Die September-Sitzung der Delegiertenversammlung wurde vor allem von zwei Themen bestimmt: Die Neufassung der Wahlordnung zur Delegiertenversammlung und die sektorübergreifende Patientenversorgung in Berlin. Beides wurde sehr ausgiebig und sachorientiert diskutiert.
Von Sascha Rudat
Zu Beginn der Sitzung wies Kammerpräsident Günther Jonitz (Marburger Bund) auf einige Tischvorlagen hin. Dazu gehörte unter anderem ein gemeinsam erarbeitetes Thesenpapier der Liste Allianz Berliner Ärzte und der Liste Hausärzte in Berlin zum Thema „Sektorübergreifende Notfallversorgung in Berlin der im niedergelassenen Bereich tätigen Ärzte in Berlin“. Jonitz erklärte, dass sich der Vorstand darauf verständigt habe, eine „Unterarbeitsgruppe“ einzurichten, die sich nun mit dem Thema näher befasst. Anschließend soll ein konsentiertes Thesenpapier in der DV vorgestellt und beschlossen werden. Die sektorübergreifende Notfallversorgung war Thema der vorherigen DV-Sitzung gewesen, in welcher der Krankenhausausschuss ein Thesenpapier dazu vorgestellt hatte. Anschließend berichtete Vorstandsmitglied Uwe Torsten (Hartmannbund) von seiner Teilnahme an der ersten Sitzung des wissenschaftlichen Beirats des gemeinsamen klinischen Krebsregisters Berlin-Brandenburg am 14. September. Das Gemeinsame Krebsregister war im April 2016 ins Leben gerufen worden. Wie Torsten erzählte, habe es zum Datenschutzkonzept umfangreiche Diskussionen gegeben. Hintergrund waren die immer zahlreicher werdenden Anträge auf Datenherausgabe zu Forschungszwecken. Bisher sei die Herausgabe anonymisierter Daten für die Versorgungsforschung möglich gewesen. Eine neugegründete Arbeitsgruppe soll sich nun mit der Frage beschäftigen, wie Versorgungsforschung zu definieren sei und wem die hochsensiblen Daten künftig zur Verfügung gestellt werden sollen.
Im Anschluss hatten die Delegierten die Aufgabe, über den Tätigkeitsbericht 2016 der Ärztekammer Berlin abzustimmen. Er wurde einstimmig bei einer Enthaltung angenommen. Ebenfalls einstimmig mit einer Enthaltung wurden die Nachwahlen von Weiterbildungsprüfern sowie Nachwahlen im Fortbildungsausschuss verabschiedet. Die Nachwahl von Prüfern für Fachsprachprüfungen wurde einstimmig angenommen.
Heißes Eisen Wahlwerbung
Im nächsten Jahr wird die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin neu gewählt. Aus diesem Grund wurde den Delegierten eine Neufassung der Ordnung für die Wahl zur Delegiertenversammlung zur Abstimmung vorgelegt. Wie Abteilungsleiter Christoph Röhrig erläutert, gibt es in der Neufassung eine Reihe von Anpassungen, die notwendig seien, um „eine saubere Rechtsgrundlage“ zu bekommen. In diesem Zusammenhang wies er auf § 17 der Wahlordnung – neu – (Unterstützung der kammerpolitischen Willensbildung) als eine zentrale Norm der Neufassung hin. Die Ärztekammer Berlin könne nunmehr die politische Arbeit der Listen der Delegiertenversammlung unterstützen. Außerdem sei es der Ärztekammer Berlin damit gestattet, Daten der Kammermitglieder an die Wahlvorschläge herauszugeben. Ziel solle es sein, die Wahlbeteiligung zu erhöhen, betonte Röhrig.
Auf Nachfrage von Anja Dippmann (Marburger Bund) erläuterte er, dass sich die Änderung an entsprechende Regelungen in den Meldegesetzen anlehne, wonach die politischen Parteien gegenüber den Melderegistern einen Anspruch auf Auskunftserteilung für Zwecke der Wahlwerbung haben. Die zugelassenen Wahlvorschläge hätten damit einen Anspruch gegen die Ärztekammer Berlin auf Herausgabe der Daten unter bestimmten Bedingungen und für klar definierte Zwecke. Er betonte zugleich, dass die Kammermitglieder der Herausgabe ihrer Daten widersprechen können.
Klaus Thierse (Marburger Bund) fragte nach, warum die Kammer nicht wie bisher die Wahlwerbung für die Wahlvorschläge versenden könne. Es sei nicht einfach, leistungsfähige Dienstleister zu finden, die diese Aufgabe für die Kammer übernehmen können, so Röhrig. Deshalb sei die Lösung auch nicht mehr wirklich tragfähig. Kammergeschäftsführer Michael Hahn ergänzte, dass mit der Neufassung auch eine gewisse Gleichförmigkeit mit den Regelungen der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin gegeben sei.
Daraufhin äußerte Julian Veelken (Fraktion Gesundheit) Kritik an dem neuen Verfahren. Die Einhaltung des Datenschutzes würde damit den Wahlvorschlägen obliegen. Dies sei insbesondere für kleinere, neue Wahlvorschläge schwer zu gewährleisten. Matthias Lohaus (Allianz Berliner Ärzte) stimmte Veelken zu und plädierte dafür, dass die Wahlvorschläge wählen können, ob sie die Daten erhalten oder die Wahlwerbung über die Kammer verschicken lassen wollen. Christoph Röhrig erklärte dazu. dass es im Rahmen der Neuregelung weiterhin möglich sei, die Mitgliedsdaten der Kammermitglieder für die Wahllisten zu selektieren.
Nachdem die Delegierten weiter über das Thema Datenschutz diskutiert hatten, meldete sich Michael Hahn zu Wort und hob hervor, dass eine Reihe von Listenvertretern vor der letzten Wahl den Wunsch hätten, die Daten der Kammermitglieder zu erhalten, um selbst selektieren zu können. Diesem Wunsch wolle man mit der Neuregelung Rechnung tragen. Offenbar würde dies jetzt aber anders betrachtet. Er betonte zugleich, dass eine Selektion durch die Kammer weiterhin möglich sein werde.
Kammerpräsident Jonitz erklärte, dass es in den vergangenen Jahrzehnten nie einen Missbrauch bei der Wahlwerbung gegeben habe, regte aber an, die vorliegende Drucksache im Ältestenrat noch einmal zu diskutieren. Kammervizepräsidentin Regine Held (Allianz Berliner Ärzte) betonte, dass das in der Vergangenheit praktizierte Verfahren sehr aufwändig und kompliziert gewesen sei, und sprach sich deshalb dafür aus, die Drucksache abzustimmen.
Nachdem die Diskussion um das Thema Datenschutz noch weitergeführt wurde, stellte Jonitz die Drucksache schließlich zur Abstimmung. Die neue Wahlordnung wurde einstimmig bei vier Enthaltungen angenommen.
Die Zukunft der Versorgung in Berlin
Im Anschluss stellte Vorstandsmitglied Thomas Werner (Marburger Bund), ein Thesenpapier mit Empfehlungen für eine sektorübergreifende Patientenversorgung in Berlin vor. Dieses Papier war vom Krankenhausausschuss, dessen Vorsitzender Werner ist, verfasst worden. In der vorherigen Sitzung der DV hatte Werner bereits ein Papier zur sektorübergreifenden Notfallversorgung vorgestellt, das umfassend diskutiert worden war.
„Das ist keine Checkliste, sondern erst einmal eine Wunschliste“, sagte Jonitz einleitend. „Es sind die Basics, die wir im Rahmen einer Zielvorstellung formuliert haben“, führte Werner weiter aus. Man sei im Krankenhausausschuss fast ein Jahr damit beschäftigt gewesen und habe kontroverse Diskussionen geführt. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Krankenhausausschuss auch niedergelassene Ärzte vertreten seien.
In seiner Präsentation ging Werner auf die aus Sicht des Krankenhausausschusses erforderlichen gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen und die notwendigen strukturellen Veränderungen der sektorübergreifenden Versorgung ein. Er thematisierte auch das Qualitäts- und Risikomanagement, die intersektorale Kommunikation sowie das Einweisungs- und Entlassmanagement.
Die anschließende Diskussion nahm einen ähnlichen Verlauf wie die Diskussion über das Thesenpapier zur Notfallversorgung. Matthias Lohaus bezeichnete das Thesenpapier als „schönen Wunschzettel“. Viele der genannten Dinge seien nicht finanzierbar, weshalb sich eine umfassende Diskussion in der DV erübrige. Roland Urban (Allianz Berliner Ärzte) vermisste die Thematisierung der Problematik des Off-Label-Use von Medikamenten. Außerdem sei er überrascht, wie wenig auf die Frage der Datensicherheit eingegangen werde. „Insgesamt ist das aber ein gut gemeinter Ansatz“, erklärte er. Thomas Werner zeigte sich über die Anregungen erfreut und sagte, dass man sie aufnehmen werde.
Kammerpräsident Jonitz begrüßte das Papier ausdrücklich und unterstrich, wie wichtig eine eindeutige öffentliche Positionierung der Ärzteschaft sei, was für eine gute Patientenversorgung notwendig ist.
Vorstandsmitglied Harald Mau (Allianz Berliner Ärzte) regte an, das vorliegende Papier zur sektorenübergreifenden Patientenversorgung und das bereits vorgestellte Papier zur sektorübergreifenden Notfallversorgung zusammen zu diskutieren. Unabhängig davon sei es seiner Ansicht nach notwendig, die Zahlen im Papier, zum Beispiel zu den Notfällen in Berlin, zu überprüfen.
Raimund Ordyniak (Marburger Bund) hielt es für sinnvoller, den weiteren Umgang mit dem Papier zu erörtern als sich in Detailfragen zu verlieren. Diese Aufforderung hielten die Delegierten aber nicht davon ab, weiter einzelne Punkte zu diskutieren bzw. auf Dinge hinzuweisen, die aus ihrer Sicht in dem Thesenpapier fehlten. Eva Müller-Dannecker (Fraktion Gesundheit) bedankte sich beim Krankenhausausschuss für die geleistete Arbeit und betonte, dass solche Positionierungen und das Ringen um eine gemeinsame Linie für sie der Grund seien, sich in der ärztlichen Selbstverwaltung zu engagieren.
Thomas Werner dankte wiederum zum Abschluss den Delegierten für die konstruktive und spannende Diskussion. Er freue sich darauf, dass das Papier weiterentwickelt werde.