse für künftige Altersrenten ab 2010

Die Kinderzuschüsse für Altersrenten werden künftig wegfallen. Bei der Deutschen Rente Bund sei dies bereits vor 24 Jahren geschehen, wie Elmar Wille erklärte. Anspruch auf Kinderzuschuss bestand bisher für Altersrentner, die noch Kinder in Ausbildung bis längstens zum 27. Lebensjahr hatten. Da aus biologischen Gründen ohnehin zu 95% Männer die Begünstigen dieser Zuschüsse sind und neben dem Kindergeld auch die Kindererziehungszeiten in der Deutschen Rentenversicherung Bund inzwischen systematisch erfasst würden, sei diese zusätzliche Leistung im Versorgungswerk nicht mehr zwingend notwendig, sagte Wille. Für laufende Renten und Rentenbeginne im Jahr 2009 besteht Vertrauensschutz. Die Kinderzuschüsse für BU-Renten bleiben außerdem erhalten.

Wie Wille abschließend erklärte, würden von dem Maßnahmenpaket nur die künftigen Rentner betroffen. "Die jetzigen Rentner sind die Begünstigten, da auch sie länger leben, als ursprünglich für die Finanzierung der Renten kalkuliert." Mit rund 120 Millionen Euro würden die aktuellen Rentner von denen profitieren, die eine Anwartschaft haben, rechnete Wille vor.

Nachdem der BÄV-Vorsitzende die Zahlen und das Maßnahmenpaket anschaulich vorgestellt hatte, fiel die folgende Diskussion sehr einmütig aus. Eva Müller-Dannecker (Fraktion Gesundheit) sagte: "Ich habe mich erstmal furchtbar aufgeregt, aber wir können uns von den allgemeinen Entwicklungen nicht entkoppeln." Einige Elemente, die solidarisch seien, würden abgeschafft, aber aus ihrer Sicht sei es selbstverständlich, dass die Lasten, die auf die Ärztinnen und Ärzte zukommen, gemeinsam getragen würden. "Ich erwarte, dass die bestehenden Rentner das verstehen."

Julian Veelken (Fraktion Gesundheit) fügte hinzu: "Das ist sauber durchgerechnet. Wir müssen in den sauren Apfel beißen, aber wir sind mit unserer guten Versorgung durch die Berliner Ärzteversorgung immer noch privilegiert."

Das Maßnahmenpaket, sprich eine umfassende Satzungsänderung, wurde schließlich von den Delegierten aller Fraktionen einstimmig (bei einer Enthaltung) verabschiedet. Ebenfalls einstimmig (bei zwei Enthaltungen) wurde ein Antrag der Fraktion Gesundheit angenommen, der vorsieht, dass die aktuellen Rentner künftig an der Finanzierung angemessen beteiligt werden. Dazu soll in Betracht gezogen werden, bei möglichen Erhöhungen die bestehenden Renten und die Anwartschaften zu splitten, um "eine aktuelle entstehende Ungleichverteilung unter den Generationen in den Folgejahren schrittweise" auszugleichen. In der Vergangenheit waren die Renten und die Anwartschaften immer in gleichem Umfang erhöht worden.

2009 keine Rentenerhöhung

Gegen eine Erhöhung der Renten und der Anwartschaften für das kommende Jahr sprachen sich die Delegierten aus. Angesichts des Finanzbedarfs durch die Längerlebigkeit der BÄV-Mitglieder sei eine vollständige Rückstellung der Gewinne aus dem Jahr 2007 in Höhe von rund 121 Millionen Euro sinnvoll und notwendig, sagte Wille. Das sahen auch die Delegierten so und votierten mit einer Gegenstimme für diesen Weg. Damit und den Gewinnrückstellungen aus den Geschäftsjahren 2004 bis 2006 beläuft sich die Gesamtrückstellung auf rund 307 Millionen Euro. Eine Summe, die komplett für die Längerlebigkeit der Mitglieder verwendet wird.

Gesunde Finanzen

Daneben stellte Wille den Jahresabschluss des Geschäftsjahres 2007 der Ärztevorsorgung vor. Die Zahl der Mitglieder ist im Vergleich zum Vorjahr von 22.525 auf 23.085 gestiegen, davon waren 12.030 männlich und 11.055 weiblich. Die Mehrheit der jüngeren Mitglieder (unter 40 Jahre) ist weiblich und dieser Trend wird sich fortsetzen. Weitere Verschiebungen gibt es bei der Beschäftigungsstruktur der Mitglieder: Der Anteil angestellter Ärzte beträgt jetzt 50,3 Prozent, selbstständig sind noch 27,3%. "Der Beruf verändert seinen Charakter etwas", sagte Wille mit Blick auf die sinkende Zahl der selbstständigen Ärzte. Die Überleitungsstatistik verläuft derzeit immer noch positiv - 384 Herleitungen standen 261 Wegleitungen der Beiträge zu anderen Versorgungswerken gegenüber.

Die Beitragseinnahmen stiegen 2007 um beachtliche 7,3% (Vorjahr 2,3%). Als Grund für diesen Anstieg nannte Wille die Zunahme von freiwilligen Beiträgen, da die Mitglieder zunehmend den Sonderausgabenabzug von Rentenbeiträgen nach dem Alterseinkünftegesetz in Anspruch nehmen. "Es gibt ein großes Vertrauen der Kollegen, freiwillig Beiträge zu zahlen", kommentierte Wille.

Gleichzeitig kletterte die Anzahl der Versorgungsleistungen um 10,7% auf 5.004. Daneben stieg auch die Zahl von vorgezogenen Altersrenten, von den 387 Renteneinweisungen waren 269 vorgezogen.

Erfreulich ist nach Ansicht von Elmar Wille die Entwicklung des Kapitalanlagebestandes der um 9,1% auf rund 4,6 Milliarden Euro kletterte. Das Vermögen des Versorgungswerkes dient der Bedeckung der bereits bestehenden und künftigen Rentenverpflichtungen. Gleichzeitig sank im vergangenen Jahr die Durchschnittsverzinsung von 4,21 auf 4,05%. Die Durchschnittsverzinsung kommt damit dem Rechnungszins von 4,0%, auf dem die Berechnung der Renten und Anwartschaften basiert, gefährlich nahe. "Wenn der Durchschnittszins an den Rechnungszins herankommt, wird es kritisch", warnte Wille. Durch den Verkauf von Teilen des Aktienbestandes zu einem sehr guten Zeitpunkt Ende 2007 konnte der Nettozins in 2007 auf 5,59% geschraubt werden. Solche positiven Effekte könnten aber nicht jedes Jahr wiederholt werden.

Positiv sei der gleichbleibend niedrige Verwaltungskostensatz von 1,61%. Insgesamt sei 2007 ein solides Geschäftsjahr mit einigen Sondereffekten gewesen, fasste Wille zusammen. Das sahen auch die Wirtschaftsprüfer von Susat & Partner so. Dem folgten die Delegierten und verabschiedeten den Jahresabschluss 2007 einstimmig, BÄV-Verwaltungs- und Aufsichtsausschuss wurden ebenfalls einstimmig entlastet.