Neue Weiterbildungsordnung verabschiedet - Delegierte zum Deutschen Ärztetag 2004 gewählt

DV-Bericht

Bericht von der Delegiertenversammlung am 18. Februar 2004

Große Mehrheit für die neue Weiterbildungsordnung

Als zweite Landesärztekammer der Bundesrepublik hat Berlin die neue Weiterbildungsordnung verabschiedet. Nur Hamburg war mit einer bereits Mitte Dezember getroffenen Entscheidung schneller. Mit großer Mehrheit stimmten die Berliner Delegierten der zu etwa 98 % mit der Musterweiterbildungsordnung textgleichen Fassung zu. Dem ging eine lebhafte und sachorientierte Debatte voraus. Mit großer Anstrengung war es im Gemeinsamen Weiterbildungsausschuss zuvor gelungen, keine wesentlichen Partialinteressen einzelner Fachgruppen mehr durchzulassen. Nach jahrelangen Debatten auf Bundesebene wurden die bundesweiten Kompromisspakete zwischen den Fächern somit auch für Berlin übernommen.

Die wichtigsten Neuerungen

Das Zusammenwachsen der Allgemeinmediziner und Internisten auf der hausärztlichen Versorgungsebene zum neuen "Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin" dürfte eine der folgereichsten Neuerungen dieser Weiterbildungsordnung darstellen. Künftig wird damit der Allgemein-Internist ohne Schwerpunkt zum Auslaufmodell. Es wird nur noch Schwerpunktinternisten geben, die nach einer gemeinsamen Basisweiterbildung mit den Hausärzten ihre Weiterbildung gleich in der Subspezialität fortsetzen (z. B. zum "Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie" oder zum "Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie").Klaus Thierse, Vorsitzender des Gemeinsamen Weiterbildungsausschusses, erläuterte die weiteren Neuerungen: Ziel war es, die Weiterbildung praktikabler zu machen, die Vielzahl von Bezeichnungen deutlich zu reduzieren und die Weiterbildungsordnung wieder davon wegzuführen, eine "Abrechnungs-Abgrenzungsordnung" zu sein. Folgende Innovationen sind besonders wichtig:

Künftig gibt es nur noch Gebiets-, Schwerpunkt- und Zusatzweiterbildungen. Alle Bezeichnungen der Weiterbildungsordnung sind künftig "führbar" und müssen in der Regel mit einer Prüfung beendet werden (etwa 2000 Prüfungen statt bisher 1000 pro Jahr kommen so auf die Ärztekammer Berlin zu).

Zwei früher getrennte Fachgebiete wurden zusammengeführt. Die hieraus entstandenen Facharzt-Bezeichnungen sind die "Innere und Allgemeinmedizin" und die "Orthopädie und Unfallchirurgie".

Für etliche benachbarte Gebiete gibt es künftig eine gemeinsame Basisweiterbildung, den so genannten "common trunk". Diesen haben

  • alle chirurgischen Fächer,
  • HNO und "Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen" (früher Pädaudiologie),
  • Pathologie und Neuropathologie sowie
  • Klinische Pharmakologie und "Pharmakologie und Toxikologie".

Künftig gibt es nur noch einzelne Gebietsbezeichnungen oder solche, die stets mit Schwerpunkt geführt werden. Einen Facharzt ohne Schwerpunkt, der somit neben den Subspezialisierungen weiter besteht, gibt es künftig nur noch in der Gynäkologe, der Pädiatrie, der Psychiatrie und Psychotherapie sowie in der Radiologie.

Die Weiterbildung wird in ihrer Qualität künftig durch die Kammern wesentlich besser überprüfbar. Zur Qualitätsverbesserung trägt auch bei, dass ab Inkrafttreten der neuen Weiterbildungsordnung ein jährliches Pflicht-Weiterbildungsgespräch zwischen Weiterbildungsbefugten (= Weiterbilder) und ihren Assistenten stattfinden muss, und dass die Weiterbildungsbefugten künftig einen strukturierten Weiterbildungsplan vorlegen und auch einhalten müssen.

Neue Weiterbildungsordnung ist noch nicht in Kraft

Dies geschieht erst nach Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde und Veröffentlichung im Amtsblatt von Berlin. Damit ist etwa im Herbst diesen Jahres zu rechnen. Bis dahin können noch keine neuen Bezeichnungen beantragt werden. Für alle Ärztinnen und Ärzte, die ihre Weiterbildung schon begonnen haben, gilt nach Inkrafttreten der neuen WbO Bestandsschutz durch Übergangsbestimmungen.

Wir informieren Sie, sobald die neue Weiterbildungsordnung gilt.

Ökonomischer Druck macht Weiterbildung schwieriger

In der folgenden Debatte begrüßten die Delegierten, dass die neue Weiterbildungsordnung der Kammer eine Möglichkeit an die Hand gibt, schärfer auf die Qualität von Weiterbildungsgängen zu achten. Mehrere Seiten sahen diese nämlich durch den zunehmenden ökonomischen Druck auf die Kliniken gefährdet. "Die wirtschaftliche Orientierung der Krankenhäuser gefährdet die Weiterbildung mehr und mehr. Die Kliniken betrachten eine gute Weiterbildung gar nicht mehr als ihre Aufgabe", stellte Radiologe Dietrich Banzer (Liste Allianz) fest. "Ich freue mich jetzt schon auf die Pläne, die die uns einreichen werden" sagte Internistin Maria Birnbaum (Fraktion Gesundheit). "Ich sage Ihnen jetzt schon auf den Kopf zu, dass wir da schwarz auf weiß sehen werden, wie problematisch die Weiterbildung in den Kliniken geworden ist. Das wird für uns ein gutes Instrument für die Außenarbeit sein".

Kammerpräsident Günther Jonitz (Marburger Bund) sah das genauso. Er betonte, dass mit dem jährlichen Weiterbildungsgespräch und den strukturierten Weiterbildungsplänen eine zentrale Forderung des Berliner Arbeitskreises "Junge Ärzte" umgesetzt wurde.

Krankheitszeiten bis zu 6 Wochen werden angerechnet

Die Fraktion Gesundheit konnte noch eine lockernde Detailregelung durchsetzen. Cora Jacobi, Wolfgang Albers und Andreas Grüneisen setzten sich dafür ein, dass Unterbrechungen der Weiterbildung, z.B. durch Krankheit, bis zu maximal 6 Wochen pro Jahr noch auf die Weiterbildungszeiten angerechnet werden und nicht nachgeholt werden müssen. "Alles andere wäre ärgerlich und ist für die Kollegen draußen ein Riesenstress. Bei Zeitverträgen ist es oft ungemein schwierig, eine nur wenige Wochen währende Verlängerung zu beantragen" erläuterte Grüneisen. Die Delegiertenversammlung folgte dieser Argumentation und beschloss, diese Regelung festzuschreiben.

Die wichtigsten Abweichungen zwischen den Neufassungen der Musterweiterbildungsordnung und der Berliner WbO
In Berlin werden drei ergänzende Zusatzweiterbildungen eingeführt:
  • Ernährungsmedizin
  • Suchtmedizinische Grundversorgung
  • Ärztliches Qualitätsmanagement
Die Zusatzweiterbildung "Betriebsmedizin" wird in Berlin nicht mehr in die Weiterbildungsordnung aufgenommen. Für Ärzte, die ihre Weiterbildung Betriebsmedizin zum Inkrafttreten der neuen Weiterbildungsordnung schon begonnen haben, gilt natürlich Bestandsschutz durch Übergangsbestimmungen.
Bei vier Zusatzweiterbildungen wird in Berlin für eine Übergangsfrist von zwei Jahren nach Inkrafttreten der neuen Weiterbildungsordnung von der Grundregel abgewichen, eine mündliche Prüfung abzulegen:
  • Akupunktur
  • Diabetologie
  • Infektiologie
  • Röntgendiagnostik (fachgebunden)

Diese Übergangsbestimmung gilt nur für Ärzte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Weiterbildungsordnung bereits die definierten Bedingungen erfüllen und Berliner Kammermitglieder sind.

Die Schmerztherapie wird wie bisher in Berlin abweichend von der Musterweiterbildungsordnung modular aufgebaut.
Unterbrechungen der Weiterbildung (zum Beispiel durch Krankheit), die nicht mehr als insgesamt 6 Wochen im Kalenderjahr dauern, werden in Berlin noch auf die Weiterbildungszeit angerechnet, ohne nachgearbeitet werden zu müssen.
Eine Weiterbildung muss hauptberuflich und mit angemessener Vergütung durchgeführt werden. Abweichungen können nur dann angerechnet werden, wenn sie vorher der Ärztekammer angezeigt und von dieser als anrechnungsfähig bestätig wurden.Teilzeitweiterbildungen müssen bei der Kammer zuvor angezeigt werden.
Bei den Übergangsbestimmungen zum neuen Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin gilt in Berlin eine sehr großzügige Regelung, die auch praktische Ärzte einbezieht: Kammerangehörige, die Praktischer Arzt, Facharzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt für Innere Medizin sind, können die Anerkennung der neuen Bezeichnung beantragen, wenn sie mindestens 5 Jahre hauptberufliche hausärztliche Tätigkeit in eigener Praxis nachweisen. Allerdings müssen sie eine Facharztprüfung absolvieren. Anträge können innerhalb von 7 Jahren nach Inkrafttreten der neuen Weiterbildungsordnung gestellt werden.
In Berlin gibt es kleine Ergänzungen in einzelnen Zusatzweiterbildungen. Zum Beispiel...
  • ...wird in der Zusatzweiterbildung Diabetologie in Berlin ein zusätzlicher 40-Stunden-Kurs verlangt,
  • ...müssen in der Psychotherapie in Berlin statt 20 Stunden 35 Stunden Balintgruppe absolviert werden.
  • ...muss in der Notfallmedizin in Berlin ein 20-stündiger Abschlusskurs absolviert werden.

Berliner Delegation für den Deutschen Ärztetag in Bremen, 18. bis 21. Mai 2004

Die Delegiertenversammlung bestimmte die folgenden Delegierten zum DÄT 2004:

Liste Delegierte/Delegierter Ersatzdelegierte/Ersatzdelegierter
Marburger Bund Dr. med. Klaus Thierse Dr. med. Sigrid Kemmerling
Dr. med. Werner Wyrwich Tilmann Muehlenberg
Dr. med. Matthias Albrecht Armin Belg
Hausärzte im BDA Prof. Dr. med. Vittoria Braun Dr. med. Rita Kielhorn
Dr. med. Hans-Peter Hoffert Dr. med. Wolfgang Kreischer
Macht´s besser ... Hermann Brehme Dr. med. Hermann Mahn
Allianz Berliner Ärzte Dr. med. Roland Urban Dr. med. Walter Goerz
Dr. med. Christian Handrock Dr. med. Sabine Krebs
Prof. Dr. med. Harald Mau Stephan Krafft
Helmut Mälzer D. med. Dietrich Bodenstein
PD Dr. med. Dietrich Banzer Dr. med. Svea Keller
Fraktion Gesundheit Dr. med. Charlotte Lutz Dr. med. Carsten Belter
Claudia Brendler Dr. med. Daniel Rühmkorff
Dr. med. Volker Pickerodt Dr. med. Andreas Grüneisen
Dr. med. Constanze Jacobowski Dr. med. Cora Jacoby
Dr. med. Maria Birnbaum Dr. med. Ulrich Piltz