Das Thema elektronischer Heilberufsausweis (eHBA) ist ebenso wie die so genannte Elektronische Gesundheitskarte (eGK) stark emotionsbehaftet. Wie zu erwarten wurde der kontrollierte Einstieg in die Ausgabe des eHBA durch die Kammer von den Delegierten ausführlich diskutiert. Der Kammervorstand bemühte sich um eine Versachlichung der Debatte. Mehrheitlich stimmten die Delegierten dem Einstieg schließlich zu. Daneben wählten sie mit Stephan Bernhardt einen hausärztlichen Vertreter in den Vorstand. Der Orthopäde Klaus Thierse wurde neuer Ombudsmann für Fragen der Weiterbildung. Darüber hinaus beschäftigte sich die DV mit einer Erklärung zum Atomausstieg.
Von Sascha Rudat
Ähnlich wie auf den vergangenen Deutschen Ärztetagen sorgte der eHBA auch in der Delegiertenversammlung für eine lebhafte Diskussion. Die Drucksache, die vom Vorstand eingebracht worden war, sieht vor, dass am 1. Juni mit der kontrollierten Ausgabe von monatlich bis zu 72 Ausweisen begonnen werden soll. Bis Jahresende sollen maximal 500 eHBA an interessierte Kammermitglieder ausgegeben werden. Gleichzeitig wird der Vorstand beauftragt, die notwendigen Voraussetzungen für die Ausgabe zu schaffen.
Der Hintergrund ist, dass die Kammer nach dem Berliner Kammergesetz und dem Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) verpflichtet ist, eHBA an ihre Mitglieder herauszugeben. Die Kammern wurden durch die vergangenen beiden Ärztetage bestärkt, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen. Am 24. Februar 2010 hatte die Delegiertenversammlung bereits beschlossen, die erforderlichen infrastrukturellen und technischen Voraussetzungen für die Ausgabe zu schaffen. Ziel der kontrollierten Herausgabe soll einerseits sein, den gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, andererseits möchte die Kammer Erfahrungen mit dem Ausgabeprozess sammeln, um diesen dann weiter zu optimieren.
Kammer will Heft in der Hand halten
Die Beschlussvorlage stieß auf strikte Ablehnung der Fraktion Gesundheit. "Es findet eine Kollektivierung des Arzt-Patienten-Verhältnisses statt", warnte Julian Veelken und ergänzte: "In dem Moment, in dem man den eHBA einführt, schafft man Strukturen, die für die eGK genutzt werden." Veelken plädierte ebenso wie sein Fraktionskollege Volker Pickerodt für einen Verzicht auf die Ausgabe. Er warf die Frage auf, weshalb denn die DV mit dem Beschluss befasst werde, wenn die Ärztekammern ohnehin gesetzlich verpflichtet seien, die Karten auszugeben.
Vorstandsmitglied Harald Mau (Liste Allianz), sprach sich hingegen aus "rein pragmatischen Gründen" für die Ausgabe aus. Mit dem kontrollierten Einstieg käme man dem gesetzlichen Auftrag nach, so dass die Aufgabe nicht an andere, arztferne Institutionen vergeben werden könne. Kammergeschäftsführer Michael Hahn ergänzte, dass er es für "gut und wichtig", halte, dass sich die Delegiertenversammlung als politisches Organ eine Meinung zu dem Thema bilde. Er führte aus, dass die Berliner Kammer bei der Planung auf Bundesebene in Form von umfangreichen Ausarbeitungen auf zahlreiche rechtliche, organisatorische und finanzielle Fallstricke aufmerksam gemacht habe. Ziel war es dabei immer, länderübergreifende Verfahrungswege zu finden, die einen tragbaren Ausgabeprozess gewährleisten. "Wir haben als Ärztekammer Berlin einen extrem guten Job gemacht - für alle Ärztinnen und Ärzte in Berlin", betonte Hahn.
Kammerpräsident Günther Jonitz (Marburger Bund) warnte im Falle einer Ablehnung vor einer Fremdbestimmung des Ausgabeprozesses. "Es ist wichtig, dass wir das weiter in der Hand behalten. Man muss sich fragen, was passiert, wenn wir das nicht machen. Dann holt der Arzt seinen Ausweis nicht mehr in der Kammer ab. Das würde denen in die Hände spielen, die die Kammern klein halten wollen."
Nachdem die Positionen ausgetauscht waren, stellte Hans-Peter Hoffert (BDA) den Antrag auf Nichtbefassung. Dieser wurde mehrheitlich abgelehnt. Die Beschussvorlage wurde schließlich mehrheitlich angenommen - bei Gegenstimmen der Fraktion Gesundheit und Enthaltungen der Hausärzte. Kammerpräsident Jonitz kündigte an, die Delegierten weiterhin engmaschig über das Thema zu informieren.
Kammervorstand ergänzt
Nachdem sich die Hausärzte zu Beginn der Legislaturperiode nicht auf einen Kandidaten für den Kammervorstand verständigen konnten, stellten sie nun den Allgemeinmediziner Stephan Bernhardt zur Wahl auf. Der 47-Jährige betonte in einer kurzen Vorstellung, dass er sich für eine enge Zusammenarbeit von Haus-, Fach- und Klinikärzten einsetzen werde. Er erhielt 35 von 39 Stimmen der Delegierten und ist damit 9. Beisitzer des Vorstandes. Bernhardt war bereits in verschiedenen Gremien der KV Berlin und der Kammer tätig (s. auch 'Die Vorstandsmitglieder stellen sich Ihnen vor').
Der Allgemeinmediziner vertritt jetzt die Hausärzte im Kammervorstand.
Zum Ombudsmann für Fragen der Weiterbildung wurde der Delegierte Klaus Thierse (Marburger Bund) gewählt. Der niedergelassene Orthopäde erhielt 35 von 39 Stimmen. Die Position war seit 2008 vakant, als Udo Schagen sein Amt niedergelegt hatte. Thierse bringt als ehemaliger Vorsitzender des Gemeinsamen Weiterbildungsausschusses der Ärztekammer umfangreiche Erfahrungen im Bereich Weiterbildung mit. Er appellierte an die Delegierten und die Kammermitglieder, ihn zu informieren, wenn es Probleme gebe. BERLINER ÄRZTE wird Klaus Thierse und seine Arbeit in einer der nächsten Ausgaben näher vorstellen.
Klaus Thierse (Marburger Bund) kümmert sich
künftig als Ombudsmann um Weiterbildungsfragen.
Kernkraft: Resolution an Vorstand überwiesen
Für Diskussionen sorgte ein Antrag der Fraktion Gesundheit zur Verabschiedung einer Resolution, in der angesichts der Atomkatastrophe in Japan die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, "die Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke rückgängig zu machen und den Ausstieg aus der Atomenergie zum kürzest möglichen Zeitpunkt umzusetzen". Verschiedenen Delegierten war der Entwurf allerdings zu allgemein gehalten. "Man muss sich differenzierter damit befassen als in der Vorlage", sagte Kammerpräsident Jonitz. Klaus Thierse ergänzte: "Wenn wir als Kammer etwas zu dem Thema sagen, müsste es etwas ausgewogener sein." Der Antrag wurde schließlich mehrheitlich an den Vorstand überwiesen, der eine geänderte Textfassung erarbeiten soll.