Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin hat sich in ihrer April-Sitzung deutlich gegen die geplante Novelle des Psychotherapeutengesetzes ausgesprochen. Daneben befassten sich die Delegierten intensiv mit der bevorstehenden Ausgabe des elektronischen Arztausweises. Weiteres zentrales Thema der Sitzung war – wie nicht anders zu erwarten – das vorläufige Scheitern der GOÄ-Novelle.
Von Sascha Rudat
Nachdem die Delegierten in ihrer Februar-Sitzung den außerordentlichen Deutschen Ärztetag aufgearbeitet hatten, mussten sie sich Anfang April mit einer gänzlich neuen Situation in Sachen GOÄ auseinandersetzen. Mit einem einstimmigen Nein des Vorstandes der Bundesärztekammer zur über 700 Seiten starken Novelle – inklusive Leistungslegende –, gefolgt von einem Rücktritt von Theo Windhorst (Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe) als Verhandlungsführer knapp drei Wochen zuvor hatte sicher keiner gerechnet. Vizepräsident Elmar Wille (Allianz Berliner Ärzte) berichtete den Delegierten ausführlich von der denkwürdigen Sitzung am 17. März, an der er teilgenommen hatte: „Die Notbremse zu ziehen, war sicher richtig. Das, was dort vorgelegt worden war, war so schlecht, dass damit Viele bis auf die Knochen blamiert worden wären. Die alte GOÄ ist auf jeden Fall besser als das, was dort auf dem Tisch lag.“
Gleichzeitig betonte Wille, dass eine Novelle der alten Gebührenordnung zwingend notwendig sei. Diese Einschätzung teilten die Delegierten. Einerseits zeigte man sich zufrieden, dass die Kritik der Ärztekammer Berlin an der vorgelegten GOÄ-Novelle nun geteilt wird, andererseits stellte man sich die Frage, wie es weitergehen soll. Kammerpräsident Günther Jonitz (Marburger Bund) nannte das vorläufige Scheitern der Novelle „ein doppeltes Desaster“. Zum einen sei seitens der Bundesärztekammer für die GOÄ-Novelle ein nicht unerhebliches Finanzvolumen ausgegeben worden, zum anderen sei der Umgang mit dem „Nothalt“ höchst problematisch. Damit bezog sich Jonitz auf Interviews, die Bundesärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery nach dem Debakel gegeben hatte. Die Forderung nach personellen Konsequenzen auf dem Deutschen Ärztetag in Hamburg Ende Mai war von mehr als einem Delegierten zu hören.
Matthias Bloechle (Allianz Berliner Ärzte) und Anja Dippmann (Marburger Bund) stimmten darin überein, dass die bisherige Verhandlungsführung auf ärztlicher Seite stark beschädigt sei. Aus Sicht von Jonitz ist Zeitdruck nicht nötig, da in dieser Bundestagslegislaturperiode kaum noch mit einer Umsetzung der Novelle durch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zu rechnen sei. Dem stimmte Julian Veelken (Fraktion Gesundheit) zu: „Wir brauchen uns keine Illusionen zu machen. Das wird jetzt Zeit brauchen.“ So darf man auf den Deutschen Ärztetag in Hamburg gespannt sein.
Alles auf eine Karte
Der elektronische Arztausweis ist auf dem Weg! Nach mehrjährigem Vorlauf kommt nun wirklich Bewegung in das Thema – nicht zuletzt durch das E-Health-Gesetz wird die Entwicklung vorangetrieben, wie Christoph Röhrig, Leiter der Abteilung 3 (u.a. Kammermitgliedschaft), und die Datenschutzbeauftragte der Kammer, Maren Stienecker, den Delegierten in einem Vortrag darlegten. Dabei stellten sie den Fahrplan im Detail vor. BERLINER ÄRZTE hatte mögliche Fragen rund um den eArztausweis, seine Beantragung und den Ausgabeprozess in Ausgabe 4/2016 bereits beantwortet.
Den Delegierten lag eine Drucksache vor, die vorsah, dass die bereits in geringem Umfang begonnene Ausgabe des eArztausweises im Jahr 2016 mit dem vorhandenen Personal fortgesetzt wird und dass dafür keine Gebühren erhoben werden. Christoph Röhrig begründet dies u.a. damit, dass der Nutzen des Ausweises für die Kammermitglieder gegenwärtig noch nicht handfest sei, bisher keine Gebühren für vergleichbare Leistungen erhoben würden und auch in anderen Kammerbezirken bisher keine Gebühren dafür erhoben würden. Gleichzeitig verwies er darauf, dass die Leistungen des bisher einzigen Zertifizierungsdiensteanbieters (ZDA) am Markt, medisign, gebührenpflichtig seien (aktuell 7,90 € mtl. ab dem 1.1.2017). Dies warf die Frage nach der Kostenentwicklung – insbesondere wenn weitere ZDA im Markt unterwegs sein sollten – auf. Diese Entwicklung ist nach Angaben von Röhrig noch offen.
Ralph Drochner (Allianz Berliner Ärzte) erkundigte sich nach den Gegenleistungen für die Gebühren. Die Hauptleistung der ZDA sei die Bereitstellung von qualifizierten Zertifikaten, erläuterte Maren Stienecker. Klaus Thierse (Marburger Bund) wies darauf hin, dass zu den Gebühren für den ZDA weitere Kosten für die Infrastruktur anfielen.
Christoph Röhrig erwähnte in diesem Zusammenhang noch die finanzielle Förderung der elektronischen Versendung von Arztbriefen mittels qualifizierter elektronischer Signatur des eArztausweises in Höhe von 55 Cent pro Arztbrief ab dem 1.1.2017.
Hans-Peter Hoffert (Hausärzte in Berlin) fragte, ob es nicht möglich sei, die Gebühren für den ZDA über die Kammerbeiträge einzuziehen. Dem widersprach Peter Bobbert (Marburger Bund), da die Gebühren nicht an die Kammer, sondern an den ZDA gingen.
Julian Veelken (Fraktion Gesundheit) wies darüber hinaus darauf hin, dass datenschutzrechtliche Aspekte bei der Diskussion um die Einführung des eArztausweises nicht aus den Augen verloren gehen dürften. Es sollte weiterhin von Seiten der Ärzteschaft darauf geachtet werden, dass die hochsensiblen Patientendaten in Zukunft nicht zentral gespeichert werden.
Nach dieser Diskussion verabschiedeten die Delegierten die Drucksache schließlich einstimmig bei einigen Enthaltungen.
Weitere Informationen zum elektronischen Arztausweis finden Sie hier.
Warnung vor „Monopolisierung“ der Psychotherapie
Darüber hinaus befassten sich die Delegierten mit der geplanten Novelle des Psychotherapeutengesetzes. Dazu hatte der Vorstand eine Tischvorlage vorgelegt. Außerdem war Christian Messer, Präsident des Bundesverbandes Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (BDPM), als Gastredner eingeladen worden.
Mit der Novelle plant das Bundesgesundheitsministerium einen Studiengang einzuführen, der direkt zur Approbation als Psychotherapeut führen soll – ohne vorherige Ausbildung in einem wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren. Die Absolventen hätten damit direkt nach dem Studium Zugang zur Patientenversorgung. Sie sollen darüber hinaus künftig für den gesamten psychosozialen und kommunikativen Bereich zuständig sein, der bisher zu den ärztlichen – insbesondere den hausärztlichen – Kernkompetenzen zählt.
Diese weitere Aufsplitterung der somatischen und psychischen Behandlungskompetenz widerspreche der adäquaten und umfassenden Patientenversorgung und müsse deshalb von allen Ärztinnen und Ärzten im Sinne einer ganzheitlichen Versorgung kranker Menschen in aller Deutlichkeit abgelehnt werden, hieß es in der Beschlussvorlage weiter. BDPM-Präsident Messer warnte in diesem Zusammenhang vor der Monopolisierung des Begriffs des „Psychotherapeuten“ durch psychologische Psychotherapeuten. Jonitz ergänzte, dass die psychotherapeutische Versorgung überwiegend und erfolgreich von psychotherapeutisch qualifizierten Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werde. Daher sei es notwendig, sich schnell gegen die geplanten Änderungen am Psychotherapeutengesetz zu stellen.
Herbert Menzel (Fraktion Gesundheit), niedergelassener Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, sah seinerseits die Eilbedürftigkeit eines solchen Beschlusses nicht. Er bemängelte, dass die fachkundigen Mitglieder der DV nicht in die Vorbereitung der Drucksache einbezogen worden seien. Man müsse sich in Ruhe mit dem Thema beschäftigten. Er plädierte daher zunächst für eine Vertagung.
Dem widersprach Dietrich Bodenstein (Hartmannbund), Facharzt für Psychosomatische Medizin. Die Wichtigkeit sei gegeben: „Wir müssen das jetzt beschließen.“
Roland Urban (Allianz Berliner Ärzte), Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, haderte daneben mit einem Absatz in der Beschlussvorlage und wies zugleich darauf hin, dass die Fachverbände seit einiger Zeit wiederholt auf die Brisanz der Direktausbildung hingewiesen hätten. Dies dürfe nicht vergessen werden.
Nach einer redaktionellen Korrektur wurde die Beschlussvorlage einstimmig bei einigen Enthaltungen verabschiedet.
Den vollständigen Beschluss finden Sie hier.