Die 15. Sitzung der Delegiertenversammlung war ebenso vollgepackt wie diskussionsgeladen. Im Mittelpunkt der Debatte standen erneut die umstrittene Vertreterversammlung für das Versorgungswerk sowie der 8. Nachtrag zur Weiterbildungsordnung. Daneben ging es um den Jahresabschluss 2008 der Berliner Ärzteversorgung (BÄV) und die Verwendung der Gewinnrückstellung. Einig waren sich die Delegierten, dass angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen an den Finanzmärkten eine Erhöhung der Rentenanwartschaften und der Renten im kommenden Jahr nicht möglich sein wird.
Von Sascha Rudat
Der Vorsitzende des BÄV-Verwaltungsausschusses, Kammervizepräsident Elmar Wille (Liste Allianz), stellte gewohnt detail- und kenntnisreich den Jahresabschluss 2008 des Versorgungswerkes dar. So stieg die Zahl der Rentenanwärter im vergangenen Jahr um rund 700 auf 23.741, die Zahl der Rentner kletterte gegenüber dem Vorjahr um 9,1% auf 4.476. Einen deutlichen Anstieg um rund 23% gab es bei den beitragsfreien Mitgliedern (2.285), bedingt durch die Möglichkeit, nach Wegzug aus dem Kammergebiet die erworbenen Anwartschaften beitragsfrei zu behalten.
Eine Übersicht des Mitgliederbestandes nach Tätigkeitsart machte deutlich, dass der Anteil der angestellten Ärzte inzwischen knapp die Hälfte ausmacht, rund ein Viertel sind selbstständige Ärzte. Der Rest verteilt sich auf vorübergehend nicht tätige Ärzte (6,8%), im Ausland tätige Ärzte (5,0%), verbeamtete Ärzte (1,6%) und - neu erfasst - mehrfach beschäftigte Ärzte (1,5%) sowie Sonstige (9,0%). "Die Strukturen verschieben sich weiter Richtung angestellte Ärzte", unterstrich Wille.
Erfreulich war, dass die Beitragseinnahmen um 3,4% auf rund 222 Mio. Euro stiegen. Bei den Versorgungsabgaben sank der Anteil der Gruppe mit Zahlungen unter dem 0,5-fachen Beitrag (bezogen auf die jeweils einschlägige West- bzw. Ost-Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung) leicht von 21,2, auf 20,7%. Das waren die Ärztinnen und Ärzte, die 2008 monatlich weniger als 2.650 (West) bzw. 2.250 Euro brutto (Ost) verdient hatten (z.B. wg. ausgeübter Teilzeittätigkeit). Auch die Gruppe mit dem 0,5- bis 1,0-fachen Beitragssatz sank von 35,9 auf 34,2% - also Ärzte, die zwischen 2.650 und 5.300 Euro (West) bzw. zwischen 2.250 und 4.500 Euro (Ost) verdient hatten. Gleichzeitig kletterten die Gruppen mit 1,0-fachen Beitragssatz und über 1,0-fachen Beitragssatz von 34,0 auf 35,2 bzw. von 8,9 auf 9,9%. "Die ärztlichen Einkommen haben moderat zugenommen", fasste der BÄV-Vorsitzende die Entwicklung zusammen.
Positives Jahresergebnis trotz Krise
Dieser positiven Tendenz stand die extrem schwierige Situation an den Finanz- und Kapitalmärkten gegenüber. Zwar blieb der Durchschnittszins mit 4,08% knapp über der erforderlichen 4,0%-Marke (Rechnungszins), doch sank die Nettoverzinsung bedingt durch die Kurseinbrüche bei einigen Spezialfonds und den daraus resultierenden außerplanmäßigen Abschreibungen im Berichtsjahr auf 0,99% (im Vorjahr 5,59%). Kapitalerträgen in Höhe von 225 Millionen Euro standen außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von 171 Millionen Euro gegenüber. Elmar Wille zeigte sich aber im Rahmen der Gesamtsituation zufrieden, dass durch eine breite Streuung der Anlagen kein negatives Jahresergebnis eingefahren wurde und machte deutlich, dass die Finanzierung des Versorgungswerkes natürlich von den Entwicklungen an den Kapitalmärkten abhänge. Selbstverständlich habe man für schwierige Zeiten wie diese Rücklagen gebildet. "Wenn sich aber die Finanzkrise länger hinziehen sollte, dann müssten wir über eine Absenkung des Rechnungszinses nachdenken. Bis jetzt ist das nicht notwendig", hob Wille hervor und fügte hinzu: "Wir wollen diese Lösung auch nicht bestreiten." Er machte anschaulich deutlich, was dies bedeuten würde: Bei einer Absenkung des Rechnungszinses von 4,0 auf 2,25% - analog zum Versorgungswerk der Berliner Rechtsanwälte - würden die Rentenerwartungen bei den heute 25-Jährigen um circa 46%, bei den heute 64-Jährigen immer noch um 20% sinken.
Wille und BÄV-Geschäftsführer Martin Reiss wiesen darauf hin, dass in der Deckungsrückstellung von 4,833 Millarden Euro die Längerlebigkeit der Berliner Ärzte in Form der "Berufsständischen Richttafeln" zum 1. Januar 2009 voll umgesetzt worden war. "Längerlebigkeit ist nicht nur Statistik, sondern gelebte Wirklichkeit", sagte Reiss. Rund 690 Millionen Euro wurden alleine für die vollständige Finanzierung der Längerlebigkeit der Mitglieder benötigt. Dies macht deutlich, wie sich die Ärzteversorgung vorausschauend für die Zukunft aufgestellt hat. Wille betonte, dass solch eine Voraussicht nicht überall der Fall sei. Viele andere Versorgungswerke müssten im Gegensatz zur BÄV noch in den nächsten Jahren erhebliche Beträge zur Finanzierung der gestiegenen Lebenserwartung aufbringen, was deren Jahresergebnisse belaste. "Die BÄV ist mit diesem Problem durch" sagte Wille unter dem Beifall der Delegierten.
Gewinne bleiben in Rückstellung
Nachdem ein Vertreter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft SUSAT & Partner den Jahresabschluss uneingeschränkt bestätigt hatte, ergriff Volker Pickerodt (Fraktion Gesundheit) in der anschließenden Diskussion das Wort: "Die Situation ist nicht so gut wie dargestellt", monierte er. Er finde es problematisch, dass 171 Millionen Euro durch Abschreibungen "verschwinden" würden. Die Zahl der risikobehafteten Anlageformen sei gestiegen, dies ist aus seiner Sicht eine Anlagepolitik, die Risiken berge und nun durch die wirtschaftliche Situation bestraft würde.
Dies sah eine ganze Reihe von Delegierten anders. Vorstandsmitglied Matthias Albrecht (Marburger Bund) sagte, dass es in den BÄV-Gremien natürlich Diskussionen über die Anlagestrategie gegeben habe. "Wenn wir weiter Krise fahren, dann wird es ganz schwierig, ohne Risiko die 4% halten zu können. Wenn man aber kein Risiko eingeht, hat man auch keine Chance auf Gewinn. Das muss man immer abwägen." Matthias Bloechle (Liste Allianz) sagte, dass Abschreibungen nicht automatisch ein Verlust seien. Aktien könnten ja auch wieder steigen. "Und wenn man Aktien auslässt, kann man keinen Gewinn erwirtschaften. Die Renditeerwartung von mindestens 4% ist nur mit einer angemessenen Beimischung von Aktien zu erzielen." Rüdiger Brand (Fraktion Gesundheit), Mitglied des BÄV-Verwaltungsausschusses, schilderte die schwierige Situation des vergangenen Jahres: "Ich glaube, viel mehr war nicht drin, denn schließlich seien nicht nur Aktien von der Finanzkrise erfasst worden." Wille wies zudem darauf hin, dass Aufsichts- und Verwaltungsausschuss oft und viel getagt hätten. "Alle wichtigen Entscheidungen wurden dabei einstimmig erzielt", unterstrich er. "In dieser Phase haben wir ein Ergebnis, das unter den Umständen einer weltweiten Finanzkrise nicht besser zu machen war."
Dies sahen auch die Delegierten so und verabschiedeten den Jahresabschluss einstimmig bei einer Enthaltung. Verwaltungs- und Aufsichtsausschuss wurden einstimmig mit einigen Enthaltungen entlastet. In Anbetracht der anhaltenden schwierigen Situation stimmten die Delegierten einstimmig - bei einer Enthaltung - dafür, die Renten und die Anwartschaften im kommenden Jahr über die bereits eingerechnete 4%ige Verzinsung der Beiträge hinaus nicht zu erhöhen. Außerdem sollen die erzielten Gewinne in Höhe von 19,4 Millionen Euro in der Gewinnrückstellung verbleiben.
Streitpunkt Nachtrag Weiterbildungsordnung
Als Aufreger erwies sich der 8. Nachtrag der Weiterbildungsordnung, der den Delegierten drei Wochen zuvor als 177-seitige Synopse zugegangen war und zahlreiche Detailänderungen enthielt. Volker Pickerodt kritisierte das Abstimmungsverfahren. Er sehe sich außerstande, über diese umfangreichen Änderungen abzustimmen. Darüber hinaus brachte er inhaltliche Kritik an verschiedenen Punkten vor, unter anderem hinsichtlich der Weiterbildung in Teilzeit. Pickerodt plädierte dafür, die Sitzung als 1. Lesung des WbO-Nachtrags zu nutzen.
Dies stieß auf wenig Gegenliebe unter den Delegierten.
Kammerpräsident Günther Jonitz (Marburger Bund) verwies darauf, dass die DV kein Redaktionsgremium, sondern ein Beschlussgremium sei. In den Weiterbildungsausschüssen sei eine fachkundige und verantwortungsvolle Arbeit geleistet worden, die dann vom Hauptamt fortgesetzt worden sei. Martina Jaklin, Leiterin der Abteilung Berufs- und Satzungsrecht, erläuterte, dass alle Themen im Gemeinsamen Weiterbildungsausschuss (GWbA) und in den Ausschüssen beschlossen worden seien. Dem GWbA gehören alle Vorsitzenden der Weiterbildungsausschüsse an. Die Beschlüsse wurden dann in der Rechtsabteilung umgesetzt. Es habe während dieses Prozesses umfassende Rücksprachen mit dem GWbA-Vorsitzenden, Vorstandsmitglied Dietrich Bodenstein, gegeben. Kritische Passagen seien dann nochmals in die Ausschüsse zurückgegeben worden. Martina Jaklin erläuterte, dass rein redaktionelle Fehler bei Bedarf auch nach der Beschlussfassung durch die DV noch beseitigt werden könnten, dazu wäre keine neuerliche Abstimmung notwendig. Hinweise dazu sollten an die Abteilung Berufsrecht gehen.
Vorstandsmitglied Hans-Detlef Dewitz (Liste Allianz), Matthias David (Marburger Bund) und Bernd Müller (Liste Allianz) bezeichneten die Zeit, die Synopse durchzuarbeiten, für mehr als ausreichend.
Die weitere Diskussion drehte sich vor allem um das Thema "Medikamentöse Tumortherapie" und die Frage, in welche Gebiete die Zusatzweiterbildung als integraler Bestandteil zurückgeführt werden sollte. Dazu waren im Vorfeld alle betroffenen Wb-Ausschüsse gehört worden. Andreas Grüneisen (Fraktion Gesundheit) sprach sich dafür aus, die "Medikamentöse Tumortherapie" aus dem Nachtrag herauszunehmen. Dann folgte ein Antrag auf "Schluss der Debatte" von Matthias Blöchle (Liste Allianz). Dies wurde mehrheitlich bei einigen Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen. Hiernach ließ Kammerpräsident Jonitz über Vertagung des Tagesordnungspunktes abstimmen. Dies wurde mehrheitlich bei einigen Gegenstimmen und vier Enthaltungen abgelehnt - ebenso wie der Antrag, die "Medikamentöse Tumortherapie" aus dem 8. Nachtrag herauszunehmen. Keine Mehrheit fand auch der Antrag von Volker Pickerodt, über jede Änderung gesondert abzustimmen. Schließlich verabschiedeten die Delegierten den Nachtrag mehrheitlich mit einigen Gegenstimmen und Enthaltungen. Im Anschluss ergriff Pickerodt das Wort, um sein Bedauern über die Diskussion und die Art der Abstimmung zum Ausdruck zu bringen. Dies sei der DV nicht würdig.
Klage gegen Senatsanweisung
Ähnlich kontrovers verlief die Diskussion um den Dauerbrenner "Eigene Vertreterversammlung für die Berliner Ärzteversorgung". Die DV hatte in ihrer Sitzung am 8. Juli den Entwurf einer Wahlordnung für die Vertreterversammlung mehrheitlich abgelehnt (mit Gegenstimmen der Fraktion Gesundheit) und damit ihren Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der geplanten Vertreterversammlung zum Ausdruck gebracht (Lesen Sie dazu den DV-Bericht im August-Heft). Im August war dann die aufsichtsrechtliche Anweisung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz bei der Kammer eingegangen, den Entwurf der Wahlordnung zu beschließen. Wie der Kammerpräsident erläuterte, hatte die Kammer zwischenzeitlich Klage gegen diese Anweisung der Senatsanweisung eingelegt, um die Frist zu wahren. Der Vorstand bat die Delegierten nun, dieses Rechtsmittel zu bestätigen.
In der anschließenden Debatte sprachen sich zahlreiche Delegierte scharf gegen das Vorgehen der Senatsverwaltung aus. Wolfgang Kreischer (Hausärzte) unterstrich: "Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen." Die versuchte Einflussnahme des Senats "nimmt uns unsere demokratischen Grundrechte", hob Dietrich Banzer (Liste Allianz) hervor. Die Fraktion Gesundheit sah das erwartungsgemäß anders: Andreas Grüneisen hielt die Auseinandersetzung mit dem Senat für "völlig kontraproduktiv". Volker Pickerodt wollte dann wissen, mit welchen Kosten eine solche Klage verbunden sei. Kammergeschäftsführer Michael Hahn erklärte, dass sich das finanzielle Risiko auf die Anwaltskosten und die normalen Gerichtsgebühren beschränken würde. Pickerodt wies dann darauf hin, dass es in Berlin einen Gesetzgeber, das Abgeordnetenhaus, gebe. Dieser habe ein Gesetz verabschiedet, an das die Kammer gebunden sei. Kammerpräsident Jonitz erwiderte, dass nicht die Gesetzmäßigkeit der 9. Kammergesetznovelle in Frage gestellt werde, sondern die der Vertreterversammlung. Im Übrigen sei die Kammer als Betroffene zu keiner Zeit des Gesetzgebungsverfahrens gehört worden noch habe sie sich sich konstruktiv einbringen können. Vizepräsident Wille sei zum Beispiel eine Stellungnahme im zuständigen Fachausschuss des Abgeordnetenhauses verwehrt worden. "Wir geben dem Senat durch den Rechtsweg die Möglichkeit der Gesichtswahrung", schloss Jonitz und stellte Volker Pickerodt die Frage, wie sich seine Rechtfertigung des Verhaltens der Senatsverwaltung mit seiner Mitgliedschaft im Vorstand des Verbandes demokratischer Ärztinnen und Ärzte vereinbare. Von Matthias Bloechle wurde dann der Antrag auf Schluss der Debatte gestellt, der mehrheitlich bei sechs Gegenstimmen angenommen wurde.
Volker Pickerodt stellte daraufhin den Antrag zur Geschäftsordnung auf namentliche Abstimmung. Dieser wurde mehrheitlich bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen. In der folgenden Abstimmung wurde die Beschlussvorlage mit 21-Ja- und 13 Gegenstimmen verabschiedet.
Änderung der Berufsordnung
Drei weitere Tagesordnungspunkte erwiesen sich als weniger konfliktträchtig. Zum einen ging es um eine Änderung der Berufsordnung. Deren Paragraf 16 - zum Thema Patientenverfügung - musste aufgrund aktueller Rechtsprechung geändert werden. Eine Änderung der Regelung war notwendig geworden, um Irritationen und Irrtümer bei den Ärzten zu vermeiden. Die Beschlussvorlage wurde einstimmig angenommen.
Daneben wurde eine Änderung der Ordnung zur Wahl der Delegiertenversammlung einstimmig verabschiedet. Dabei ging es im Wesentlichen um verfahrensklarstellende Änderungen und Regelungen, zum Beispiel Fristenregelungen. Die Grundstruktur der Wahlordnung wurde beibehalten.
Abschließend wurden einstimmig Rechtsvorschriften für die Teilnahme an Kursmodulen der Überbetrieblichen Ausbildung im Rahmen der Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten verabschiedet. Diese waren als rechtliche Basis für das im April beschlossene modifizierte Lehrgangskonzept notwendig.
Proklamation der DV |
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Einstimmig stellte sich die DV mit folgender Proklamation hinter die streikenden Ärztinnen und Ärzte an den Berliner DRK-Kliniken: "Die Delegiertenversammlung beobachtet die Tarifauseinandersetzung an den DRK-Kliniken mit Sorge. Sie unterstützt die berechtigten Forderungen der vom Marburger Bund vertretenen Ärzte. Die Delegiertenversammlung fordert auch die niedergelassenen Ärzte der Stadt auf, die sich im Arbeitskampf befindenden Kolleginnen und Kollegen nach ihren individuellen Möglichkeiten zu unterstützen. Die Geschäftsführung der DRK-Kliniken wird aufgefordert, zu einem angemessenen und dem ärztlichen Stande würdigen Verhalten zurückzukehren." |
Neues DV-Mitglied |
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Neu in der DV ist Dr. med. Roland Bersdorf. Er folgt in der Fraktion Gesundheit Dr. med. Kai Schnabel nach, der die DV verlassen hat, weil er nach Bern gegangen ist. Bersdorf ist Geschäftsführer des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe. |