Minderjährige Patienten – Das Berliner Kinderschutzgesetz und das am 01.01.2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz

Gesetzesänderung

Sowohl das Berliner Kinderschutzgesetz (KiSchuG Bln) vom 17.12.2009 als auch das am 01.01.2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) enthalten im Interesse des Schutzes Minderjähriger Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung. Im Folgenden werden diese Regelungen kurz zusammengefasst.

Kinderschutzgesetz verpflichtet Ärzte zum Handeln

Seit dem Inkrafttreten des Berliner Kinderschutzgesetzes besteht für Ärztinnen und Ärzte die ausdrückliche Berufspflicht, bei bestehenden Anhaltspunkten für Vernachlässigung, Missbrauch oder Misshandlung von Minderjährigen auf Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen hinzuwirken, soweit dies erforderlich ist. Die damit einhergehende Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht bei Verdachtsfällen auf Kindeswohlgefährdung ist im Prinzip nicht neu, wurde aber im Gesetz noch einmal explizit ausformuliert. Aus dem Gesetz entstehen für Ärztinnen und Ärzte verschiedene neue Verpflichtungen, die einiges Fingerspitzengefühl erfordern.

Vorgehen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung

Bei gewichtigen Anhaltspunkten für die Gefährdung des Wohls minderjähriger Patientinnen und Patienten sehen die gesetzlichen Regelungen (sowohl Berliner Kinderschutzgesetz als auch Bundeskinderschutzgesetz) folgendes Vorgehen vor: Zunächst sollte die Situation mit dem Kind oder Jugendlichen und den Eltern erörtert und auf die Inanspruchnahme von Hilfen hingewirkt werden, soweit dadurch der Schutz des Betroffenen nicht in Frage gestellt wird. Zur Einschätzung der Situation und möglicher erforderlicher Hilfen haben Ärztinnen und Ärzte bereits im Vorfeld einen Anspruch gegenüber dem Jugendamt auf Beratung durch eine erfahrene Fachkraft. Allerdings müssen Daten in einem solchen Stadium dem Jugendamt anonymisiert übermittelt werden.

Sind die Eltern auch nach gezieltem Ansprechen nicht zur Kooperation bereit oder in der Lage, muss die Ärztin oder der Arzt das Jugendamt informieren und ist dabei auch berechtigt, die erforderlichen personenbezogenen Daten mitteilen. Nach wie vor sind Ärztinnen und Ärzte im Falle einer konkreten und nicht anders abwendbaren Gefahr für das Kind verpflichtet, Polizei und Jugendamt über ihre Beobachtungen zu informieren.

Ärztliche Rückmeldepflichten bei Vorsorgeuntersuchungen

Das Berliner Kinderschutzgesetz sieht daneben ein sehr klares Rückmelde- und Einladungssystem für die Vorsorgeuntersuchungen der Stufen U4 bis U9 (dritter Lebensmonat bis Vollendung des zehnten Lebensjahres) vor. Das Verfahren soll gezielt dabei helfen, die Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen von Kindern in Berlin zu steigern und dadurch Vernachlässigung, Missbrauch oder Misshandlungen frühzeitig zu erkennen. Die Koordination nimmt die sog. "Zentrale Stelle" an der Charité Universitätsmedizin Berlin wahr, die im Juni 2010 ihre Arbeit aufgenommen hat.

Nach der Geburt erhalten Kinder zusammen mit dem gelben Untersuchungsheft einen Dokumentationsbogen und eine Screening-Identitätsnummer. Diese wird fortan in der gesamten Kommunikation rund um die Vorsorgeuntersuchungen verwendet. Ärztinnen und Ärzte, die eine der Vorsorgeuntersuchungen der Stufen U4 bis U9 durchgeführt haben, sind verpflichtet, dies der Zentralen Stelle auf einem vorgegebenen Rückmeldebogen mitzuteilen. Auf diese Weise können dort all jene Kinder identifiziert werden, die diese Untersuchungen nicht wahrgenommen haben. In diesen Fällen werden die Eltern durch das zuständige Gesundheitsamt zur Teilnahme aufgefordert und bei Nichtbeachtung persönlich aufgesucht, um ihnen Inhalt und Zweck der Früherkennungsuntersuchungen zu erläutern. Werden dem Gesundheitsamt bei einem solchen Hausbesuch gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so unterrichtet dieses wiederum das Jugendamt.

Weiter gehende Hinweise, insbesondere zur Kindeswohlgefährdung und zum Rückmeldeverfahren für die Früherkennungsuntersuchungen, hält die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales unter www.berlin.de/kinderschutz bereit.