Den Nachwahlen von Dr. med. Matthias Blöchle (Allianz Berliner Ärzte – MEDI-Berlin) zum Vizepräsidenten und Dr. med. Kathleen Chaoui (Allianz Berliner Ärzte – MEDI-Berlin) in den Vorstand ging eine abendfüllende, lebendige, letztlich aber konstruktive Aussprache der Delegiertenversammlung über die Umstände und Hintergründe des Rücktritts von Vizepräsidentin Dr. med. Regine Held voran. Dabei kündigte auch Präsident Dr. med. Jonitz überraschend seinen Rücktritt bis spätestens Mitte Juni 2021 an. Am Ende der Versammlung beschlossen die Delegierten unter anderem noch den Tätigkeitsbericht 2019 und das Thesenpapier zur Notfallversorgung.
Abermals traf man sich aufgrund der andauernden Corona-Pandemie im 1905 erbauten Hörsaal des Langenbeck-Virchow-Hauses. Ein angemessenes Ambiente für eine „historische Sitzung“, als welche die 10. Delegiertenversammlung von Kammerpräsident Günther Jonitz (Marburger Bund) im Laufe des Abends bezeichnet wurde.
Zu Beginn des Abends gedachte die Versammlung mit einer Schweigeminute drei herausragenden Kammermitgliedern, Dr. med. Sabine Krebs, OMR Dr. med. Volker Schliack und Prof. Dr. med. Harald Mau sowie dem ersten Geschäftsführer der Ärztekammer Berlin, Ass. jur. Josef Kloppenborg. (s. BÄ 09/20 und 10/20)
Verabschiedung der ehemaligen Vizepräsidentin Regine Held
Danach leitete Jonitz zur Verabschiedung von Dr. med. Regine Held (Allianz Berliner Ärzte – MEDI-Berlin) über, die am 30. Juni 2020 ihren Rücktritt als Vizepräsidentin erklärt hatte. Über drei Jahre sei sie Vizepräsidentin und über 21 Jahre im Vorstand der Ärztekammer Berlin gewesen. Sie habe in ihrer Amtszeit viele Themen mit auf den Weg gebracht und den Vorstand bereichert, so Jonitz. Im besonderen Maße habe sie sich für die Ausbildung der medizinischen Fachangestellten eingesetzt und verdient gemacht. Im Namen des Vorstands sprach er ihr seinen Dank aus und begrüßte, dass sie sowohl in der Delegiertenversammlung als auch in Gremien der Ärztekammer weiter mitarbeitet.
Im Anschluss ergriff Held das Wort und berichtete, dass sie nach ihrer Entscheidung viele Anrufe von Kolleginnen und Kollegen erreicht hätten, die befürchteten, sie sei aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Dies sei nicht der Fall, der Grund sei vielmehr gewesen, dass die Zusammenarbeit im Präsidium nicht gut funktioniert hätte. Ihre Fraktion habe in der Folge ihres Rücktritts mit dem Koalitionspartner darüber viele Diskussionen geführt.
Sie hoffe, dass sich eben diese Zusammenarbeit nun mehr zum Positiven ändert. Held bedankte sich bei ihrer Fraktion, insbesondere bei ihrem Fraktionskollegen Dr. med. Klaus-Peter Spies (Allianz Berliner Ärzte – MEDI-Berlin), bei den Vorstandsmitgliedern, bei den Delegierten und beim Arbeitskreis Ärztinnen für Parität. Sie sei überzeugt, dass das Thema Parität das Parlament noch nachhaltig beschäftigen werde. Sie selbst werde dieses Thema im Satzungs- und Geschäftsordnungsausschuss, deren stellvertretende Vorsitzende sie ist, weiter verfolgen.
Zudem bedankte sich Held beim Hauptamt, der Geschäftsführung, den Abteilungen und der Stabsstelle – die Kammer sei sehr gut aufgestellt und solle durch eine zügige Nachwahl handlungsfähig bleiben. Ihren Rücktritt wolle sie nicht als Resignation verstanden wissen, vielmehr solle dieser neue Möglichkeiten eröffnen.
Generationswechsel im Präsidium
Vor offiziellem Eintritt in die Tagesordnung wurde ein Dringlichkeitsantrag auf Änderung der Tagesordnung zur „Aussprache über den Rücktritt von Dr. med. Regine Held und Ausblick auf und Erwartungen an die Arbeit der Ärztekammer Berlin für den Rest der Legislaturperiode“ der FrAktion Gesundheit in namentlicher Abstimmung mit Mehrheit angenommen. Julian Veelken (FrAktion Gesundheit) dankte der Versammlung für die Annahme des Antrages und erklärte das Anliegen, die Vorgänge um den Rücktritt der Vizepräsidentin in der Delegiertenversammlung offen zu besprechen. Regine Held sei seinerzeit mit den meisten Stimmen zur Vizepräsidentin gewählt worden. Daher würde er es begrüßen, wenn die Vorstandsmitglieder sich hierzu positionieren würden.
Dr. med. Eva Müller-Dannecker (FrAktion Gesundheit) ergänzte, wie stolz sie es gemacht habe, dass im Präsidium Parität gelebt wurde. Sie sei traurig, dass dies nun nicht mehr der Fall ist. Auch Dr. med. Peter Bobbert (Marburger Bund) äußerte als Sprecher des Marburger Bundes das Bedauern seiner Liste über den überraschenden Rücktritt der Vizepräsidentin. Held habe als integre Persönlichkeit fraktionsübergreifende Bedeutung; er dankte ihr ausdrücklich für ihre Arbeit als Vizepräsidentin und freue sich, dass sie der Kammer mit ihrem Engagement in mehreren Ausschüssen erhalten bleibe. Diese Einschätzung wurde von der Versammlung mit allgemeinem Applaus goutiert.
Klaus-Peter Spies unterstrich die stets hervorragende Zusammenarbeit mit der Vizepräsidentin und dankte ihr im Namen seiner ganzen Fraktion. Es habe viele Diskussionen im Vorstand gegeben, aber er sieht weiterhin eine gute gemeinsame Zukunft. Man freue sich auf die weitere Zusammenarbeit.
Kammerpräsident Jonitz dankte der Versammlung für die Rückfragen und konstatierte, dass es Kommunikationsprobleme im Präsidium gegeben habe und er sich auch persönlich in dieser Hinsicht kritisch hinterfrage. Er sei seinerzeit angetreten, um die Ärztekammer voran- und Lösungen in die politische Meinungsbildung aktiv einzubringen. Dem sei er weiterhin verpflichtet. Gleichwohl habe er sich entschieden, zwischen Januar und Mitte Juni 2021 als Präsident der Ärztekammer Berlin zurückzutreten, um so den Weg für die jüngere Generation frei zu machen.
Aussprache und Ausblick
Es folgte eine lebendige und in jeder Hinsicht kritische, aber dennoch konstruktive Diskussion, in der die Vorstandsmitglieder Stellung zum Vorgang nahmen. Auch wenn der Rücktritt der Vizepräsidentin überraschend gekommen sei, wäre er richtig, da er einen Anstoß für Veränderungen gegeben habe, so Vorstandsmitglied Dr. med. Heike Kunert (NAV-Virchow-Bund – Haus- und Fachärzte gemeinsam!). Dr. med. Susanne von der Heydt (Marburger Bund) ergänzte, dass ihrer Ansicht nach die inhaltliche Arbeit des Vorstands sehr gut laufen würde.
Im Anschluss sagte Vorstandsmitglied Dr. med. Christian Messer (Allianz Berliner Ärzte – MEDI-Berlin), dass nicht alle Vorstandssitzungen einmütig seien, aber so gehöre es sich in einer Demokratie. Allgemein herrsche im Vorstand eine gute Diskussionskultur und die inhaltliche Arbeit sei an den gemeinsamen Zielen ausgerichtet.
Insbesondere Dr. med. Christiane Wessel (NAV-Virchow-Bund – Haus- und Fachärzte gemeinsam!) sowie PD Dr. med. Ahi Sema Issever (Marburger Bund) sorgten mit einigen kritischen Nachfragen und Geschäftsordnungsanträgen bezüglich einer öffentlichen Erklärung zum vorgezogenen Rücktritt des amtierenden Präsidenten für eine Debatte, die es ermöglichte, die meisten Punkte umfassend zu diskutieren. Dr. med. Katharina Thiede (FrAktion Gesundheit) unterstrich mehrfach die Wichtigkeit der paritätischen Besetzung aller Gremien und wünschte sich ein diesbezügliches Konzept für die Zukunft. Sie würdigte sowohl den mutigen Rücktritt der Vizepräsidentin als auch den angekündigten Rücktritt des Präsidenten Jonitz. Prof. Dr. med. Jörg Weimann (Marburger Bund) rundete die Aussprache schließlich ab und betonte, diese habe Vertrauen geschaffen. Er dankte für die Aufrichtigkeit des Vorstandes, zollte dem Präsidenten Respekt für seine Entscheidung und begrüßte den kommenden Generationenwechsel.
Nachwahlen – die Frage der Parität
Neben dem Generationenwechsel kristallisierte sich „Parität“ als eines der Kernthemen der Versammlung heraus. So schlug Müller-Dannecker die Delegierte Dr. med. Miriam Vosloo (Hartmannbund Plus) bewusst als Gegenkandidatin zu Dr. med. Matthias Blöchle (Allianz Berliner Ärzte – MEDI-Berlin) zur Neubesetzung des Vizepräsidentenamtes vor. Vosloo stellte sich zur Wahl, die Blöchle in geheimer Abstimmung mit 24 Stimmen zu 16 Stimmen bei einer Enthaltung gewann. Damit ist Matthias Blöchle neuer Vizepräsident der Ärztekammer Berlin. Bereits seit 2007 ist Blöchle Mitglied der Delegiertenversammlung und seit April 2017 Mitglied des Kammervorstandes der Ärztekammer Berlin. Bundesweite Aufmerksamkeit erlangte er im Jahr 2006 mit seiner Selbstanzeige wegen erstmals in Deutschland durchgeführter Präimplantationsdiagnostik (PID) im Jahr zuvor. Der Strafprozess endete 2010 vor dem Bundesgerichtshof mit einem Freispruch. In der Folge wurden die gesetzlichen Grundlagen geändert, die PID ist seitdem auch in Deutschland erlaubt.
Neu in den Vorstand der Ärztekammer Berlin wurde außerdem Dr. med. Kathleen Chaoui gewählt. Chaoui betreibt eine Gemeinschaftspraxis in Berlin-Charlottenburg. Sie ist unter anderem im Weiterbildungsausschuss IV vertreten und Mitglied der „Allianz der Berliner Ärzte – MEDI-Berlin“. Mit der Wahl von Kathleen Chaoui ist die Parität im Vorstand weiterhin nahezu gewahrt.
Eilige Beschlüsse
Zur fortgeschrittenen Stunde wurden verschiedene Drucksachen der Weiterbildungsgremien und der Haushaltskommission beschlossen. Zudem wurden der zukünftig nur noch digital erscheinende und im neuen Corporate Design gestaltete Tätigkeitsbericht 2019 sowie das „Thesenpapier zur sektorübergreifenden Notfallversorgung der Ärztekammer Berlin“ einstimmig beschlossen. In dem Thesenpapier des Ausschusses Versorgung wurden gemeinsam von Vertretern des ambulanten und stationären Bereichs neun Handlungsempfehlungen formuliert, die Defizite in der Notfallversorgung beseitigen sollen. Damit bezieht die Ärztekammer Berlin Stellung zur Reform der Notfallversorgung, mit der der Gesetzgeber im Bereich der ambulanten Notfallversorgung die Rahmenbedingungen erneut anpassen will.
Der Kammerpräsident dankte den Delegierten zum Abschluss und verabschiedete sie teils freudig, teils nachdenklich. Beim Verlassen des Gebäudes durch das prächtig bebilderte Treppenhaus des Langenbeck-Virchow-Hauses konnte man einen Eindruck vom Wert der Geschichte erlangen und die an diesem Abend erlangte Erfahrung vom Gebot des Wandels auf sich wirken lassen.
Ole Eggert