Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gehört innerärztlich sicherlich zu einem der am meist diskutierten Themen – und das schon seit langer Zeit. Die GOÄ-Novellierung zieht sich seit vielen Jahren hin, wurde 2011 vom Präsidenten der Bundesärztekammer (BÄK), Professor Frank Ulrich Montgomery, in den Rang der Chefsache erhoben und hat im vergangenen Jahr einen krachenden Dämpfer erhalten. Für die meisten Ärzte ist die Notwendigkeit einer Neuordnung der gültigen, seit Jahrzehnten kaum veränderten GOÄ absolut unstrittig. Die Kritik, die die Delegierten der Ärztekammer Berlin an dem 2015 vorgelegten Entwurf vorbrachten, richtete sich daher auch nicht gegen eine neue GOÄ, sondern gegen geplante strukturelle Änderungen an der Bundesärzteordnung (BÄO) und im Paragrafenteil der GOÄ. Dies führte im Januar 2016 zu einem Außerordentlichen Deutschen Ärztetag, auf dem es zu teilweise sehr emotional geführten Diskussionen kam. Doch in der Folge flossen viele von der Ärztekammer Berlin geforderte Änderungen in die Novellierung ein. Um sich über den Sachstand zu informieren, hatte die Kammer im Januar einen Fragenkatalog an BÄK-Vorstandsmitglied Dr. Klaus Reinhardt, der 2016 die Verhandlungsführung mit dem PKV-Verband und den Beihilfeträgern übernommen hatte, geschickt. Nachdem Reinhardt die Fragen zunächst schriftlich beantwortet hatte, war er einer Einladung in die Delegiertenversammlung gefolgt. Am 1. März stand er den Delegierten schließlich Rede und Antwort.
Von Sascha Rudat
Außerplanmäßige Sitzungen der Delegiertenversammlungen kommen äußerst selten vor. Beim Thema GOÄ war es wieder einmal so weit. Der Besuch von Dr. Reinhardt, der zusammen mit BÄK-Hauptgeschäftsführer Tobias Nowoczyn und Dezernatsleiter Dr. Markus Stolaczyk in die Ärztekammer Berlin gekommen war, war mit Spannung erwartet worden. Selbstbewusst und kämpferisch präsentierte sich Reinhardt den Berliner Delegierten. Er erinnerte zunächst daran, dass eine neue GOÄ „nicht im luftleeren Raum“ entstehe, sondern die BÄK annehmbare Vorschläge erarbeiten müsse, die die Akzeptanz der Verhandlungspartner finde. „Das wird gelegentlich ausgeblendet“, sagte er einleitend mit Blick auf Maximalforderungen aus der Ärzteschaft. Reinhardt wurde zudem nicht müde zu betonen, dass der Bund als Verordnungsgeber in Sachen GOÄ einfach Entscheidungen treffen könne, ohne die Beteiligten zu fragen, da es sich um eine staatliche Gebührenordnung handele.
Zugleich räumte er ein, dass die BÄK – vor seiner Zeit als Verhandlungsführer – Fehler bei der Entwicklung der GOÄ- Novelle gemacht habe. Dies vor allem im Hinblick auf die Kommunikation und die mangelnde Einbeziehung der Landesärztekammern und Berufsverbände. Dadurch seien viele Bedenken bei den Betroffenen entstanden.
Die Entscheidung, im vergangenen Jahr die Reißleine zu ziehen und die Leistungslegenden unter Einbeziehung der Berufsverbände komplett zu überarbeiten, sei richtig gewesen: „Es hat der Sache sehr gut getan.“ Dazu hätten rund 5.000 Gebührenpositionen überarbeitet werden müssen. Rund ein Drittel der Positionen seien dabei erheblich verändert worden, die Hälfte davon sei inzwischen vom PKV-Verband akzeptiert worden – das bedeutet also, dass rund 15 Prozent der Positionen noch strittig sind. Dazu werde die PKV mit den betroffenen Berufsverbänden direkt verhandeln müssen. Reinhardt zeigte sich überzeugt, dass bis zum Sommer dieses Jahres – aber nach dem Deutschen Ärztetag im Mai – eine konsentierte Fassung der Leistungslegenden vorliegen werde.
„Die Leistungslegenden sind für mich der Kern und das wichtigste Element überhaupt“, erklärte er. Sie beschreiben als „Ur-Grundlage“ die einzelne, auf das ärztliche Handeln bezogene Leistung. Die Bewertung dieser Leistungen komme erst im Nachgang.
Woher kommt die GEKO?
Nach diesem Einstieg befasste sich Reinhardt in seinem Vortrag mit den Fragen, die er vorab schriftlich von der Ärztekammer Berlin erhalten und auch schon schriftlich beantwortet hatte. Sie finden den vollständigen Fragen-Antworten-Katalog mit Kommentierungen der Ärztekammer Berlin hier. Im Mittelpunkt stand bei Reinhardts weiteren Ausführungen die Änderung der Bundesärzteordnung, genauer gesagt die Einführung einer Gemeinsamen Kommission (GEKO) anstelle des aktuell existierenden Konsultationsausschusses. Dieses geplante Gremium mit seinen völlig neuen und weitreichenden Befugnissen bildet einen zentralen Kritikpunkt von Seiten der Ärztekammer Berlin (s. Kasten 1).Die von Vizepräsident Dr. Elmar Wille (Allianz Berliner Ärzte) im vergangenen Jahr vorgebrachte Kritik, die GEKO sei mit den Beschlüssen des Deutschen Ärztetages nicht vereinbar, konterte Reinhardt mit dem Verweis auf den Beschluss zur Rahmenvereinbarung I – 08 des 117. DÄT 2014, in dem eine „stetige Weiterentwicklung und Pflege der neuen GOÄ in einer den Verordnungsgeber unterstützenden gemeinsamen Arbeitsstruktur mit der hierfür notwendigen gemeinsamen Datenhaltung und -analyse unter gleichberechtigter Einbeziehung der Beihilfe auf Kostenträgerseite“ beschlossen wurde. Aus Sicht Reinhardts ist diese unterstützende gemeinsame Arbeitsstruktur die GEKO.
Kasten 1: Zu den Empfehlungen der Gemeinsamen Kommission (GEKO) |
---|
Der 119. DÄT hat beschlossen, dass die GEKO ausschließlich Empfehlungen aussprechen und keine Entscheidungen treffen darf (Beschluss I-05). Nun heißt es in §§ 1 Absatz 2 und 6 Absatz 2 GOÄneu jedoch weiterhin: „Empfehlungen der Gemeinsamen Kommission nach § 11a BÄO sind zu beachten.“ Dies betrifft u. a. den Ansatz einer Analogziffer. Nach § 5 Absatz 2 GOÄneu ist zudem die Steigerung des Gebührensatzes entgegen den Empfehlungen der GEKO ausgeschlossen. Frage Ärztekammer Berlin: Kann man angesichts solcher Regelungen noch von Empfehlungen sprechen? Antwort Dr. Reinhardt: Die Adressaten für die Aufgaben der GEKO sind einerseits das BMG und andererseits die abrechnenden Ärztinnen und Ärzte. Für Ärztinnen und Ärzte bedeutet dies, dass sie von den Empfehlungen der GEKO abweichen können und im Streitfalle selbstverständlich den Rechtsweg beschreiten können. Dies gilt vice versa auch für den Patienten bzw. die Versicherer. Durch die Konstruktion der GEKO hat sich der Verordnungsgeber dazu bekannt, sich mit zwischen der Bundesärztekammer, dem PKV-Verband und der Beihilfe konsentierten Empfehlungen auseinanderzusetzen. Darüber hinaus sind die Empfehlungen der GEKO rechtsprägend, nicht rechtsverbindlich. § 5 Abs. 2 GOÄneu-E wurde gestrichen. Kommentar Ärztekammer Berlin: Die Verordnung (GOÄneu) schreibt die Beachtung der Entscheidungen einer Kommission (GEKO) für den abrechnenden Arzt zwingend vor (§§ 1 Abs. 2, 6 Abs. 2 GOÄneu). Der Arzt hat gegen die Entscheidungen der GEKO keine Rechtsmittel. Hält er sich bei seiner Abrechnung nicht an die Vorgaben der GEKO, handelt er rechtswidrig und macht sich ggf. sogar strafbar (Abrechnungsbetrug). Dass einem Arzt im Falle einer strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Verurteilung der Rechtsweg offen steht, ändert nichts an der Rechtsverbindlichkeit der Vorgabe der GEKO. Der Begriff „rechtsprägend“ ist an dieser Stelle irreführend und fehl am Platz. |
„Die vorliegenden Fassungen sind keine Fassungen, die die Bundesärztekammer von sich aus selbstständig in die Welt gesetzt hat“, erklärte Reinhardt weiter, es seien vielmehr Formulierungen und Fassungen, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG), der PKV-Verband und die früheren Verhandler der BÄK „gemeinsam ermittelt“ hätten. Diese hätten das Plazet des BMG erhalten. Darunter befänden sich einzelne Punkte, die der Staat als Verordnungsgeber für unverzichtbar und nicht verhandelbar erachte. Auch auf Nachfrage von Kammerpräsident Dr. Günther Jonitz (Marburger Bund), ob es Belege dafür gebe, dass der Gesetzgeber die Einführung einer GEKO verlangt habe, musste Reinhardt passen. Er könne nur sagen, dass die Änderungen der Bundesärzteordnung und des Paragrafenteils „vom BMG gelesen, geprüft und für richtig und erforderlich erachtet“ worden seien. Dies sei ihm im persönlichen Gespräch mitgeteilt worden. Damit blieb die Frage, woher die Idee für die Einführung einer GEKO eigentlich stammt, weiter offen. Ist sie eine Forderung des BMG oder ist sie aus der Bundesärztekammer heraus geboren, um die Zustimmung des Verordnungsgebers zu erhalten?
„Rechtsprägend“, nicht rechtsverbindlich?
Wie sind die Aufgaben der GEKO nun zu bewerten? Reinhardt betonte, dass die Empfehlungen der GEKO „rechtsprägend“ und nicht rechtsverbindlich sein werden. Wenn die GEKO eine Analogbewertung vornimmt, die ein einzelner Arzt für nicht angemessen hält, werde er den Beitrag ansetzen können, den er für richtig hält. „Er ist nicht im Sinne einer Rechtsverbindlichkeit an das gebunden, was die GEKO dazu entscheidet.“ In der Folge könne es aber passieren, dass die Analogbewertung zu einer Leistungsposition werde, die dann verbindlich sei. „Auch in Zukunft werden wir Analogziffern bilden können, aber nur für Leistungen, die nicht im Leistungskatalog vorhanden sind“, erklärte Reinhardt und ergänzte: „Da kann ich kein riesiges Gefahrenpotenzial erkennen.“
Steigerung des Gebührensatzes
Ein weiterer Knackpunkt, der immer wieder in der Kritik steht, ist die Steigerung des Gebührensatzes. Reinhardt stieg zunächst in die Historie des Steigerungssatzes ein, der einst als 1-fach-Satz gestartet und alsbald vom 2,3-fachen Satz als quasi Standard abgelöst worden sei. Dieses Ermessen, das bis dato nicht begründet werden muss, sei in der Vergangenheit von den Ärzten „weidlich ausgenutzt“ worden. Diese gängige Praxis enge den Verhandlungsspielraum allerdings jetzt stark ein. Daher führt laut Reinhardt für die Politik kein Weg an einem neuen 1-fach-Satz vorbei, der aber nichts mehr mit dem bisherigen 1-fach-Satz zu tun habe. Er unterstrich, dass ein individuell erstellter Gebührenrahmen wie bisher nicht mit dem Wunsch der Fachverbände zu verbinden sei, das Leistungsgeschehen betriebswirtschaftlich kalkulieren zu lassen. Beides passe logisch nicht zusammen (s. Kasten 2).
Kasten 2: Zur Steigerung des Gebührensatzes |
---|
Der 119. DÄT hat zur Systematik der Steigerung der Gebührenpositionen beschlossen, dass eine ärztliche Honorarrechnung individuell entsprechend dem Aufwand gestaltet werden und hierfür ein Spielraum mit einer freien Wahlmöglichkeit des Faktors in einem gewissen Bereich vorhanden sein muss (Beschluss I-21). Nach § 5 Absatz 1 GOÄneu sollen Ärztinnen und Ärzte jedoch weiterhin nur nach dem einfachen oder im Ausnahmefall bei besonderer, objektiver Schwere des Einzelfalls mit dem doppelten Steigerungsfaktor abrechnen können. Der doppelte Steigerungsfaktor darf zudem nur in Ansatz gebracht werden, wenn Behandlungsumstände vorliegen, die die GEKO bestimmt hat. Von einer individuell entsprechend dem Aufwand gestalteten Honorarrechnung und einer freien Wahlmöglichkeit des Steigerungsfaktors innerhalb eines bestimmten Bereichs ist dieser Entwurf weit entfernt. Frage Ärztekammer Berlin: Wie soll nach der Lesart der BÄK diese Regelung mit dem Beschluss I-21 des 119. DÄT vereinbar sein? Antwort Dr. Reinhardt: Die Verhandlungsführer der Bundesärztekammer haben in den Abstimmungsrunden mit PKV und Beihilfe die Möglichkeiten erörtert, die Steigerungsfaktoren weiterhin zu erhalten. Sowohl Beihilfe als auch PKV-Verband haben einen Einfachsatz zur conditio sine qua non für die Fortführung der Verhandlungen erklärt. Ein Beharren auf einem individuell einstellbaren Gebührenrahmen ist gleichbedeutend mit dem Ende des Novellierungsprozesses. Allerdings muss hier auch angemerkt werden, dass in den Verbändeanhörungen zu den Leistungsinhalten von einer breiten Mehrheit eine betriebswirtschaftliche Grundkalkulation eingefordert wurde. Eine betriebswirtschaftliche Kalkulation bei der Mehr- und Minderaufwand statistisch erfasst werden, ist nicht mit einem subjektiv einstellbaren Gebührenrahmen vereinbar. Zu den bereits vorhandenen ca. 900 Erschwerniszuschlägen sind in den Verbändegesprächen zum Leistungsverzeichnis darüber hinaus ca. 350 weitere leistungsbezogene Zuschläge vorgeschlagen worden. Diese werden derzeit mit dem PKV-Verband verhandelt. Kommentar Ärztekammer Berlin: Die fehlenden Steigerungsmöglichkeiten sollen also mit festgelegten Erschwerniszuschlägen kompensiert werden. Ein Ermessen des abrechnenden Arztes bei der Höhe des Steigerungsfaktors soll es demnach definitiv nicht mehr geben. |
Ein weiterer von der Ärztekammer Berlin identifizierter Knackpunkt: Nach GOÄneu soll ein Arzt bei besonderer Schwere in einem Einzelfall die Steigerung des Gebührensatzes auf das Zweifache quasi beantragen und insofern ein „Ersuchen“ an die GEKO richten können. Das Ersuchen soll zeitnah im Anschluss an die Erbringung der Leistung über die Bundesärztekammer an die GEKO zu stellen sein. Nun ergibt sich aus dem aktuellen Entwurf zur BÄO, dass der Arzt sich mit einem solchen Anliegen an die Landesärztekammern wenden soll, die sich vermutlich dann für den Arzt an die GEKO zu wenden hat. Reinhardt erwiderte, dass dieser Paragraf in der GOÄneu ersatzlos gestrichen werde. Hinsichtlich abweichender Vereinbarungen, die zwischen Arzt und Patienten getroffen werden, sieht die Ärztekammer Berlin künftig eine Verschärfung in der GOÄ. Aktuell darf in der schriftlichen Vereinbarung kein Grund für die Abweichung genannt werden, künftig wird dies sogar erforderlich sein. Außerdem soll eine abweichende Vereinbarung unzulässig sein, wenn sie anlässlich von Behandlungsumständen geschlossen wird, für die die GEKO eine Steigerung des Gebührensatzes ausgeschlossen hat. Sei es nun durch eine Negativliste oder im Umkehrschlussdurch eine sog. Positivliste. Aus Sicht der Ärztekammer Berlin werden damit abweichende Vereinbarungen extrem erschwert. Diese Ansicht teilte Reinhardt nicht. Auch heute schon werde verständlicherweise von Seiten der Patienten nach den Gründen für die Vereinbarung gefragt, betonte er.
Weniger Kompetenzen bei den Landesärztekammern?
Für die Landesärztekammern von besonderer Bedeutung sind natürlich mögliche Eingriffe in die Kompetenzen der ärztlichen Selbstverwaltung. So gehört die berufsrechtliche Beratung der Kammermitglieder zur Anwendung der GOÄ jetzt zu den Aufgaben der Landesärztekammern. Nach dem Berliner Kammergesetz gehört es zudem zu den Kammeraufgaben, gutachtliche Stellungnahmen gegenüber Gerichten zur Angemessenheit einer ärztlichen Honorarrechnung abzugeben. Die Angemessenheit bezieht sich dabei auf den Steigerungsfaktor. Daher stand die Frage im Raum, weshalb diese Kompetenzen der ärztlichen Selbstverwaltung von den Landesärztekammern weg auf die GEKO und am Ende, d. h. bei fehlender Einigung innerhalb der GEKO, auf das Bundesgesundheitsministerium und damit auf den Bund übertragen werden sollten? Nach Ansicht von BÄK-Verhandlungsführer Klaus Reinhardt sind die Gestaltungsspielräume der Landesärztekammern ohnehin stark eingeschränkt. Die Bewertungen der Kammern seien bisher weder für die Bundesregierung, noch für die Versicherer und die Patienten bindend. „Die GEKO eröffnet den Landesärztekammern hingegen deutlich größere Gestaltungsspielräume“, zeigte sich Reinhardt überzeugt. Hierbei übersieht die BÄK allerdings, dass die Auslegung von Gesetzen und Rechtsverordnungen den Rechtsanwendern, der Exekutive und am Ende den Gerichten vorbehalten ist. Die Legislative kann hierauf mit Gesetzes- und Verordnungsänderungen reagieren. Beim BMG jedenfalls hat diese Aufgabe nichts zu suchen. Die Übertragung dieser Kompetenzen wird sich nach der Auffassung von Svea Keller innovationshemmend auswirken, denn die Analogbewertungen sind traditionell die Eingangspforte für neue medizinische Verfahren. Über deren Einführung soll nun, bei fehlender Einigung innerhalb der GEKO, das BMG entscheiden.
Elemente der GKV in der GOÄ?
Im Anschluss ging Reinhardt auf das Thema Honorarsteuerungsfunktion ein. Wie die Ärztekammer Berlin angemerkt hatte, dürften nach dem Willen des 119. Deutschen Ärztetages die Rahmenbedingungen der GOÄneu nicht dazu führen, dass die Gebührenordnung zu einem Honorar steuerungssystem umgeformt wird. Eine Systematik zur Steuerung und Begrenzung der Gesamtausgaben der PKV über die GOÄ sei nicht akzeptabel und entspreche nicht dem Willen des 119. DÄT. Nach dem aktuellen Entwurf der BÄO soll aber auf Dauer eine Datenstelle eingerichtet werden, die mindestens halbjährlich Analysen durchführt und dazu die erforderlichen Daten erhebt. Anhand dieser Daten soll überprüft werden, ob die Ausgaben der PKV innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten der neuen GOÄ um mehr als 0,6 Prozent von einem Vergleichswert abweichen. Tritt dieser Fall ein, soll die Bundesregierung die Neustrukturierung und Neubewertung der Leistungen der GOÄ überprüfen. Das hört sich so an, als ob hier die Gesamtausgaben der PKV gesteuert und gedämpft werden sollen, erklärte die Ärztekammer Berlin weiter.
Laut Klaus Reinhardt sind aber keine Honorarsteuerungsmaßnahmen vereinbart oder geplant. In der dreijährigen Einführungsphase werde lediglich kontrolliert, ob der vereinbarte Preiseffekt eintritt. Erst wenn nachvollziehbar nur der Preiseffekt identifiziert werden könne, werde sich die GEKO gegebenenfalls mit Maßnahmen beschäftigen. Die Anpassungen könnten dann auch zugunsten der Ärzte ausfallen. „An dieser Stelle haben wir Chancen“, betonte er.
Wie teuer wird’s?
Kritisch hinterfragt hat die Ärztekammer Berlin auch die Kosten, die mit der Einrichtung der GEKO verbunden sein werden. Bei insgesamt geplanten 8 Mitgliedern, davon 4 ärztliche Vertreter, werden die Kosten bei der BÄK mit 870.000 Euro jährlich veranschlagt. Wie die Kammer vorrechnete, hat die Private Verrechnungsstelle im Jahr 2014 alleine für 7.658 Kunden, das entspricht ungefähr der Anzahl der in Berlin niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, 5,75 Millionen Rechnungen erstellt. Damit waren dort 585 Mitarbeiter beschäftigt. Wenn nur ein Bruchteil der bundesweit privatärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzte bei der GEKO ein Ersuchen auf Anerkennung des doppelten Steigerungsfaktors stellt, wer soll den damit verbundenen administrativen Aufwand leisten und wie soll die derzeit mit insgesamt 8 Mitgliedern geplante GEKO dies bewerkstelligen? Nach Ansicht von Klaus Reinhardt wird dieser Aufwand nicht eintreten, da die Möglichkeit des Ersuchens eines einzelnen Arztes gestrichen wurde. Dadurch scheint aus Sicht der Bundesärztekammer der Aufwand korrekt kalkuliert worden zu sein. Nach Abschluss der Verhandlungen müsse jedoch eine weitere Überprüfung vorgenommen werden.
Kritische Diskussionen
Dass Klaus Reinhardt in der sich dem Vortrag anschließenden Diskussion auf kritische Stimmen stoßen würde, war zu erwarten. ÄKB-Vorstandsmitglied Dr. Bernd Müller (Allianz Berliner Ärzte) warf Reinhardt „Milchmädchenrechnungen“ vor. „Für mich wird es keine Diskussion auf einer gleichwertigen Ebene zwischen der Ärzteschaft und der Versicherungswirtschaft geben. Die Ärzte stehen schon jetzt auf der Verliererseite“, unterstrich er. Helmut Mälzer (Allianz Berliner Ärzte) erklärte Klaus Reinhardt, er freue sich über dessen Optimismus, dass die GEKO nur zweimal im Jahr tagen werde. „Ich frage mich, wie das funktionieren soll, wenn Einstimmigkeit vorliegen muss.“ Es fehle ein neutraler Dritter. „Diese Institution ist eigentlich hinfällig, wenn Einstimmigkeit hergestellt werden muss“, sagte Mälzer. Reinhardt entgegnete, dass er die GEKO „nicht als eine Behörde größeren Ausmaßes“ sehe. Die PKV teile diese Ansicht ebenfalls. Dafür habe sie auch gar nicht den Rechtsstatus.
Für Vorstandsmitglied Dr. Regine Held ist die GEKO in der geplanten Form ebenfalls überflüssig. „Ich verstehe nicht, warum es die GEKO als Behörde geben soll.“ Gleiches gelte für die Datensammelstelle, die sich selbst Aufgaben schaffen werde und zu einer Behörde und Institution anwachsen könnte.
Auch Vizepräsident Dr. Elmar Wille knüpfte nochmal an die GEKO an: „Die GEKO ist eine neue Institution, die überhaupt nicht mit der alten zu vergleichen ist.“ Es gebe dann eine paritätische Verteilung, im bisherigen Konsultationsausschuss habe die Ärzteschaft immer die Mehrheit. Wenn der Konsultationsausschuss keine Entscheidung getroffen oder gar nicht erst getagt habe, dann hat die BÄK alleine Empfehlungen zu Analogbewertungen abgegeben. Damit gab es keine Schwierigkeiten. Das bisherige Instrument habe die vergangenen 30 bis 35 Jahren funktioniert. Richtung Klaus Reinhardt gewandt sagte er: „Sie tun gerade so, als wäre es etwas Gutes, wenn die anderen Parteien dabei wären. Da vermisse ich eine kritische Auseinandersetzung.“ In Zukunft könnten die Ärzte jederzeit von der Gegenseite ausgebremst werden. „Dem kann ich überhaupt nicht folgen“, ergänzte Wille unter Beifall der Delegierten.
Reinhardt erwiderte: „In der Bewertung kann ich Ihnen nicht folgen, Herr Dr. Wille. Mir ist völlig schleierhaft, wie Sie sagen können, dass die aktuelle GOÄ läuft.“ Für viele Fächer sei sie vielmehr eine große Katastrophe.
Dr. Matthias Lohaus (Allianz Berliner Ärzte) beklagte, dass in der GEKO vier Vertreter sitzen werden, die vor allem Kosten minimieren wollten. Er vermisse einen unparteiischen Schlichter im künftigen Verfahren. „Wir haben keinen unabhängigen Schlichter hinten dran, sondern das BMG, das parteiisch ist. Ihren Optimismus kann ich nicht nachvollziehen“, sagte er in Richtung Klaus Reinhardt.
Einen anderen Blickwinkel nahm Julian Veelken (Fraktion Gesundheit) ein. Er halte das Interesse der Versicherungswirtschaft mitzureden für legitim. In seinen Augen geht es bei der GOÄ-Novelle um die Rettung eines Projekts, das termingebunden war. „Wir als Ärzte wollen uns noch beweisen.“ Das ist aus seiner Sicht die Motivation für das Festhalten an der GOÄ-Reform. „Ich kann mir keine Regierung vorstellen, die ein Interesse hat, eine GOÄ zu verabschieden.“ Stattdessen laufe alles auf eine Bürgerversicherung hinaus. „Ich würde mir wünschen, dass nur 25 Prozent der Energie, die für die GOÄ aufgebracht wird, in die Begleitung einer Bürgerversicherung gesteckt würden“, erklärte er.
Kammerpräsident Günther Jonitz brachte abschließend noch eine weitere Dimension in die Bewertung der GOÄ-Diskussion ein. „Wenn die GEKO wirklich nur auf Kosten und Mengen schauen wird, verfehlt sie ihr Ziel. Sie muss auch auf Qualität achten“, betonte er und warnte zugleich vor einer demütigen Haltung gegenüber dem Gesetzgeber. Es gelte, auf dem nächsten Deutschen Ärztetag eindeutig Position zu beziehen.
Fazit
Dass die Auseinandersetzung um die GOÄ-Novelle zu einem harten direkten Schlagabtausch zwischen der Bundesärztekammer auf der einen und den Delegierten der Ärztekammer Berlin auf der anderen Seite werden würde, war zu erwarten. Aber anders als teilweise in der Vergangenheit blieb die Diskussion sachlich und argumentativ. Es zeigten sich aber gänzlich konträre Sichtweisen auf viele Punkte. Insbesondere die geplante Gemeinsame Kommission ist für viele Ärztinnen und Ärzte der zentrale Knackpunkt. Während sie von Klaus Reinhardt als BÄK-Vertreter als große Chance gesehen wird, befürchtet die Mehrheit der Berliner Delegierten deutliche Nachteile für die Ärzteschaft durch dieses Gremium. Sollte die GEKO wirklich kommen, wird es spannend zu beobachten sein, wie sie sich entwickelt. Gänzlich neu gemischt werden könnten die Karten in Sachen GOÄ zudem nach der Bundestagswahl. Dass die Zeichen in vielen Parteien auf