Die Delegiertenversammlung hatte auf ihrer Sitzung am 19. September ein pralles Programm vor sich. Ärzteversorgung, Änderung der Weiterbildungsordnung in Sachen Impfen und die Wiedereinführung des Internisten ohne Schwerpunkt waren die zentralen Punkte. Nach einer längeren Diskussion sprachen sich die Delegierten mehrheitlich gegen eine Anhebung der laufenden Renten und der Anwartschaften aus. Die Gewinne des Versorgungswerkes sollen vielmehr für die Längerlebigkeit der Mitglieder zurückgestellt werden.
von Sascha Rudat
Kammervizepräsident Elmar Wille (Liste Allianz), Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der Berliner Ärzteversorgung (BÄV), erläuterte den Delegierten zunächst ausführlich das Geschäftsjahr 2006. Die Zahl der anwartschaftsberechtigten Mitglieder stagniert und lag 2006 bei 22.525. Einen großen Sprung nach oben hatte die Zahl der beitragsfreien Mitglieder gemacht (1.345 nach 826 im Vorjahr). Dies hing laut Wille mit dem Lokalitätsprinzip zusammen, wonach Ärzte nach dem Wegzug aus Berlin Mitglied in einem anderen Versorgungswerk werden müssen. Wille hob hervor, dass die Altersstruktur der Berliner Ärzteversorgung immer noch sehr günstig sei. "Darum würde uns die Deutsche Rente Bund beneiden", sagte er. In Berlin gibt es einen auffallend hohen Anteil von ledigen Mitgliedern (knapp 50 Prozent). Wille wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Familienstand künftig regelmäßig abgefragt werden soll.
Weniger Selbstständige
Weiter rückläufig ist den Angaben zufolge der Anteil der selbstständigen Ärzte (27,8 Prozent). Der Anteil der angestellten Ärzte beläuft sich auf 52 Prozent. Wille äußerte mit Blick auf die steigende Zahl von Medizinischen Versorgungszentren die Vermutung, dass dieser Anteil noch größer werden könnte. Überrascht habe ihn, dass knapp 5 Prozent der Berliner Ärzte im Ausland tätig sind, was erstmals erfasst worden war. Als sehr erfreulich bezeichnete der Kammervize den Anstieg der Beitragseinnahmen um 2,3 Prozent auf rund 200 Millionen Euro. Dabei wurden über 10 Millionen Euro von Mitgliedern eingezahlt, ohne dass diese dazu verpflichtet seien. Der Anteil der Mitglieder, die über dem 1,0-fachen Beitragssatz einzahlten, belief sich 2006 auf 6,9 Prozent (2005: 5,9 Prozent). 22,7 Prozent zahlten den 1,0-fachen Beitrag (2005: 24,3 Prozent). Gleichzeitig stieg der Anteil derjenigen, die den 0,5- bis 1,0-fachen Beitragssatz zahlten, auf 49,7 Prozent (2005: 47,2 Prozent). Erfreulicherweise sank der Anteil der Ärztinnen und Ärzte, die unter dem 0,5-fachen einzahlten, auf 20,7 Prozent gegenüber 22,6 Prozent im Vorjahr. Mitglieder dieser Gruppe verdienten weniger als 2.200 Euro (Ost) beziehungsweise 2.625 Euro (West) brutto. Die Zahl der Versorgungsleistungen der BÄV nahm 2006 um 8,4 Prozent auf 4.520 Fälle zu. Dies geht vor allem auf die höhere Zahl der Altersrenten zurück (+13,5 Prozent). Gleichzeitig sind die Berufsunfähigkeitsrenten zurückgegangen. Erstmals gab es laut Wille weniger vorgezogene Altersrenten (207), wobei er darauf hinwies, dass immer noch zwei Drittel der Einweisungen in die Altersrente vorgezogen seien.
Anlagevermögen steigt
Einen Sprung nach oben machte 2006 das BÄV-Anlagevermögen, das um 6,7 Prozent auf 4,25 Milliarden Euro kletterte. Der BÄV-Verwaltungschef wies in diesem Zusammenhang auch auf die weiter gesunkene Durchschnittsverzinsung von 4,21 Prozent hin (2005: 4,39 Prozent). Wille betonte, dass der Rechnungszins bei 4,00 Prozent liege. Werde dieser Wert unterschritten, müsse auf die Zinsschwankungsreserven zurückgegriffen werden, die derzeit 81 Millionen Euro betragen. "Das Versprechen, das wir mit den 4,00 Prozent machen, ist gewaltig", unterstrich Wille. Zusammenfassend bezeichnete er 2006 als solides Geschäftsjahr für die BÄV. Dies sahen auch die Wirtschaftsprüfer so. Wie auch in den Vorjahren fanden die Prüfer der BSB&R keine Beanstandungen an der Arbeit des Verwaltungs- und Aufsichtsausschusses der BÄV. Die Delegierten beschlossen die Bilanz der BÄV ebenso einstimmig wie die Entlastung der Ausschüsse.
Ärztinnen und Ärzte leben länger
Für mehr Diskussionsbedarf unter den Delegierten sorgte die Frage nach einer möglichen Anhebung der Renten und Anwartschaften. BÄV-Verwaltungs- und Aufsichtsausschuss schlugen vor dem Hintergrund der Längerlebigkeit der Ärztinnen und Ärzte eine Rückstellung der Gewinne in Höhe von rund 142 Millionen vor. Mit den Rückstellungen aus dem Geschäftsjahr 2004 belief sich die Gesamtrückstellung auf 186 Millionen Euro. Mit dieser Rückstellung soll auf die Folgen der neuen "Berufsständischen Richttafeln" reagiert werden. Für einige Delegierte war überraschend, dass die Lebenserwartung in den Freien Berufen stärker als im Bevölkerungsdurchschnitt steigt. Dadurch werden sich künftig die Verpflichtungen des Versorgungswerkes massiv erhöhen, wie Wille betonte. Sogar bei einer vollständigen Gewinnrückstellung drohe eine nicht unwesentliche Lücke. Darüber, wie diese geschlossen werden könne, werde derzeit diskutiert. Denkbar sei, die Möglichkeit einer Rente ab 67 Jahren einzuführen. Bisher müssen die BÄV-Mitglieder mit 65 Jahren in Rente gehen. Eine längere Beitragszahlung ist nicht möglich. Martin Reiss, Geschäftsführung der BÄV, fügte hinzu, dass die Gruppe der aktuellen Rentner am wenigsten von der zukünftigen Entwicklung betroffen sei. Er betonte, dass der auf die Anwartschaft eingerechnete Rechnungszins von 4,00 Prozent ein sehr hoher Anspruch sei, der in Aussicht gestellt werde. Die Delegierten folgten dem auf Nachhaltigkeit angelegten Kurs der BÄV und stimmten bei einer Enthaltung für die vollständige Rückstellung der Gewinne.
Rückkehr des Internisten
Erneut auf der Tagesordnung stand der "Dauerbrenner" Innere und Allgemeinmedizin. Wie auf der vorherigen DV beschlossen, legte der Kammervorstand den 5. Nachtrag zur Weiterbildungsordnung (WbO) der Ärztekammer Berlin vor. Wichtigste Neuerung ist im Gebiet 12 Innere und Allgemeinmedizin unter 12.2. die Wiedereinführung des Facharztes für Innere Medizin. Daneben gibt es den Facharzt für Allgemeinmedizin sowie die Fachärzte Innere Medizin mit Schwerpunkt (von denen es acht gibt). Für alle gleich ist jetzt eine 24-monatige stationäre Basisweiterbildung plus der Möglichkeit, weitere 12 Monate ambulant abzuleisten. Die 12-monatige ambulante Basisweiterbildung kann auch an den Anfang der Weiterbildungszeit gelegt werden. Dieser Punkt stieß auf Ablehnung der Fraktion Gesundheit, die für eine vollständig stationäre Basisweiterbildung plädierte. Dieser Vorstoß fand aber keine Mehrheit. Von Seiten der Hausärzte wurde unterdessen der Wunsch nach einer Neudefinition des Facharztes für Allgemeinmedizin laut. Hans-Peter Hoffert (Hausärzte) erklärte: "Wir akzeptieren die Selbstbestimmung der Internisten. Wir nehmen dieses Recht auch für uns in Anspruch. Wir haben vor einer Zusammenlegung gewarnt. Und was ist passiert: Die Ehe ist zerbrochen." Die Delegierten verständigten sich darauf, eine schnelle Entscheidung zu fällen, sobald sich die Allgemeinmediziner auf eine Neudefinition ihres Faches auf Bundesebene geeinigt hätten. Dies sollte in den folgenden vier Wochen erfolgen. Inwieweit der Facharzt für Allgemeinmedizin, der später in Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin umbenannt werden soll, dann Bestand hat, bleibt abzuwarten. Mit zwei Gegenstimmen und einigen Enthaltungen verabschiedeten die Delegierten schließlich den 5. Nachtrag zur WbO.
Alle Fachärzte dürfen impfen
Für Aufregung hatte im Vorfeld der DV die neue "Richtlinie Schutzimpfungen" des Gemeinsamen Bundesausschusses gesorgt, wonach Fachärzte nur noch gemäß ihrer Gebietsgrenzen impfen dürfen sollten. Gängige und bewährte Praxis war, dass Fachärzte mit einem Impfzertifikat auch über ihre Gebietsgrenzen hinweg impfen durften und dies bei der KV Berlin abgerechnet werden konnte. Aufgrund der neuen Richtlinie hatte die KV Berlin nur noch für Haus- und Kinderärzte eine Abrechnungsmöglichkeit gesehen. Nach Ansicht des Kammervorstandes ist Impfen aber einer primäre ärztliche Tätigkeit. Ärztinnen und Ärzte sind demnach mit ihrer Approbation berechtigt, den Arztberuf uneingeschränkt auszuüben. Deshalb wurde die Weiterbildungsordnung ergänzt: "Die Prävention durch Schutzimpfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission gehört zum Inhalt aller Fachgebiete." Mit der neuen Regelung soll zudem das Ziel, eine möglichst hohe Durchimpfungsrate der Bevölkerung zu erreichen, unterstützt werden. Die Delegierten folgten dem Vorschlag des Vorstandes und verabschiedeten den 6. Nachtrag zur WbO einstimmig.
Einstimmigkeit herrschte auch bei den letzten beiden Tagesordnungspunkten zum Bereich Medizinische Fachangestellte. So wurde die "Prüfungsordnung für die Durchführung von Abschlussprüfungen und Umschulungsprüfungen im Ausbildungsberuf des Medizinischen Fachangestellten/der Medizinischen Fachangestellten" erlassen. Diese Neufassung hatte bisher noch ausgestanden. Zudem gab es einen 1. Nachtrag zur Zwischenprüfungsordnung.