Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin hat in ihrer Sitzung am 10. Oktober 2018 einstimmig für eine Änderung der Berufsordnung gestimmt. Zu einer der zentralen Änderungen gehört dabei, dass Berliner Ärztinnen und Ärzten künftig im Einzelfall die ausschließliche Fernbehandlung ihrer Patientinnen und Patienten erlaubt ist. Außerdem wurde im Gelöbnis, das der Berufsordnung vorangestellt ist, der Begriff „Rasse“ gestrichen. Ebenfalls einstimmig wurde der elfte Nachtrag der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin verabschiedet. Nach einer längeren, intensiven und emotionalen Diskussion wurde außerdem mehrheitlich eine Resolution zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) verabschiedet.
Von Sascha Rudat
Vor Beginn der eigentlichen Tagessordnung sprach Vizepräsidentin Regine Held (Liste Allianz) den an diesem Tag von Papst Franziskus vorgebrachten Vorwurf an, dass Schwangerschaftsabbrüche mit Auftragsmorden zu vergleichen seien. Es herrschte Einigkeit unter den Delegierten, dass diese Aussage scharf zu verurteilen sei. Ärzte seien keine Mörder. Im Anschluss tauschte man sich intensiv darüber aus, ob die Kammer – neben vielen anderen Institutionen und Personen – ebenfalls auf diese Aussage des Papstes reagieren sollte. Dazu fand eine lebhafte Diskussion statt – auch zu der Frage, ob derartige Adhoc-Statements politisch sinnvoll seien. Die Ärztekammer Berlin wies schließlich am folgenden Tag den Vergleich von Schwangerschaftsabbrüchen mit Auftragsmorden in einer Pressemitteilung in aller Deutlichkeit zurück (s. BERLINER ÄRZTE 11/2018).
Geänderte Prüfungsordnung
Im Anschluss befassten sich die Delegierten mit den Änderungen der Prüfungsordnung für die Durchführung von Abschlussprüfungen, Umschulungsprüfungen und Zwischenprüfungen von Medizinischen Fachangestellten. Regine Held erläuterte kurz die wesentlichen Änderungen. So werde auch mit dem Ziel der Fachkräftegewinnung der Zugang zur betrieblichen und außerbetrieblichen Umschulung erleichtert, um mehr Menschen die grundsätzliche Möglichkeit zu eröffnen, einen Abschluss im Ausbildungsberuf Medizinische Fachangestellte zu erlangen. Die Ausweitung des Zugangs zur Umschulung gehe einher mit der Investition in die Qualität der Umschulung. Künftig müssten auch Umschülerinnen und Umschüler an der Überbetrieblichen Ausbildung der Ärztekammer Berlin teilnehmen. Schließlich werde die nach der Rechtsprechung bereits vorgesehene Möglichkeit, die Leistungen der Zwischenprüfung von Auszubildenden bei der Entscheidung über eine vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung mit einzubeziehen, der Klarheit wegen nun auch in der Prüfungsordnung niedergeschrieben.Die Delegierten stimmten den Änderungen einstimmig zu.
Ebenfalls einstimmig wurde eine Reihe von Prüfern für Facharztprüfungen sowie für Fachsprachprüfungen nachgewählt.
Elfter Nachtrag beschlossen
Nachfolgend beschäftigten sich die Delegierten mit dem elften Nachtrag zur Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin. Der Vorsitzende des Gemeinsamen Weiterbildungsausschusses, Klaus Thierse (Marburger Bund), erläuterte die wesentlichen Änderungen. Dabei kritisierte Katharina Thiede (Fraktion Gesundheit), dass nunmehr auch Simulationstrainings anstelle von klinischer Weiterbildung stattfinden könnten. Sie plädierte dafür, dass Wort „oder“ im vorliegenden Passus des Nachtrags zu streichen. Thierse erläuterte daraufhin, dass in den Richtlinien der Weiterbildungsordnung ausführlich aufgeschlüsselt werde, wann und unter welchen Bedingungen überhaupt Simulationstrainings möglich sind. Kammerpräsident Günther Jonitz (Marburger Bund) ergänzte, dass Simulationstrainings ein wesentlicher Fortschritt in der Weiterbildung seien. Die Wirksamkeit von Simulationstrainings sei umfassend belegt. Daher sei es wichtig, dass die Ärztekammer Berlin die Option von Simulationstrainings im Bereich der Weiterbildung einräumt. Entscheidend sei – wie in anderen Bereichen auch – das Maß, betonte Jonitz. Die Weiterbildungsausschüsse würden außerdem darüber entscheiden, ob die entsprechenden Maßnahmen zulassungsfähig sind. Der elfte Nachtrag wurde schließlich einstimmig bei fünf Enthaltungen angenommen.
Ausschließliche Fernbehandlung möglich
Anschließend befassten sich die Delegierten mit der Änderung der Berufsordnung. Künftig können Berliner Ärzte Telekommunikation behandeln, ohne sie vorher persönlich gesehen zu haben. Dabei gelten aber dieselben berufsrechtlichen Regelungen wie bei der normalen persönlichen Behandlung. Die Ärztekammer Berlin übernimmt – nach einigen anderen Landesärztekammern – damit im Wortlaut die vom 121. Deutschen Ärztetag im Mai in Erfurt beschlossene Änderung der Muster-Berufsordnung. So heißt es jetzt im geänderten § 7 Behandlungsgrundsätze und Verhaltensregeln) Absatz 4: „Ärztinnen und Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien auf geklärt wird.“ Kammerpräsident Jonitz begrüßte diese Öffnung: „Der verantwortungsvolle, ergänzende Einsatz moderner Kommunikationsmedien erweitert die Behandlungsmöglichkeiten und dient der Stärkung des Arzt-Patientenverhältnisses.“ Zugleich betonte er, dass der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient auch künftig der Goldstandard sein müsse und nicht durch Technik ersetzbar sei. Bevor die geänderte Berufsordnung der Ärztekammer Berlin allerdings in Kraft tritt, muss die zuständige Aufsichtsbehörde, die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, die Änderung genehmigen.
Weitere Änderungen gab es in der Berufsordnung in § 9 Schweigepflicht. So können Ärztinnen und Ärzte nun der Schweigepflicht unterliegende Informationen gegenüber Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen Tätigkeit mitwirken, sofern dies für deren Tätigkeit notwendig ist (beispielsweise IT-Dienstleister). Ärzte müssen diese Personen aber schriftlich zur Geheimhaltung verpflichten. Außerdem wurde das der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin vorangestellte Gelöbnis neu gefasst. Der 121. Deutsche Ärztetag hatte im Mai eine überarbeitete Fassung der Deklaration von Genf des Weltärztebundes (Genfer Gelöbnis), das der Muster-Berufsordnung voransteht, verabschiedet. Diese Neufassung wurde nur in Teilen in die Berliner Fassung übernommen. So wurde beispielsweise auf den unzeitgemäßen Begriff „Rasse“ verzichtet, der in der englischen Originalfassung der Deklaration von Genf eine andere Bedeutung hat als im Deutschen. Die Änderung der Berufsordnung wurde einstimmig von den Delegierten angenommen.
Diskutierte Resolution
Für eine umfassende und konstruktive, aber auch emotionale Diskussion sorgte eine Resolution zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), die von der Liste Allianz Berliner Ärzte zwei Tage zuvor in den Vorstand eingebracht worden war. Listensprecherin Regine Held erläuterte die wesentlichen Inhalte der Resolution mit dem Titel „Die Ärztinnen und Ärzte der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin lehnen Teile des Gesetzentwurfes des TSVG ab“. Es sei ihr Anliegen, die Resolution gemeinsam in der Delegiertenversammlung zu verabschieden. Dazu gab es eine ganze Reihe von Wortbeiträgen. Anja Dippmann (Marburger Bund) bemängelte, dass die Resolution nicht konstruktiv genug sei. Sie schlug deshalb vor, die Resolution textlich zu verbessern und zu schärfen. Katharina Thiede erklärte hingegen, dass es wichtig sei, sich zeitnah zum TSVG zu äußern. Sie plädierte dafür, die Resolution zu verabschieden. Dem stimmte – trotz einiger Bedenken – Herbert Menzel (ebenfalls Fraktion Gesundheit) zu. Nach Ansicht von Vorstandsmitglied Werner Wyrwich (Marburger Bund) sei es zu spät, eine Resolution zum TSVG zu verabschieden. Wolfgang Kreischer (Hausärzte) plädierte wiederum wegen der Bedeutung des Themas dafür, die Resolution zu verabschieden. Vorstandsmitglied Peter Bobbert (Marburger Bund) regte an, die Resolution zu überarbeiten und in der nächsten Sitzung der Delegiertenversammlung am 28. November 2018 zu verabschieden. Im Vorfeld sollte der Arbeitskreis „Ambulante Versorgung“ mit der Überarbeitung der Resolution beauftragt werden. Klaus-Peter Spies, Mitglied des Arbeitskreises „Ambulante Versorgung“, betonte, dass es nicht zu spät sei, sich zu positionieren: „Es ist nie zu spät, wenn das Gesetz noch nicht beschlossen ist.“ Unterstützung bekam er von Elmar Wille (beide Liste Allianz): „Ich möchte an alle appellieren, diese Gelegenheit beim Schopf zu greifen und darauf zu verweisen, dass wir ein freier Beruf sind.“ Stefan Hochfeld (Fraktion Gesundheit) erklärte, dass eine optimale Umformulierung der Resolution in der Delegiertenversammlung nicht möglich sei. Er sprach sich daher ebenfalls dafür aus, den vorliegenden Text zu verabschieden.
Nach weiteren Redebeiträge beantragte Dietrich Bodenstein (Hartmannbund) den Schluss der Beratung. Dies wurde mehrheitlich angenommen. Danach bat Kammerpräsident Jonitz um Abstimmung, ob die Resolution an den Vorstand überwiesen werden soll. Der Vorstand solle dann den Arbeitskreis „Ambulante Versorgung“ mit der Überarbeitung der Resolution beauftragen. Anschließend würde die überarbeitete Resolution der Delegiertenversammlung am 28. November 2018 zur Verabschiedung vorgelegt werden. Dieses Vorgehen wurde knapp mit 17 zu 16 Stimmen abgelehnt. Somit wurde danach über die Resolution selbst abgestimmt. Sie wurde schließlich mit vier Enthaltungen und neun Gegenstimmen mehrheitlich angenommen.
Die Resolution im Wortlaut finden Sie hier.