Das Thema Flüchtlinge beherrschte natürlich auch die Delegiertenversammlung (DV) am 23. September. Intensiv tauschten sich die Delegierten über die problematische medizinische Versorgung der Flüchtlinge in Berlin aus. Insbesondere die katastrophale Situation rund um das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in der Turmstraße stand im Fokus.
Von Sascha Rudat
Vorstandsmitglied Peter Bobbert (Marburger Bund) berichtete, dass die Situation am LAGeSo Anfang August „im negativen Sinn beeindruckend“ gewesen sei. Dadurch, dass das LAGeSo seiner Aufgabe, die Flüchtlinge zeitnah zu registrieren, nicht nachgekommen sei, seien die Menschen in ein Vakuum geraten. Sie waren meist obdachlos und hatten keinen Zugang zur medizinischen Versorgung. Nur durch den intensiven Einsatz von Freiwilligen hätte die Situation etwas abgemildert werden können. Die daraufhin von der Ärztekammer Berlin verfasste Pressemitteilung, in der die kritischen Punkte deutlich benannt und die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales aufgefordert wurde, diese zu beheben, habe ein enormes mediales und politische Echo ausgelöst. „Wir wurden von der politischen Seite wahrgenommen – auch als Ansprechpartner“, erklärte Bobbert. Beim daraufhin folgenden Runden Tisch im August wurde noch einmal festgehalten, dass es Aufgabe des LAGeSo sei, die medizinische Hilfe zu koordinieren. Gleichzeitig startete die Ärztekammer Berlin einen Aufruf, ehrenamtliche Hilfe zu leisten – woraufhin sich rund 800 Ärztinnen und Ärzte beim LAGeSo meldeten. „Es war schön zu sehen, welche Stimme die Ärztekammer Berlin hat und was wir damit bewirken können“, fügte Bobbert hinzu. Allerdings konnten nicht alle Ärztinnen und Ärzte erfasst und eingesetzt werden. Die daher ausbleibenden Rückmeldungen durch das LAGeSo sorgten verständlicherweise zum Teil für Frust bei den Hilfswilligen.
Bobberts Sicht wurde von Jürgen Hölzinger, Mitglied des Ausschusses für Menschenrechtsfragen der Kammer und als Gast bei der DV anwesend, geteilt. „ Es gab mitten in Berlin noch nicht einmal eine medizinische Basisversorgung und das auf dem Gelände eines ehemaligen Krankenhauses“, stellte Hölzinger, der regelmäßig an der Versorgung vor Ort teilgenommen hatte, fassungslos fest. Die Verbesserungen seien bislang überschaubar. So gebe es in den Räumen, wo die Krankenstation untergebracht ist (Haus C auf dem LAGeSo-Gelände), bislang kein fließendes Wasser. Darüber hinaus würden die Medikamente als Spende geliefert. „Es darf nicht sein, dass eine solche staatliche Aufgabe nicht wahrgenommen wird“, betonte er.
Kammerpräsident Günther Jonitz (Marburger Bund), der in den vergangenen Wochen regelmäßig auf dem LAGeSo-Gelände unterwegs war, ergänzte: „Das Engagement und die fachliche Qualifikation der ehrenamtlichen Helfer ist beispiellos. Ebenso wie die schlechten Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssen.“ Durch das Engagement der Kammer sei einiges in Bewegung geraten. Zur Rolle der Ärztekammer Berlin sagte Jonitz, sie sei „die einzige Einrichtung, die alle Ebenen gleichzeitig bespielen kann. Die Engpässe, die bei mir aufschlagen, werden möglichst vor Ort gelöst. Aber was nach wie vor nicht läuft, ist die professionelle Organisation der medizinischen Hilfe“. An die Delegierten gerichtet sagte er weiter, dass man sich über die Rolle der Kammer verständigen müsse. Wie wolle man aktiv werden? Dabei betonte er „Wir sind nicht die besseren Manager für Katastrophenhilfe. Wir sind auch nicht das bessere LAGeSo“.
Es folgte eine Reihe von Redebeiträgen der Delegierten, die sich zumeist um die mangelhafte medizinische Versorgung der Flüchtlinge drehten. Katharina Thiede (vormals Kulike) (Fraktion Gesundheit) erklärte, man habe den Eindruck, dass noch keine der Forderungen der Kammer umgesetzt sei: „Da muss man dran bleiben, denn die Begeisterung in der Bevölkerung wird auf Dauer nicht zu halten sein.“ Vorstandsmitglied Harald Mau (Allianz/NAV-Virchow-Bund) betonte, dass sich die Kammer vor allem für die Arbeitsbedingungen der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen verantwortlich fühlen müsse. Und Peter Bobbert fügte hinzu: „Die Ärztekammer Berlin kann nicht die medizinische Versorgung der Flüchtlinge organisieren. Aber wir können politischen Druck ausüben. Denn es wird zukünftig darum gehen müssen, darauf zu dringen, dass die Versorgung eine staatliche Aufgabe ist.“
Abschließend verständigte man sich darauf, eine Arbeitsgruppe aus Vorstandsmitgliedern, Delegierten und hauptamtlichen Kammermitarbeitern ins Leben zu rufen, um die konkreten Möglichkeiten der Ärztekammer Berlin bei der medizinischen Versorgung auszuloten.
WbA II bleibt unverändert
Neben der Diskussion der Flüchtlingsproblematik hatten die Delegierten auch noch über eine Reihe von Anträgen abzustimmen. Dazu gehörte zum einen der 14. Nachtrag zur Gebührenordnung. Dieser beinhaltet u.a. die Einführung von Gebühren für die Prüfung von „Nicht-ärztlichen Praxisassistenten/-innen“; die Ärztekammer Berlin bietet die Fortbildung für Medizinische Fachangestellte und nach dem Krankenpflegegesetz qualifizierte Personen seit April dieses Jahres an. Des Weiteren sieht der Nachtrag Gebührenanhebungen für die Umschulungsprüfungen im Ausbildungsberuf Medizinische Fachangestellte vor; die Anhebungen waren aus Gründen der Kostendeckung erforderlich geworden. Schließlich wurde mit dem einstimmig beschlossenen Nachtrag eine Gebührenergänzung für das Verfahren zur Anerkennung nach der Strahlenschutzverordnung verabschiedet. Daneben wählten die Delegierten einstimmig die Liste mit den Prüferinnen und Prüfern in der Weiterbildung.
Intensiver diskutierten die Delegierten über die Nachwahl von zwei Mitgliedern in den Weiterbildungsausschuss II (Allgemeinmedizin). Dies war von DV-Mitglied Hans-Peter Hoffert (Hausärzte) beantragt worden, der bei der Sitzung nicht anwesend war. Wolfgang Kreischer, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Berlin-Brandenburg, erklärte, dass vor der Neubesetzung des Ausschusses für die 14. Amtsperiode alle Mitglieder des Hausärzteverbandes angeschrieben worden seien. Daraufhin habe es keine Rückmeldung von den beiden Mitgliedern gegeben, die nun nachbenannt werden sollten. Somit wurden sie in der DV-Sitzung am 4. März 2015 nicht in den WbA II gewählt. Eine Begründung, weshalb nun eine Nachwahl erfolgen soll, habe Hans-Peter Hoffert nicht geliefert, erläuterte Kammerpräsident Jonitz. Wolfgang Kreischer stellte daher einen Antrag auf Nichtbefassung, der einstimmig bei einigen Enthaltungen angenommen wurde. Somit blieb der WbA II unverändert.
Daneben wählten die Delegierten einstimmig Vorstandsmitglied Thomas Werner (Marburger Bund) zum neuen Vorsitzenden des Krankenhausausschusses (zuvor stellvertretender Vorsitzender). Zu seinem Stellvertreter wurde Julian Veelken (Fraktion Gesundheit) gewählt. Die Neuwahlen waren notwendig geworden, weil der bisherige Vorsitzende Gebhard von Cossel als Kammermitglied ausgeschieden war. Aus demselben Grund wurde anschließend Julian Veelken einstimmig in die Haushaltskommission gewählt.
Drei Mal unentschuldigt gefehlt
Ein Novum war, dass ein Mitglied des Krankenhausausschusses sein Mandat verlor, weil es an drei aufeinander folgenden Sitzungen unentschuldigt gefehlt hatte. Dies ist gemäß der Geschäftsordnung der Ärztekammer Berlin der Fall. Die Delegierten diskutierten darüber, ob ein Automatismus bei diesem Verfahren sinnvoll sei oder nicht. Einigkeit herrschte darüber, dass die Ausschussvorsitzenden ein Auge darauf haben sollten, wem ein möglicher Ausschluss droht, um die betroffenen Ausschussmitglieder gezielt anzusprechen. Die Delegierten stimmten dem Ausschluss schließlich einstimmig bei zwei Enthaltungen zu.
Christiane Wessel ist für Heinrich-Daniel Rühmkorf als Delegierte
der Fraktion Gesundheit nachgerückt. Sie ist niedergelassene Gynäkologin.
Rühmkorf hat den Kammerberiech verlassen.
Die nächste Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin findet am 14. Oktober 2015 um 20 Uhr in der Ärztekammer Berlin statt.