Kammervorstand weist Kritik an Weiterbildung zurück

DV-Bericht

Bericht von der Delegiertenversammlung am 4. Juli 2007

Mit nicht weniger als der Zukunft der ärztlichen Profession hat sich ein Referat der stellvertretenden Hauptgeschäftsführerin der Bundesärztekammer, Regina Klakow-Franck, auf der Delegiertenversammlung am 4. Juli beschäftigt. In einer eindrucksvollen Präsentation stellte sie die Herausforderungen an den Arztberuf und die Möglichkeiten zur Delegation ärztlicher Leistungen dar. Die Ärztekammer Berlin befasste sich damit bereits ein knappes Jahr vor dem Ärztetag 2008 in Ulm mit dieser folgenreichen Problematik, die dort einer der Haupttagesordnungspunkte sein wird. Daneben beschäftigten sich die Delegierten erneut mit dem Thema Weiterbildung, nachdem die von der Fraktion Gesundheit beantragte Sonderdelegiertenversammlung mangels Delegierter am 20. Juni nur zu einer ersten Aussprache genutzt worden war.

von Sascha Rudat

Auf großes Interesse der Delegierten stieß der Vortrag der stellvertretenden Hauptgeschäftsführerin der Bundesärztekammer, Regina Klakow-Franck, zum Thema "Delegation ärztlicher Leistungen" an nichtärztliche Heilberufe. Klakow-Franck erläuterte zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen und Grenzen für die Delegierbarkeit ärztlicher Leistungen. Kernpunkt war, dass bei der Delegation die Letztverantwortung immer beim Arzt bleibe. Die Rechtslage zur Erweiterung von Delegation an nichtärztliches Personal sieht folgendes vor:

  • Ärztliche Gesamtverantwortung für die Patientenbehandlung
  • Nachvollziehbarkeit der persönlichen Verantwortlichkeit des Arztes
  • Gewährleistung des Facharztstandards
  • Ausführliche Patientenaufklärung über die Art der Aufgabenteilung
  • Ausschluss von Organisations- und Übernahmeverschulden
  • Gewährleistung von Versicherungsschutz

Die politisch gewollte Stärkung nichtärztlicher Heilberufe (beispielsweise in der Koalitionsvereinbarung) stelle die ärztliche Profession vor neue Herausforderungen. Schlüsselfragen seien dabei:

  • Ist die therapeutische Gesamtverantwortung teilbar (Prozess- und Ergebnisverantwortung)?
  • Geht es um die Delegation oder Substitution ärztlicher Leistungen? (Laut Klakow-Frank wird zunehmend Letzteres propagiert.)
  • Wer steuert die Behandlung/Versorgung?
  • Soll eine neue nichtärztliche Versorgungsebene eingezogen werden?

An dieser Stelle müsse sich die Ärzteschaft die Frage stellen, wohin sie wolle. "Die Klärung der eigenen Rolle ist die Voraussetzung einer Standortbestimmung gegenüber nichtärztlichen Gesundheitsberufen", erläuterte Klakow-Franck. Der Arztberuf spiele sich im Augenblick in einem Spannungsfeld ab, das sich unter anderem aus politisch vorangetriebener Deregulierung, Wirtschaftlichkeitsdruck im Gesundheitswesen, gewandeltem Versorgungsbedarf (Stichwort: Immer mehr ältere, multimorbide Patienten) sowie einer komplexen modernen Medizin zusammensetze. Ärzte fühlen sich nach Aussage von Klakow-Franck dadurch zunehmend unter Druck gesetzt. Sie hätten den Eindruck, dass der Einfluss auf die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit sinke.

Die Bundesärztekammer will deshalb die Professionsentwicklung systematisch und selbstbestimmt betreiben, unter anderem durch das Curriculum "Ärztliche Führung". Zu einer kontinuierlichen professionellen Weiterentwicklung gehören demnach neben Sach- und Methodenkompetenz immer stärker auch Sozial- und Selbstkompetenz. Ärzte müssten wieder "vom Getriebenen zum Gestalter" werden, betonte Klakow-Franck. Bei der Aufrechterhaltung ärztlicher Identität gehe es nicht um Besitzstandswahrung, sondern um einen Kollektivnutzen für die Gesellschaft.

In der anschließenden Diskussion stellte Harald Mau (Allianz) die Frage, wer Vorteile davon hätte, wenn bestimmte ärztliche Tätigkeiten zunehmend von nichtärztlichem Personal übernommen würden. Er glaube, dass die Vorstellung dahinter stände, dass die medizinische Vorsorgung dadurch billiger würde. Dieses Problem sei aus der zunehmenden Kommerzialisierung erwachsen. Klakow-Franck erläuterte den Spagat zwischen Medizin und Management, der aus ihrer Sicht überwindbar sei. Kluge Unternehmen hätten erkannt, dass gerade die Patientenorientierung wichtig sei, um die "Kundenwerbung" zu erhöhen. Volker Pickerodt (Fraktion Gesundheit) teilte diese optimistische Darstellung nicht. Er empfinde den wirtschaftlichen Wettbewerb im Gesundheitswesen wesentlich stärker, der sich zunehmend negativ auf die ärztliche Tätigkeit auswirke.

Von Insellösungen zum zentralen System

Zur Information der Delegierten über die Umsetzung neuer Serviceleistungen der Kammer hatten der Kaufmännische Leiter Frank Rosenkranz und der Leiter Weiterbildung/Ärztliche Stelle, Michael Peglau, zwei Präsentationen vorbereitet. Wie Rosenkranz detailliert erläuterte, gab es Ende 2005 wegen Änderungen an der Weiterbildungsordnung (WbO) dringenden Handlungsbedarf für ein neues elektronisches Bearbeitungssystem. Anstatt eine weitere neue Einzellösung zu implantieren, entschloss man sich, die sehr verschachtelte, historisch gewachsene IT-Systemlandschaft der Kammer schrittweise zu einem zentralen System zusammenzuführen. Die Entscheidung für das so genannte ERP-System (Enterprise Ressource Planning) namens Navision fiel Anfang 2006. Ziel ist es, bis Ende 2009 alle IT-Prozesse der Kammer in einem zentralen System zu vereinen, um eine solide Basis für kommende Anforderungen zu haben und hinsichtlich der Systempflege unabhängig von externen Einzelpersonen durch eine Standardsoftware zu sein. Rosenkranz stellte die einzelnen Schritte der Implentierung des neuen Systems von April 2006 bis heute im Detail dar. Dazu gehörten unter anderem die Einführung der Online-Antragsstellung von WB-Anerkennungen und -Befugnissen, die elektronische Seminar-Raum-Verwaltung, die Einführung von Telearbeitsplätzen sowie die Schaffung eines so genannten Service-Ticket-Systems für externe Anfragen.

Neues System erhöht Erreichbarkeit

Service-Nummern der Ärztekammer Berlin
Telefon: 030/4080 6-1111, -1112, -1113
E-Mail: service@aekb.de
Fax: 030/4080 6-551111
Persönliche Beratungsgespräche nach Vereinbarung

In die Details der Servicedienstleistungen der Kammer führte Michael Peglau ein. Zunächst erklärte er das neue Service-Ticket-System: Die Kammer ist unter drei Hotlines erreichbar (siehe Kasten). Für jeden Anrufer/in legen die Service-Mitarbeiterinnen ein so genanntes Ticket am Computer an ? sofern es sich dabei um ein Kammermitglied handelt, wird das Ticket mit dessen Daten verknüpft. So ist sichergestellt, dass jeder Anruf erfasst wird. In dem elektronischen Formular wird die Anfrage genau festgehalten. Lassen sich die Fragen des Anrufers sofort beantworten, wird das Ticket anschließend abgeschlossen. Ist dies nicht möglich, wird das Ticket an die spezialisierte Sachbearbeiterin weitergeleitet. Diese übernimmt die Beantwortung ? per Mail oder telefonisch ? innerhalb von drei Werktagen. Danach wird das Ticket abgeschlossen.
Wie Peglau weiter ausführte, wurden in der Zeit vom 1. bis 29. Juni dieses Jahres 1620 Tickets angelegt und beantwortet. Im Schnitt waren es 130 Anrufer pro Tag. Die sofortige Erreichbarkeit der Kammer lag dabei nachweisbar bei 95 Prozent. "Das ist international ein Spitzenwert, auf den wir stolz sind", unterstrich Peglau. Hinzu kamen in diesem Zeitraum 449 Anfragen per E-Mail.

Vizepräsident Elmar Wille (Allianz) fügte hinzu: "Wir erreichen das Ende dessen, was technisch machbar ist." Man werde bei der Flut der Anträge nicht um eine Erhöhung der Mitarbeiterzahl herumkommen. Er schwor die Delegierten darauf ein, dies zu berücksichtigen. "Ich will dann bei der Haushaltsdebatte nicht hören, dass wir sparen müssen", sagte er mit Blickrichtung Fraktion Gesundheit.

Probleme außerhalb der Kammer

Trotz dieser faktenreichen Darstellung erklärte beispielsweise Stefan Hochfeld (Fraktion Gesundheit), dies entspreche nicht seiner Wahrnehmung. Er wünschte sich zudem bei der WB-Antragsstellung eine regelmäßige Stellungnahme zum Sachstand durch die Kammer. Peglau verwies darauf, dass das Vorgehen der Kammer ein gängiges und rechtskonformes Verwaltungsverfahren sei und hob hervor, dass innerhalb eines Jahres 2209 Anträge auf WB-Anerkennung vollständig bearbeitet worden seien. Dies sei ein historischer Rekord. Er fügte hinzu, dass auch nur WB-Befugnisanträge für Fächer bearbeitet werden können, die nach der aktuellen WbO gültig sind. Beim Internisten ohne Schwerpunkt sei dies gegenwärtig nicht möglich. Derartige Anträge würden aber trotzdem pro forma abgearbeitet.

Kammergeschäftsführer Gerhard Andersen verwies auf die Homepage der Fraktion Gesundheit, wonach die Unzufriedenheit der Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken wachse, da sich die Arbeitsbedingungen dort nicht verbessert hätten. Dies betreffe besonders die Weiterbildung, die fast nirgends stattfinde, und schon gar nicht strukturiert, wie es dem Recht der Weiterzubildenden entspräche. Dort lägen die eigentlichen Probleme in der Weiterbildung, hob Andersen hervor, welche aber primär die Kammer nicht lösen könne, schon gar nicht löse man sie, in dem man öffentlich Verwaltungskräfte der Kammer dafür verantwortlich mache. Der Geschäftsführer bat deshalb die Kritiker, sich vor Ort von der Funktionstüchtigkeit der Arbeitseinheit in der Kammer zu überzeugen.

Schnelle Umsetzung der Muster-WbO

Konsens herrschte unter den Delegierten, dass die auf dem Deutschen Ärztetag in Münster beschlossene Muster-Weiterbildungsordnung (MWbO) baldmöglichst in der Berliner WbO umgesetzt werden soll. Danach soll der Facharzt für Innere Medizin ohne Schwerpunkt wieder eingeführt werden. Die Problematik Innere Medizin und Allgemeine Medizin hatte in der Vergangenheit immer wieder für heftige Diskussionen unter den Delegierten gesorgt. Die Delegiertenversammlung beschloss nun, den Antrag an den Vorstand zu überweisen, wonach dieser aufgefordert wird, dafür Sorge zu tragen, dass die Weiterbildungsgremien der Kammer unverzüglich einen durchführbaren Zeitplan für die Neuregelungen vorlegen. Ziel soll es danach sein, der Delegiertenversammlung am 19. September einen beschlussreifen Text für eine novellierte WbO vorzulegen.

Die Delegierten verabschiedeten dazu auch zwei Resolutionen, wonach einerseits auf die dringende Umsetzung der MWbO hingewiesen wird. Mit der zweiten Resolution unterstützt das Ärzteparlament nachhaltig alle Bemühungen für eine bedarfsgerechte, umfassende, hoch qualifizierte und angemessen vergütete Weiterbildung der Allgemeinmedizin.

Gesundheitskarte abgelehnt

Mit einer Resolution gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und des damit notwendigen elektronischen Arztausweises in seiner aktuellen Form schließt sich die Berliner Delegiertenversammlung den Beschlüssen des Deutschen Ärztetages in Münster an. Das Ärzteparlament hob hervor, dass eine Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und des Arztausweises nicht zu Lasten des Arzt-Patienten-Verhältnisses gehen dürfe. Es müsse vor jeder Entscheidung eine klare rechtliche Bewertung sowie eine belastbare transparente Kostenrechnung für die Ärzte vorliegen (siehe Kasten).

Einigkeit herrschte unter den Delegierten bei vier weiteren Beschlüssen. So wurde der Tätigkeitsbericht 2006 verabschiedet sowie im Bereich Medizinische Fachangestellte die Auslagen- und Entschädigungsregelungen neu gefasst. Daneben wurde der Beirat für die Fortbildungszertifizierung neu besetzt, wobei es zwei personelle Ergänzungen gab.

Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin beschließt folgende Resolution:
Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin begrüßt die Beschlüsse des 110. Deutschen Ärztetages 2007 in Münster zur "Elektronischen Gesundheitskarte". Sie bestätigt ausdrücklich auch die Position der Ärztekammer Berlin wie sie aus diversen Stellungnahmen u. a. in der Kammerzeitschrift Berliner Ärzte hervorgeht.

Begründung: Schon weit vor der jetzt in vielen Landesärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen geäußerten Kritik und Ablehnung zur Einführung der e-Card hatte die Berliner Ärzteschaft auf die eigentlichen Kernpunkte hingewiesen. Eine Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und der damit notwenige elektronische Arztausweis darf nicht zu Lasten des Arzt-Patientenverhältnisses gehen. Es muss vor jeder Entscheidung eine klare rechtliche Bewertung sowie eine belastbare transparente Kostenrechnung für die Ärzte vorliegen. Die Berliner Ärzteschaft verschließt sich nicht neuen Technologien. Dennoch, es sind die Bedürfnisse der Patienten und Ärzte um die es geht, (Weiter-) entwicklungen sind unabdingbar, aber sie müssen aufbauen auf täglichen Erfahrungen in Klinik und Praxis. Dort müssen Ziele definiert und Wege aufgezeigt und auch neue gegangen werden. Von oben verordneter, überhastet durchgedrückter so genannter Fortschritt hilft nicht, schadet nur. Eine Weiterentwicklung unter Berücksichtigung der genannten Resolutionen und Stellungnahmen findet durchaus die grundsätzliche Zustimmung der Berliner Ärzteschaft.