Unter strengen Hygieneregeln fand die Delegiertenversammlung ein letztes Mal in dem herausfordernden Jahr 2020 statt. Aufgrund der pandemischen Lage wurde die Sitzung konzentriert und zügig abgehalten. Eine lange Tagesordnung mit potenziell kontroversen Themen sollte abgearbeitet werden. Satzungsänderung, Finanzen, neue Beitragsordnung, Schlichtungsordnung – kurzum: Entscheidungen standen an.
Wäre man mittlerweile nicht daran gewöhnt, käme es einem regelrecht gespenstisch vor, wie die Delegierten mit großem Abstand voneinander und mit den zuvor verteilten, grellweißen FFP2-Masken im Gesicht im prachtvollen Hörsaal des Langenbeck-Virchow-Hauses saßen. Bereits bei der pünktlichen Eröffnung machte Kammerpräsident Dr. med. Günther Jonitz (Marburger Bund) klar, dass die Sitzung der Delegiertenversammlung aufgrund der pandemischen Lage möglichst zügig abgehalten werden solle. Er mahnte zu Disziplin und Konzentration. Zudem kündigte er an, dass man entgegen der vorliegenden Tagesordnung den Punkt „Entschädigungsregelung der Ärztekammer Berlin“ erst am Ende der Sitzung besprechen werde, da man hier mit einem hohen Diskussionsbedarf rechne.
Was folgte, war eine Tour de Force durch die Tagesordnung – bei der sämtliche kontroversen Sachverhalte jedoch gründlich und gewissenhaft debattiert wurden. Noch vor Einstieg in die Tagesordnung gedachte die Versammlung mit einer Schweigeminute des verstorbenen Kammermitgliedes Dr. med. Roman Skoblo, den der Präsident als bedeutenden Arzt und herausragenden Menschen würdigte. Seit 1988 war Skoblo Vorsitzender des Landesverbandes, später auch des Bundesverbandes jüdischer Ärzte und Psychologen.
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie
Zum Einstieg wurde eine von der FrAktion Gesundheit eingebrachte Anfrage an den Vorstand vom Versammlungsleiter kurz vorgestellt. Mitglieder der Liste wiesen in dieser Anfrage mit großer Sorge darauf hin, dass die sogenannte Querdenker-Gruppierung an Berliner Schulen Falschinformationen zum Social Distancing und zur Mund-Nasen-Bedeckung in Form von Flugblättern verteile. In der Anfrage wurde dem Vorstand eine Aufklärungskampagne nahegelegt. Der Vorstand begrüßte die Initiative ausdrücklich und teilte die Einschätzung der FrAktion Gesundheit. Bildungssenatorin Sandra Scheeres wird vom Vorstand mit einem Rundschreiben an Berliner Schulen angeschrieben. Dem Rundschreiben wird Informationsmaterial der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beigelegt.
Die folgenden Mitteilungen des Vorstandes wurden anschließend entgegen den Gepflogenheiten nicht vom Versammlungsleiter vorgetragen, sondern den Delegierten ausgedruckt zur Verfügung gestellt. Ein der Pandemie geschuldetes Vorgehen, das der Präsident jedoch sehr begrüßte.
Satzungsgemäß musste die Delegiertenversammlung erneut als Präsenzsitzung stattfinden. Um dies zukünftig zu vermeiden und hybride oder gänzlich virtuelle Sitzungen zu ermöglichen, war eine Änderung der Hauptsatzung der Ärztekammer Berlin notwendig. Die hierzu benötigte Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder der Delegiertenversammlung wurde erreicht. Die Regelung ist befristet bis zum 30. Juni 2021.
Fragen des Geldes: Jahresbericht und Wirtschaftsplan
Im Anschluss widmete sich die Delegiertenversammlung den Finanzangelegenheiten der Ärztekammer Berlin. In Bezug auf den Jahresabschluss mit Lagebericht für das Geschäftsjahr 2019 wurde aufgrund der Umstände von dem traditionellen Vortrag des Wirtschaftsprüfers abgesehen. Stattdessen berichtete Frank Rosenkranz, kaufmännischer Leiter der Ärztekammer Berlin, dass der Jahresbericht umfänglich von der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft und beanstandungsfrei testiert worden sei. Dr. med. Eva Müller-Dannecker (FrAktion Gesundheit) sekundierte im Anschluss, dass die Haushaltskommission, deren Vorsitzende sie ist, den Delegierten empfehle, den Jahresabschluss freizugeben und den Vorstand zu entlasten. Dieser Empfehlung kamen die Delegierten in der nachfolgenden Abstimmung nach.
Bezüglich des Wirtschaftsplanes 2021 berichtete Müller-Dannecker von einer kontroversen Diskussion in der Haushaltskommission zu den darin vorgesehenen neu zu besetzenden Stellen. Mitglieder der Haushaltskommission hätten darauf hingewiesen, dass insbesondere im Hinblick auf die Beiträge jede Einzelstelle sehr kritisch zu betrachten sei. Denn dauerhafte Stellenpläne würden auch dauerhaft wirken. Eine Beitragsstabilität solle dabei oberstes Ziel sein. Müller-Dannecker unterstrich im gleichen Atemzug, man sei mit der Arbeit des Hauptamtes äußerst zufrieden und würde diese sehr wertschätzen, dennoch sei es die Aufgabe der Haushaltskommission, den Wirtschaftsplan kritisch zu hinterfragen.
Insbesondere die Besetzung von drei neuen Stellen in der berufsrechtlichen Abteilung, die aufgrund der Einrichtung eines Schlichtungsverfahrens in der Ärztekammer Berlin notwendig werden, wurde kontrovers diskutiert. Daraufhin erklärte Martina Jaklin, Leiterin der Abteilung Berufs- und Satzungsrecht, dezidiert und ausführlich den Personalbedarf ihrer Abteilung, der sich aus den zahlreichen Fällen, die zukünftig zusätzlich bearbeitet werden müssen, ergebe. Der Präsident unterstrich in diesem Zusammenhang, dass die Mahnung, den Apparat nicht unnötig zu vergrößern, berechtigt sei, gleichzeitig aber darauf geachtet werden müsse, das Schlichtungsverfahren leistungsfähig und effektiv aufzusetzen. Die Besetzung wäre mehrfach geprüft worden und somit fundiert: Die drei Stellen seien gut begründet. Müller-Dannecker regte letztlich eine Abstimmung über die neu zu besetzenden Stellen in der Ärztekammer Berlin an. Im Ergebnis stimmte die Delegiertenversammlung den geplanten Neubesetzungen mehrheitlich zu und der Wirtschaftsplan 2021 wurde beschlossen.
Anpassung der Beitragsordnung
Seit dem 1. Januar 2020 ist die im Jahr 2019 neu gefasste Beitragsordnung in Kraft. Mit der Neufassung sollte gesichert werden, dass nahezu alle Kammermitglieder beitragspflichtig sind, um so ein höheres Maß an Beitragsgerechtigkeit zu erzielen. Dieses Ziel wurde erreicht. Im Laufe des vergangenen Jahres wurden die Rückmeldungen der Kammermitglieder zu der neu gefassten Beitragsordnung von einem Arbeitskreis analysiert und ausgewertet.
Entsprechend der Empfehlung des Arbeitskreises sollen Kammermitglieder, die im Beitragsjahr an einer schwerwiegenden Erkrankung von erheblicher Dauer leiden, für dieses Beitragsjahr entlastet werden. Ebenso Kammermitglieder, die nicht mehr berufstätig und schwerwiegend pflegebedürftig sind. Ist nicht zu erwarten, dass sich der Pflegezustand ändert, soll die Entlastung auf Dauer sein. Für Kammermitglieder, die sich aufgrund geringer Einkünfte (insbesondere einer geringen Rente) über die nunmehr bestehende Beitragsverpflichtung beschwert haben, hält die Beitragsordnung in der aktuellen Fassung bereits Härtefallregelungen bereit, die eine sachgerechte Reaktion ermöglichen.
Das mit der Neufassung der Beitragsordnung verfolgte Ziel größtmöglicher Beitragsgerechtigkeit wird mit den nachstehend beschriebenen Änderungen beibehalten. Die Änderungen sollen für eine überschaubare Gruppe von Kammermitgliedern persönliche Härten abmildern, was von Präsidium und Delegierten ausdrücklich begrüßt wurde. Mit nur einer Gegenstimme wurde die Anpassung der Beitragsordnung von der Delegiertenversammlung beschlossen. Jonitz unterstrich in diesem Zusammenhang das große Privileg der ärztlichen Selbstverwaltung, solche Anpassungen vornehmen zu können – auch rückwirkend.
Neue Schlichtungsordnung
Die Schlichtungsordnung der Ärztekammer Berlin ist aufgrund des im November 2018 in Kraft getretenen Berliner Heilberufekammergesetz änderungsbedürftig. Insbesondere ist die Schlichtung bei Streitigkeiten über Behandlungsfehler zu regeln. Die bisherige gemeinsame Schlichtungsstelle der Norddeutschen Landesärztekammern wird zu Ende 2021 aufgelöst. Die Ärztekammer Berlin wird eine eigene gründen, das bisherige Verfahren und den gemeinsamen Gutachterpool bewahren. Die Finanzierung über Gebühren, auch für Patientinnen und Patienten beziehungsweise der Verfahrensbeteiligten, wurde und wird diskutiert. Nach der neuen Satzung beruft die Delegiertenversammlung zwei unterschiedliche Schlichtungsausschüsse: einen zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Berufsverhältnis zwischen Kammermitgliedern und einen zur Schlichtung von Streitigkeiten über Behandlungsfehler zwischen Kammermitgliedern, sogenannten EU-Dienstleistern sowie Gesellschaften, bei denen diese tätig sind (zum Beispiel Krankenhäuser und Medizinische Versorgungszentren (MVZ)) und Dritten, das heißt Patientinnen und Patienten oder deren bzw. dessen Erbinnen und Erben. Die neue Schlichtungsordnung regelt das Verfahren beider Ausschüsse in seinen wesentlichen Grundzügen. Nach einem Vortrag von Frau Jaklin zu dem Thema wurde die neue Schlichtungsordnung von der Delegiertenversammlung beschlossen.
Nach zügigen Beschlüssen zu Weiterbildungsangelegenheiten wurde auf Antrag entschieden, die Debatte um die Neufassung der Allgemeinen Entschädigungsregelung auf die nächste Delegiertenversammlung zu vertagen. So zeigte sich, dass es im Interesse sowohl mehrerer Delegierter als auch des Präsidenten war, das Thema gründlich und ausgiebig zu diskutieren.
Ole Eggert
Die nächste Sitzung der Delegiertenversammlung findet am 17. Februar 2021 um 20 Uhr statt. Die Sitzung ist kammeröffentlich.