Diese Fragen werden im Folgenden so praxisnah wie möglich und so tiefgreifend wie nötig beantwortet. Im Fokus werden dabei die Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und der Bundesärzteordnung stehen, die auch den intensivsten Einfluss auf die ärztliche Berufsausübung haben.
Hier zunächst einige weiterführende Links zum Gesetzestext und zur Gesetzesbegründung:
Patientenrechtegesetz vom 20. Februar 2013 veröffentlicht im Bundesgesetzblatt I, ausgegeben am 25. Februar 2013
Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 15.08.2012 (Regelungsentwurf mit ausführlicher Begründung)
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, die am 29.11.2012 vom Bundestag angenommen worden ist (geänderte und neue Regelungen mit Begründungen)
I. Einleitung
Nach den Bekundungen der verantwortlich zeichnenden Politik soll das Patientenrechtegesetz nicht weniger als "einen wesentlichen Beitrag zu mehr Transparenz und Rechtssicherheit" leisten. Patienten sollen ihre Rechte konzentriert in einem Gesetz nachlesen können. Unter dem bedeutungsvollen und gleichsam umstrittenen Titel "Patientenrechtegesetz" sind nun Änderungen in einer ganzen Reihe von Gesetzen - Bürgerliches Gesetzbuch, Sozialgesetzbuch V, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundesärzteordnung u.a. - geändert worden. Ob dem Gesetzgeber damit gelungen ist, was er sich vorgenommen hat, wird sich vor allem an der zukünftigen das Gesetz begleitenden Rechtsprechung ablesen lassen.
II. Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
Der Gesetzgeber hat im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) einen neuen Untertitel "Behandlungsvertrag" geschaffen und versucht, darin die wesentlichen vertraglichen Rechte der Patientinnen und Patienten sowie die bisherige Rechtsprechung im Arzthaftungsrecht zu kodifizieren. Patientenrechte (und -pflichten) gab es natürlich auch schon vor dem Patientenrechtegesetz. Und auch Regelungen hierzu im BGB. Nur sah das BGB für den Vertragstypus "Behandlungsvertrag" bisher keine speziellen Regelungen vor. Zur Anwendung kamen die allgemeinen Vorschriften im über 100 Jahre alten BGB. Darin waren zunächst die allerwenigsten Vertragstypen speziell geregelt. Von den speziell geregelten Vertragstypen am geläufigsten sind uns z. B. Kaufvertrag, Werkvertrag, Darlehensvertrag etc. Keinen sonderlich guten Ruf genießen - unter handwerklichen Gesichtspunkten (gemeint ist das gesetzgeberische Handwerk) - die nachträglich ins BGB aufgenommenen speziellen Vertragstypen. Man erkennt sie an den sog. Buchstabenparagraphen (z. B. Reisevertrag). Die nunmehr speziell für den Behandlungsvertrag kreierten Vorschriften (§§ 630a bis 630h1) werden voraussichtlich nicht zu einer Rehabilitation des gesetzgeberischen Leumunds beitragen können. Einige der bereits jetzt absehbaren Probleme und Fallstricke sollen im Folgenden aufgegriffen werden.
Der Behandlungsvertrag im BGB
Die im Gesetz vorgesehenen typischen Pflichten beim Behandlungsvertrag (§ 630a Absatz 1) sind nicht neu. Insofern gilt also, was auch bisher schon galt:
"Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist."
Die neuen Regelungen im BGB sollen auf alle Behandlungsverhältnisse, d. h. auch der Psychotherapie, der Physiotherapie, der Logopädie etc. und auch der Heilpraktiker, Anwendung finden. Das Gesetz spricht daher vom "Behandelnden" als Vertragspartner des Patienten und meint damit jede Person, die eine medizinische Behandlung vornimmt. Verträge über Pflege und Betreuung gehören nicht dazu.
Der Transparenz und Rechtssicherheit wegen soll an dieser Stelle - rein vorsorglich - erwähnt werden: Die private Krankenversicherung (PKV) ist nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift! Die PKV schuldet den Kostenersatz aus dem Krankenversicherungsvertrag nur gegenüber dem Patienten und ist daher aus dem Behandlungsvertrag zwischen Arzt2 und Patient, d. h. gegenüber dem Arzt, nicht "zur Zahlung verpflichtet". Gedacht hat der Gesetzgeber an dieser Stelle des Gesetzes vor allem an die sozialversicherungsrechtlichen Vertragsverhältnisse.
Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erhält der Patient die Behandlung (in der Regel) als Sachleistung, zur Zahlung verpflichtet ist jedoch die Kassenärztliche Vereinigung; der Patient ist daher im Rahmen der GKV zwar zivilrechtlicher Vertragspartner, jedoch aufgrund der Besonderheiten im GKV-System nicht zur Zahlung verpflichtet.
Der Arzt schuldet den allgemein anerkannten fachlichen Standard
In Absatz 2 des § 630a stellt der Gesetzgeber klar, welche Behandlungsqualität der Arzt aus dem Behandlungsvertrag schuldet. Dort heißt es:
"Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist."
Damit schuldet der Arzt grundsätzlich eine Behandlung nach dem allgemein anerkannten fachlichen Standard. Gleichzeitig bleibt jedoch die Möglichkeit, in begründeten Einzelfällen hiervon in Absprache mit dem Patienten abzuweichen: z.B. bei schweren Erkrankungen, sofern keine anerkannten Methoden mehr zur Verfügung stehen (sog. individueller Heilversuch).
Ärztliche Informationspflichten
Wie auch bisher gilt Folgendes (§ 630c Absatz 2 Satz 1):
"Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen."
Diese mit "Mitwirkung der Vertragsparteien; Informationspflichten" überschriebene Vorschrift regelt zunächst einen Teilbereich der Aufklärungspflicht, nämlich den Bereich der in der Vergangenheit von der Rechtsprechung entwickelten sog. "therapeutischen Aufklärung", die auch als "Sicherungsaufklärung" bezeichnet wird. Die Rechtsprechung versucht über die Kategorisierung der ärztlichen Aufklärung die unterschiedlichen Anforderungen an diese in den verschiedenen Phasen der ärztlichen Konsultation und Behandlung möglichst genau herauszuarbeiten. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur sog. therapeutischen - oder Sicherungsaufklärung hat der Arzt den Patienten über ein therapierichtiges Verhalten zur Sicherstellung des Behandlungserfolgs und zur Vermeidung möglicher Selbstgefährdungen zu beraten. Versäumnisse bei der Information in diesem Bereich wären als Behandlungsfehler zu bewerten, die der Patient vollumfänglich zu beweisen hätte. Insofern hat der Gesetzgeber lediglich die bestehende Rechtsprechung umgesetzt. Inwieweit diese in der Vergangenheit von der Rechtsprechung für die ärztliche Aufklärung entwickelten Grundsätze nunmehr auch von anderen "Behandelnden", z. B. von Masseuren, medizinischen Bademeistern etc. zu beachten sind, muss an dieser Stelle nicht geklärt werden, darüber müssen andere rätseln.
Dass der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur therapeutischen - bzw. Sicherungsaufklärung an dieser Stelle (§ 630c Absatz 2) und nicht im Rahmen des § 630e, der ausweislich seiner Überschrift die "Aufklärung" regelt, verortet hat, hat einen entscheidenden praxisrelevanten Grund: Anders als bei der sog. Eingriffs- und Risikoaufklärung (Aufklärung vor Eingriffen über mit diesen verbundenen Chancen und Risiken, siehe hierzu Wortlaut des § 630e Absatz 1) muss die erfolgte therapeutische - oder Sicherungsaufklärung nicht in der Patientenakte dokumentiert werden (siehe hierzu Wortlaut des § 630f Absatz 2). Die nicht erfolgte Dokumentation der "Information" nach § 630c Absatz 2 (therapeutische - oder Sicherungsaufklärung) führt, anders als die nicht erfolgte Dokumentation der Eingriffs- und Risikoaufklärung (§ 630e Absatz 1), im Streitfall gemäß § 630h Absatz 3 (Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler), der sich nur auf die in § 630f geregelten Aufklärungspflichten bezieht, nicht zu einer Beweiserleichterung für den Patienten. D. h., der Patient trägt für die Behauptung, es liege ein Behandlungsfehler vor, weil die Information gemäß § 630c Abs. 2 nicht erfolgt sei, in der Regel die volle Beweislast.
Pflicht zum Geständnis über Behandlungsfehler
Für ganz viel Transparenz soll die folgende Regelung sorgen (§ 630c Absatz 2 Satz 2):
"Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren.
Nicht neu ist die in dieser Vorschrift enthaltene Verpflichtung, den Patienten über Umstände zu informieren, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, sofern dies zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren erforderlich ist. Nach der Gesetzesbegründung legt diese Regelung die Informationspflicht des Behandelnden hinsichtlich eigener und fremder Behandlungsfehler fest. Allerdings wird bei Vorkommnissen, aufgrund derer eine weitere medizinische Behandlung erforderlich wird, immer eine Handlungspflicht des Arztes ausgelöst, unabhängig davon, ob sie fehlerbedingt ist oder nicht. Darüber hinaus kann der Arzt in vielen Fällen zunächst gar nicht einschätzen, ob das Vorkommnis bzw. ein bestimmter Umstand aus einem Behandlungsfehler resultiert. Nach der Gesetzesbegründung kommt es bei dieser Alternative der Regelung nur darauf an, ob die Information für die Gesundheit des Patienten erforderlich ist. In der Regel wird die Frage, ob das Vorkommnis oder ein Umstand ggf. fehlerbedingt entstanden ist, für die weitere Therapie unbedeutend sein. Die Praxisrelevanz dieser Regelung darf daher bezweifelt werden.
Neu ist die Verpflichtung, eine solche Information auch auf Nachfrage des Patienten zu erteilen und zwar auch dann, wenn dies nicht zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren erforderlich ist! Unserer Rechtsordnung ist die Verpflichtung zum Einräumen eigenen Fehlverhaltens grundsätzlich fremd. Auch im Zivilrecht kam eine solche Verpflichtung bisher nur dann in Betracht, wenn dies zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter (Gesundheit oder Leben) oder zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten (Haupt-) Leistungspflicht erforderlich war. Die nunmehr geregelte Pflicht zur Selbstbezichtigung ist hingegen nicht durch eine solche Notwendigkeit gerechtfertigt. Damit wird dem Arzt eine Aufklärungspflicht auferlegt, die nicht im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Behandlung steht, sondern ausschließlich den Vermögensinteressen des Patienten dient. Dies stellt einen Paradigmenwechsel im Zivilrecht dar. Die Praxisrelevanz auch dieser Vorschrift ist indes unklar. Hier gilt auch das oben bereits Gesagte. Im Übrigen wird der Arzt in den Fällen, in denen er meint, alles richtig gemacht zu haben, auch nicht davon ausgehen, dass "Umstände" vorliegen, die die "Annahme eines Behandlungsfehlers begründen". Sind solche, einen Behandlungsfehler begründende Umstände für den Arzt nicht erkennbar, können und müssen sie auch nicht mitgeteilt werden. Die Frage, in welchen Fällen von der Erkennbarkeit solcher Umstände auszugehen ist, wird zukünftig in Einzelfällen sicherlich die Zivilgerichte beschäftigen. Die zivilrechtlichen Folgen eines fahrlässigen Verstoßes gegen diese Regelung, vorausgesetzt es handelte sich nicht um eine aus medizinischen Gründen erforderliche Information, sind zudem nicht ersichtlich. Ins Auge fallen rechtliche Folgen selbst dem Rechtskundigen zunächst nicht.
Bei Geständnis: Beweisverwertungsverbot
Um die Pflicht zur Selbstbezichtigung noch einigermaßen in rechtsstaatlichen Bahnen zu halten, hat der Gesetzgeber hiermit ein sog. Beweisverwertungsverbot verbunden, das allerdings lediglich im Strafprozess sowie in "Bußgeldverfahren" gilt. In § 630c Absatz 2 Satz 3 heißt es hierzu:
"Ist dem Behandelnden oder einem seiner in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen ein Behandlungsfehler unterlaufen, darf die Information nach Satz 2 zu Beweiszwecken in einem gegen den Behandelnden oder gegen seinen Angehörigen geführten Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit Zustimmung des Behandelnden verwendet werden."
Ob von dem hier geregelten Beweisverwertungsverbot auch die berufsrechtlichen Verfahren erfasst werden, bedarf der Klärung. Dafür spräche, dass auch im berufsrechtlichen Verfahren die Aussage eines Beschuldigten nicht verwertet werden darf, wenn er vor der Aussage nicht über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt worden ist. Der allgemeine Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss, gilt auch im berufsrechtlichen Verfahren. Allerdings: Wenn der Gesetzgeber bewusst davon Abstand genommen hat, das Beweisverwertungsverbot auch auf das berufsrechtliche Verfahren auszudehnen, was die Gesetzesbegründung nahelegt, könnte dies für eine dortige Verwertbarkeit sprechen.
Da die Regelung den Vermögensinteressen des Patienten dient, ist es nur folgerichtig, dass dieser das Geständnis des Arztes auch in einem nachfolgenden zivilrechtlichen Schadensersatzprozess gegen den Arzt verwenden darf. Eine Verwertung der Aussagen des Arztes wäre auch im Rahmen einer möglichen nachfolgenden arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung möglich, z.B. nach Kündigung wegen schwerem Behandlungsfehler. Die in einem Schadensersatzprozess geführte Verfahrensakte könnte dann ggf. auch im berufsrechtlichen Verfahren Verwendung finden. Selbst wenn man von einem Beweisverwertungsverbot im berufsrechtlichen Verfahren ausgeht, stellt sich die weitere Frage, ob Erkenntnisse, die ggf. in der Verfahrensakte des Zivilgerichtes zu finden sind und die sich nicht direkt aus den selbstbezichtigenden Äußerungen des Arztes ergeben, ebenfalls dem Beweisverwertungsverbot unterliegen würden. Die Frage, ob nämlich nur mittelbar aus der Aussage des Arztes hervorgehende Erkenntnisse, z.B. aus einem vom Zivilgericht in Auftrag gegebenen Gutachten oder aus Zeugenvernehmungen, in einem berufsrechtlichen Verfahren verwertet werden dürfen, stellt sich übrigens auch im Straf- und Bußgeldverfahren. Bei der Klärung dieser Fragen wird sicherlich die Rechtsprechung gefordert sein, die erforderlichen, im Kern verfassungsrechtlichen Abwägungen zu treffen.
Fazit: Ärztinnen und Ärzte sollten sich genau überlegen, ob ihnen ggf. bekannte "Umstände" tatsächlich auch die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen. Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, besteht ein Informationsanspruch des Patienten nach dieser Vorschrift. Unabhängig davon müssen alle Informationen erteilt werden, die aus therapeutischen Gründen erforderlich sind.
Wirtschaftliche Aufklärung: Information über Behandlungskosten
Nicht im § 630e, der ausweislich seiner Überschrift die "Aufklärung" regelt, sondern im Zusammenhang mit den Informationspflichten des Arztes wird in § 630c Absatz 3 Folgendes vorgeschrieben:
"Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich aus den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt."
In den vergangenen Jahren hat die Rechtsprechung Ärzten bereits als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag verstärkt eine sog. wirtschaftliche Aufklärungspflicht auferlegt. Soweit für den Arzt erkennbar ist oder gewesen wäre, dass der Patient durch die Behandlung für ihn nicht absehbare wirtschaftliche Nachteile (z.B. Nichtübernahme der Kosten durch GKV, PKV oder Beihilfestellen) erleidet, war er bisher nach der Rechtsprechung verpflichtet, den Patienten vor der Behandlung darauf aufmerksam zu machen. Zudem schreiben der Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) sowie auch der Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen (EKV) im Bereich der GKV im Falle der Erbringung sog. individueller Gesundheitsleistungen (IGEL) eine schriftliche Vereinbarung mit bestimmten Mindestinhalten vor (§ 18 Absatz 8 Nr. 3 BMV-Ä, § 21 Abs. 8 Nr. 3 EKV). Auch beim ausdrücklichen Verlangen des GKV-Patienten nach Selbstzahlung ist eine schriftliche Zustimmung des Patienten bereits nach dem BMV-Ä erforderlich (§ 18 Absatz 8 Nr. 2 BMV-Ä, § 21 Abs. 8 Nr. 2 EKV). Diese Verpflichtungen bleiben von der neuen Regelung unberührt, d.h. bei gesetzlich krankenversicherten Patienten bleibt es praktisch bei den weitergehenden Vorgaben des BMV-Ä bzw. des EKV.
Vorsicht mit Verzichtserklärungen!
Entfallen kann die so geregelte wirtschaftliche Informationspflicht gemäß § 630c Absatz 4 nur soweit diese "aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist". Die Vorschrift nennt hier insbesondere die Fälle der unaufschiebbaren Behandlung und den Fall, dass der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat. Bereits an dieser Stelle soll dringend davon abgeraten werden, etwa Patienten generell zu bitten, Verzichtserklärungen zu unterschreiben. Im Gesetz selber wird mit dem Begriff "ausnahmsweise" bereits deutlich, dass der Verzicht nicht den Regelfall darstellen soll. In der Begründung zum Gesetz wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass an die Wirksamkeit eines solchen Verzichts hohe Anforderungen gestellt würden, so müsse der Patient die Erforderlichkeit der Behandlung sowie deren Chancen und Risiken zutreffend erkannt haben! Offenbar geht der Gesetzgeber im Fall des patientenseitigen Verzichts davon aus, dass der Arzt im Schadensfall nicht nur die erfolgte erforderliche Aufklärung sondern zudem das vollständige Verständnis der Aufklärung durch den Patienten beweisen muss. Zwar erschließt sich diese Ableitung auch dem Rechtskundigen nicht unmittelbar. Denn nach der bisherigen Rechtsprechung muss sich der Arzt lediglich davon überzeugen, dass der Patient Art, Bedeutung, Tragweite, Chancen und Risiken eines Eingriffs erfasst hat und zwar unabhängig davon, ob eine schriftliche Aufklärung erfolgt ist. Zudem wird sich die hier in Rede stehende Information in der Regel lediglich auf die wirtschaftlichen Folgen der Behandlung beziehen. Die Intention des Gesetzgebers ist jedoch deutlich: der Patientenseitige Verzicht stellt den Ausnahmefall dar. Eine Umgehung kann zudem teuer werden. Über die weiteren Einzelheiten zur erforderlichen Information in Textform wird die Ärztekammer auf ihrer Homepage informieren.
Textform ist Text ohne Unterschrift
Anders als im BMV-Ä und EKV verpflichtet § 630c nicht zur Schrift- sondern nur zur Textform. Das BGB unterscheidet feinsinnig zwischen beiden Formerfordernissen. Kurz gesagt: Schriftform ist Text mit nachfolgender eigenhändiger Unterschrift (§ 126a); Textform ist Text ohne nachfolgende eigenhändige Unterschrift (§ 126b). Unterlässt der Arzt die vorgesehene Information in Textform, wird es im Streitfall schwerlich möglich sein, die ärztliche Honorarrechnung durchzusetzen. Ob man in einem solchen Fall davon ausgehen wird, dass die ärztliche Honorarforderung gar nicht erst fällig wird oder ob der Patient aus der nicht erfolgten Information (Aufklärung) einen Schadensersatzanspruch ableiten kann, den er der ärztlichen Honorarforderung entgegenstellen kann (Aufrechnung), kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, denn das Ergebnis bleibt dasselbe: eine nicht durchsetzbare Honorarforderung.
Aus welchen Umständen sich hinreichende Anhaltspunkte für den Arzt ergeben können, dass "die Übernahme der Behandlungskosten nicht durch einen Dritten", d.h. z.B. durch eine PKV, "gesichert ist", ist derzeit unklar. Anhaltspunkte hierfür bietet die bisherige Rechtsprechung zur sog. wirtschaftlichen Aufklärung, wonach der Arzt dem Patienten mitteilen muss, sofern Zweifel an der Kostenübernahme durch eine Krankenkasse angebracht sind. In der Gesetzesbegründung wird an dieser Stelle für den Bereich der GKV auf das überlegene Wissen des Arztes bezüglich der Frage, welche Behandlungen Bestandteil des Leistungskataloges der GKV sind und im Bereich der PKV auf das überlegene Wissen des Arztes bezüglich der Frage der Notwendigkeit der ärztlichen Behandlung abgestellt. Wird ein entsprechendes überlegenes Wissen des Arztes anzunehmen sein, wird voraussichtlich auch eine wirtschaftliche Informationspflicht angenommen werden. Hierüber wird es zukünftig sicherlich zur Befassung durch die Zivilgerichte kommen.
Einholung der Einwilligung ist vertragliche Pflicht
Die Einwilligung in die ärztliche Behandlung war bereits bisher erforderlich, damit aus einer an sich rechtswidrigen Körperverletzung eine gerechtfertigte Heilbehandlung werden konnte. Mit der Regelung in § 630d Absatz 1 Satz 1 wird die Einwilligung nunmehr ausdrücklich auch als vertragliche Pflicht geregelt, die im Fall ihrer Verletzung zu vertraglichen Schadensersatzansprüchen führen kann:
"Vor der Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Behandelnde verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen."
Achtung bei Patientenverfügung!
Gleichzeitig gibt der Gesetzestext Auskunft darüber, wie im Fall der Einwilligungsunfähigkeit des Patienten zu verfahren ist (§ 630d Absatz 1 Sätze 2 und 3):
"Ist der Patient einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, soweit nicht eine Patientenverfügung nach § 1901a Absatz 1 Satz 1 die Maßnahme gestattet oder untersagt. Weitergehende Anforderungen an die Einwilligung aus anderen Vorschriften bleiben unberührt. Kann eine Einwilligung für eine unaufschiebbare Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf sie ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht."
So einfach, wie sich der Gesetzestext an dieser Stelle anhört, ist es allerdings nicht! Zunächst ordnet der Gesetzgeber für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit des Patienten (z.B. bei Demenz oder anderen schweren psychiatrischen Erkrankungen) die Einholung der Einwilligung durch den "hierzu Berechtigten" an. Hierbei wird es sich in der Regel um einen gesetzlichen Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigten handeln. Für den Fall, dass eine Patientenverfügung vorliegt soll dies nicht gelten ("soweit nicht eine Patientenverfügung (...) die Maßnahme gestattet oder untersagt"), insofern verweist der Gesetzgeber auf § 1901a Absatz 1 Satz 1. Dahinter verbirgt sich eine Vorschrift, die mit dem sog. Patientenverfügungsgesetz in das BGB aufgenommen worden ist und in der es wie folgt heißt:
"Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen."
Der Verweis auf diese Vorschrift lässt den Ratsuchenden zunächst etwas ratlos zurück. Das klingt zunächst nach einem sog. Zirkelschluss: Denn § 1901a Absatz 1 Satz 1 verweist erneut auf den Betreuer! Die Vorschrift ordnet für den Fall, dass eine Patientenverfügung vorliegt, die Prüfung durch den Betreuer an, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Nach den betreuungsrechtlichen Vorschriften ist es in der Regel der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte, der dem zwischen Arzt und Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigten konsentierten Willen des Patienten Geltung zu verschaffen hat.
Ausschließlich für den Fall, dass weder eine gesetzliche Betreuung noch eine sog. Vorsorgebevollmächtigung besteht und der Arzt sich sicher ist, dass die ihm vorliegende Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens - und Behandlungssituation zutrifft, hat er nach wohl herrschender Auffassung entsprechend den Vorgaben der Patientenverfügung dem darin geäußerten Patientenwillen ohne Weiteres, d.h. ohne die Anregung einer gesetzlichen Betreuung, Geltung zu verschaffen.
Trifft die vorliegende Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation nicht zu oder ist der Arzt sich darüber unsicher, dann ist beim zuständigen Betreuungsgericht eine gesetzliche Betreuung anzuregen. Handelt es sich allerdings um eine unaufschiebbare ärztliche Maßnahme, so ist die Maßnahme durchzuführen bzw. zu unterlassen, soweit es dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.
Der Anschein, den der Gesetzestext an dieser Stelle vermittelt, nämlich dass im Fall des Vorliegens einer Patientenverfügung ein vorhandener Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigter nicht einzubeziehen ist, ist unzutreffend! Dieser ist nach dem Betreuungsrecht immer einzubeziehen! Weitere Einzelheiten zur Rechtslage im Zusammenhang mit der Patientenverfügung sind auf der Homepage der Ärztekammer Berlin veröffentlicht.[1]
Ärztliche Aufklärungspflichten
Der Gesetzgeber hat mit einer recht ausführlichen Vorschrift versucht, die bisherige Rechtsprechung zu den ärztlichen Aufklärungspflichten im Gesetz abzubilden. Gemeint ist hier die sog. Eingriffs- und Risikoaufklärung, die auch als Selbstbestimmungsaufklärung bezeichnet wird, d.h. der Teil der Aufklärung, der vor der Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme zu erfolgen hat.
Nach der Vorschrift des § 630e Absatz 1 Sätze 1 und 2 ist der Behandelnde verpflichtet,
" den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie."
Aufklärung muss mündlich erfolgen, ergänzend in Textform
Die Aufklärung muss, wie auch schon bisher, mündlich erfolgen, ergänzend kann auf Unterlagen Bezug genommen werden. Hierzu heißt es in § 630e Absatz 2 Nummer 1, 2. Halbsatz:
" ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält,"
Dies bedeutet: sofern der Patient ergänzend zur mündlichen Aufklärung durch einen Text aufgeklärt wird, ist diese Art der Aufklärung nur wirksam, wenn der Patient den Text ausgehändigt erhält. Es ist daher zu empfehlen, die Aushändigung des Textes in der Patientenkartei zu dokumentieren. Zu den möglichen Folgen einer nicht wirksamen Aufklärung wird im dritten Teil dieses Beitrags eingegangen werden.
Aufklärung muss rechtzeitig erfolgen und verständlich sein
Nach § 630e Absatz 2 Nummer 2 muss die Aufklärung
" so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann,"
Bei der Frage, was unter "rechtzeitig" zu verstehen ist, korrespondiert die Gesetzesbegründung mit der Rechtsprechung und mit der am 26. September 2012 von der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin beschlossenen und sich noch im Genehmigungsverfahren befindenden Fassung der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin, die derzeit noch nicht in Kraft ist und in der es in § 8 Satz 4 BO wie folgt heißt:
"Insbesondere vor diagnostischen oder operativen Eingriffen ist soweit möglich eine ausreichende Bedenkzeit vor der weiteren Behandlung zu gewährleisten. Je weniger eine Maßnahme medizinisch geboten oder je größer ihre Tragweite ist, umso ausführlicher und eindrücklicher sind Patientinnen oder Patienten über erreichbare Ergebnisse und Risiken aufzuklären."
Aufklärung des sprachunkundigen Patienten
Die Aufklärung muss zudem für den Patienten verständlich sein (§ 630e Absatz 2 Nummer 3). Nach der Gesetzesbegründung bedeutet das u.a.: Ist der Patient nach eigenen Angaben oder nach der Überzeugung des Arztes der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig hat die Aufklärung in einer Sprache zu erfolgen, die der Patient versteht. Erforderlichenfalls sei eine sprachkundige Person oder ein Dolmetscher auf Kosten des Patienten hinzuzuziehen. In der Gesetzesbegründung wird zugleich klargestellt, dass die Regelungen im Sozialgesetzbuch I über die Kostentragungspflicht des zuständigen Sozialleistungsträgers unberührt bleiben. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen solche Kosten in der Regel nicht.
Nach bisheriger Rechtsprechung gilt allerdings auch Folgendes: Besteht für den Arzt der Eindruck, dass der Patient ausreichend der deutschen Sprache mächtig ist, so kann der Arzt erwarten, dass der Patient ihm mitteilt, sofern er etwas nicht verstanden hat. Äußert sich der Patient in einer solchen Situation nicht und verlangt er keine Übersetzung, dann kann der Arzt davon ausgehen, dass der Patient die Aufklärung verstanden hat.
Im Klartext bedeutet das: derjenige Patient, der der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig ist, der keine Bekannten hat, die übersetzen können und der sich auch keinen Dolmetscher leisten kann, der kann ggf. nur im Notfall bzw. bei unaufschiebbaren Maßnahmen behandelt werden.
Der Aufklärung bedarf es gemäß § 630e Absatz 4 nicht, soweit sie ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist. Insbesondere nennt der Gesetzgeber hierbei den Fall der Unaufschiebbarkeit der ärztlichen Maßnahme, d.h. den Notfall, sowie den Fall des ausdrücklichen patientenseitigen Verzichts.
Aufklärung über alternative Behandlungsmethoden
Nach ständiger Rechtsprechung muss bei mehreren möglichen Behandlungsmethoden über die verschiedenen Möglichkeiten aufgeklärt werden. In § 630e Absatz 1 Satz 3 heißt es hierzu:
"Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können."
In der Gesetzesbegründung wird hierzu klargestellt, dass der Arzt nur über solche alternative Therapiemethoden aufklären muss, die zum medizinischen Standard gehören. Er muss also nicht ungefragt über therapeutische Verfahren aufklären, die sich etwa erst in der Erprobung befinden und damit noch nicht zum medizinischen Standard rechnen. Dies selbst dann nicht, wenn sie als Therapiealternativen in Betracht kämen.
Das in dieser Vorschrift offenbar werdende Spannungsverhältnis zwischen der Therapiefreiheit des Arztes auf der einen und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf der anderen Seite löst der Gesetzgeber an dieser Stelle zugunsten des Selbstbestimmungsrechts des Patienten auf. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: "Zwar folgt aus dem Grundsatz der Therapiefreiheit das Recht des Behandelnden, die konkrete Methode zur Behandlung nach pflichtgemäßem Ermessen frei zu wählen. Er ist insoweit nur an die jeweils geltenden fachlichen Standards (...) gebunden. Gleichwohl gebietet das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, diesem als Subjekt der Behandlung die Wahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Alternativen zu überlassen (...) ."
Folgendes erscheint an dieser Stelle klarstellungsbedürftig: Der Patient soll durch die Aufklärung in die Lage versetzt werden, für sich eine Wahl zwischen mehreren Behandlungsalternativen zu treffen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Arzt alle Behandlungsalternativen auch anbieten muss. Ggf. kann er das auch gar nicht, weil er z.B. nicht über die hierfür erforderlichen Geräte oder Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt. Der Patient muss dann entscheiden, ob er die vom Arzt angebotene Methode wählt, oder ob er sich einen anderen Arzt sucht, der die betreffende Behandlungsalternative anbietet. Nicht erlaubt wäre insofern allerdings die Beschränkung des Angebotes der Behandlungsalternative auf bestimmte Patientengruppen, z.B. auf Privatpatienten. Wenn der Arzt eine Behandlungsalternative in seiner Praxis anbietet, die im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten ist, dann muss er sie jedenfalls auch dem gesetzlich versicherten Patienten anbieten und zwar als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht etwa als Selbstzahlerleistung.
Delegation der Aufklärung
Auch weiterhin gilt, dass derjenige, der den Eingriff durchführt nicht unbedingt derjenige sein muss, der die für die Einwilligung erforderliche Aufklärung vornimmt. § 630e Absatz 2 ordnet an, dass die Aufklärung durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen muss, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt. Es entspricht bisheriger Rechtsprechung, dass die Aufklärung über ärztliche Maßnahmen nicht zwingend durch denjenigen Arzt zu erfolgen hat, der die Maßnahme durchführt sondern an einen anderen Arzt delegiert werden kann. Bemerkenswert an dieser Vorschrift ist die Verwendung des Begriffs der hierfür notwendigen "Ausbildung" derjenigen Person, die die Aufklärung vornimmt. Diese muss nach ihrer "Ausbildung" dazu befähigt sein, den Eingriff selber vorzunehmen. Der Begriff der "Ausbildung" hat erst unmittelbar vor der Abstimmung im Bundestag Eingang in die Norm gefunden. Im Regierungsentwurf hieß es an dieser Stelle noch "Befähigung". Der Gesundheitsausschuss begründet diese Änderung wie folgt: "Die Formulierung "Ausbildung" soll klarstellen, dass die Aufklärung auch durch eine Person erfolgen darf, die aufgrund ihrer abgeschlossenen fachlichen Ausbildung die notwendige theoretische Befähigung zur Durchführung der vorgesehenen Maßnahme erworben hat, auch wenn sie möglicher Weise noch nicht das Maß an praktischer Erfahrung aufweist, das für die eigenständige Durchführung der Maßnahme selbst unverzichtbar ist. Durch die geforderte "Ausbildung ist weiterhin sichergestellt, dass die Person über die nötigen Kenntnisse verfügt, um den Patienten umfassend über sämtliche für die Durchführung der Maßnahme wesentliche Umstände aufzuklären. Die Regelung entspricht den Anforderungen aus der bisherigen Praxis und trägt insbesondere den Bedürfnissen des Krankenhausalltags Rechnung, um eine gute medizinische Aufklärung und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit dem vorhandenen ärztlichen Personal zu gewährleisten."
Dies bedeutet: Die Aufklärung darf z.B. an einen Arzt oder eine Ärztin in Weiterbildung delegiert werden, der / die zwar bereits über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, die / der jedoch den Eingriff (noch) nicht eigenständig, d.h. ohne Aufsicht des zur Weiterbildung befugten Arztes durchführen darf.
Nicht gemeint hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang die Delegation der Aufklärung an nichtärztliches (Fach-) Personal. Hiervon wäre auch dringend abzuraten. Auch wenn die Durchführung einer bestimmten Maßnahme oder eines Teils einer bestimmten Maßnahme an nichtärztliches Personal delegiert werden darf, bleibt es in der Regel eine vom Arzt persönlich zu überwachende Maßnahme, die dem verantwortlichen Arzt auch voll zugerechnet wird. Die Aufklärung über diese ärztliche Maßnahme muss daher auch durch den Arzt persönlich erfolgen. Nur in den Fällen, in denen eine echte Delegation an einen dann voll verantwortlichen nichtärztlichen Leistungserbringer erfolgt, wird dieser die Aufklärung vornehmen können. Es handelt sich dann auch nicht mehr um eine ärztliche Maßnahme. Auch aus haftungsrechtlichen Gründen muss davon abgeraten werden, die Aufklärung über ärztliche Maßnahmen nichtärztlichem Fach-Personal zu übertragen.
Aushändigung von Aufklärungsbögen und Einwilligungserklärungen
Neu und über die bisherige Rechtsprechung hinausgehend ist die in § 630e Absatz 2 geregelte Verpflichtung, dem Patienten Abschriften derjenigen Unterlagen auszuhändigen, die dieser mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat:
"Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen."
Information des einwilligungsunfähigen Patienten
Um der aktuellen Rechtsprechung über die Rechte psychisch Kranker bei der Frage der Durchführung bestimmter ärztlicher Maßnahmen gegen ihren Willen Rechnung zu tragen, ist in letzter Minute des Gesetzgebungsverfahrens noch ein Absatz 5 an § 630e angefügt worden. Nach diesem sind auch dem einwilligungsunfähigen Patienten entsprechend seinem Verständnis die wesentlichen Umstände bezüglich des ärztlichen Eingriffs zu erläutern. Dies, soweit der Patient aufgrund seines Entwicklungsstandes und seiner Verständigungsmöglichkeit in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwider läuft. Diese Informationspflicht ist zu unterscheiden von der Aufklärung als Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme. Die Eingriffs- und Risikoaufklärung muss im Fall der Einwilligungsunfähigkeit des Patienten weiterhin gegenüber dem zur Einwilligung Berechtigten erfolgen. Diese Information des Patienten ist also neben der Aufklärung des zur Einwilligung Berechtigten erforderlich.
Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung
Erheblich verschärft hat der Gesetzgeber die Pflichten im Zusammenhang mit der Behandlungsdokumentation. So heißt es in § 630f Absatz 1 Satz 1:
"Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen."
Neu ist die Verpflichtung, die Patientenakte "in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang" mit der Behandlung zu führen. In der Gesetzesbegründung ist insofern von einer Fortentwicklung der bisherigen gerichtlichen Spruchpraxis die Rede. Welcher zeitliche Abstand zur Maßnahme noch als unmittelbar angesehen werden kann, ist indes unklar. Die Gesetzesbegründung gibt darüber keine Auskunft. Ziel dieser Vorschrift ist nach deren Begründung die "Vermeidung von Unrichtigkeiten". Ob dabei neben objektiven Annahmen auch z. B. die subjektive Merkfähigkeit des dokumentierenden Arztes Berücksichtigung finden wird, darf bezweifelt werden. Wer bis zur weiteren (gerichtlichen) Klärung dieses neuen unbestimmten Rechtsbegriffs ganz sicher gehen will, orientiert sich am besten an dem an anderer Stelle im BGB legal definierten engeren Begriff der Unverzüglichkeit. Darunter ist entsprechend § 121 BGB eine Erledigung "ohne schuldhaftes Zögern" zu verstehen. Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit in vielen Einzelentscheidungen unter Berücksichtigung der jeweiligen objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls den betroffenen Personen Zeitspannen von 2 bis 14 Tagen zugebilligt. Unabhängig davon ist die Dokumentation bei medizinischer Notwendigkeit innerhalb der insofern erforderlichen Zeit zu erstellen. Die Dokumentation muss also auch früher erstellt werden, wenn sie z.B. für eine erforderliche Weiterbehandlung des Patienten durch einen anderen Arzt oder eine ärztliche Einrichtung benötigt wird. So heißt es auch in der von der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin am 26. September 2012 beschlossenen und sich im Genehmigungsverfahren befindenden, d. h. derzeit noch nicht in Kraft getretenen, Fassung der Berufsordnung in § 7 Absatz 5 wie folgt:
"Bei der Überweisung von Patientinnen und Patienten an Kolleginnen oder Kollegen oder ärztlich geleitete Einrichtungen haben Ärztinnen und Ärzte rechtzeitig die erhobenen Befunde zu übermitteln und über die bisherige Behandlung zu informieren, soweit das Einverständnis der Patientinnen und Patienten vorliegt oder anzunehmen ist. Dies gilt insbesondere bei der Krankenhauseinweisung und -entlassung. Originalunterlagen sind zurückzugeben."
Diese berufsrechtliche Vorschrift bedingt die rechtzeitige Erstellung der Dokumentation. Sie entspricht bisheriger Rechtsprechung.
Berichtigungen und Änderungen müssen in der Dokumentation erkennbar sein!
Neu ist außerdem die Verpflichtung, bei Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte den ursprünglichen Inhalt erkennbar zu lassen sowie den Zeitpunkt der Berichtigung und Änderung erkennbar zu machen. In § 630f Absatz 1 Satz 2 heißt es:
"Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen."
Ziel dieser Regelung ist laut Gesetzesbegründung, "eine fälschungssichere Organisation der Dokumentation in Anlehnung an die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, wie sie bereits im Handelsgesetzbuch sowie in der Abgabenordnung geregelt sind, sicherzustellen". Dass die Patientendokumentation nach ihrer gewachsenen Tradition und gemäß der Berufsordnung für Ärzte (§ 10 Absatz 1 Satz 2 BO) zunächst als Gedächtnisstütze des Arztes und daneben auch dem Interesse des Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation dient und dass der Arzt keine Waschmaschinen verkauft, findet in der Begründung keine Erwähnung. Nach der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin besteht die Verpflichtung, für die Dokumentation auf elektronischen Datenträgern oder anderen Speichermedien besondere Sicherungs- und Schutzmaßnahmen vorzusehen, um deren Veränderung, Vernichtung oder unrechtmäßige Verwendung zu verhindern. Eine Verpflichtung, nachträgliche Änderungen zu protokollieren und erkennbar zu machen, bestand bisher nicht. Diese Anforderungen gelten nach der neuen Regelung im BGB nunmehr für jegliche Art der Dokumentation, d. h. für die Papierakte genau so wie für die elektronische Patientenakte.
Bei Verstößen gegen diese vertraglichen Pflichten bei der Patientendokumentation droht der Verlust des Beweiswertes der Eintragungen, mit den damit verbundenen beweisrechtlichen Nachteilen bei einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung, z. B. im Behandlungsfehlerfall. Es ist daher dringend zu empfehlen, die Praxissoftware daraufhin zu prüfen, ob sie die vom Gesetzgeber geforderten Anforderungen erfüllt. Im Zweifel sollte hierzu Kontakt zum Hersteller aufgenommen werden.
Auch der in § 630f Absatz 2 geregelte Umfang der dokumentationspflichtigen Inhalte geht über das bisher von der Rechtsprechung verlangte hinaus. So müssen "sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse" aufgezeichnet werden, insbesondere
"die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen".
Nach bisheriger Rechtslage bestand keine Verpflichtung, Einwilligungen und Aufklärungen in der Patientenakte zu dokumentieren. Zur Vermeidung von Streitigkeiten und zu Beweiszwecken ist jedoch auch schon in der Vergangenheit dazu geraten worden, diese Inhalte in die Behandlungsdokumentation aufzunehmen. Mit den Vorgaben in der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin korrespondierend heißt es zur Dauer der Aufbewahrung in § 630f Absatz 3 wie folgt:
"Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen."
Einsichtnahme in Behandlungsunterlagen
In der aktuellen Berufsordnung der Ärztekammer Berlin heißt es zum Einsichtsrecht in die Behandlungsunterlagen (§ 10 Absatz 2 BO):
"Ärztinnen und Ärzte haben Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen grundsätzlich in die sie betreffenden Krankenunterlagen Einsicht zu gewähren. Auf Verlangen sind Kopien der Unterlagen gegen Erstattung der Kosten herauszugeben. Die Einsichtnahme kann verwehrt werden, soweit dies aus therapeutischen Gründen oder zum Schutz der Rechte der Ärztin, des Arztes oder Dritter erforderlich ist."
Im BGB findet sich hinsichtlich des Einsichtsrechts folgende im Wortlaut hiervon abweichende zivilrechtliche Vorschrift (§ 630g Absatz 1):
"Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. § 811 ist entsprechend anzuwenden."
Diese zivilrechtliche Vorschrift regelt das Recht des Patienten auf Einsicht in das Original seiner Patientenakte. Dem Begehren des Patienten ist "unverzüglich", d.h. ohne schuldhaftes Zögern zu entsprechen. Die bisherige Rechtsprechung hat, je nach Fallgestaltung, unter "unverzüglich" Fristen zwischen drei und 14 Tagen für angemessen gehalten. Im Falle des Einsichtsrechts wird es maßgeblich darauf ankommen, für welche Zwecke die Einsichtnahme benötigt wird. Zwar braucht der Patient keinen Grund für die Geltendmachung seines Einsichtsrechts zu nennen, benötigt er Abschriften der Patientenakte jedoch, z.B. für eine zeitnah erforderliche Weiterbehandlung oder Zweitmeinung, wird die Frist dem entsprechend anzupassen sein.
Therapeutischer Vorbehalt
Das Einsichtsrecht ist zu versagen, wenn therapeutische Gründe dagegen sprechen, d.h. wenn zu befürchten ist, dass der Patient durch die Einsichtnahme erheblichen gesundheitlichen Schaden nehmen kann. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang an die Möglichkeit einer Selbstschädigung zu denken. Erforderlich wäre in einem solchen Fall eine sorgsame Abwägung aller für den Einzelfall relevanten Umstände. Als Ergebnis kann auch die Gewährung eines partiellen Einsichtsrechts geboten sein, z.B. die Einsichtnahme unter Anwesenheit Dritter oder unter ärztlicher Begleitung.
Persönlichkeitsrechte Dritter und des Arztes
Anders als in der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin findet sich in der Vorschrift im BGB keine ausdrückliche Erwähnung der dem Einsichtsrecht des Patienten entgegenstehenden Rechte des Arztes. Der Arzt ist nicht "Dritter" im Behandlungsverhältnis und daher sind seine Rechte vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst. Die Gesetzesbegründung sieht ein begründetes Interesse des Arztes an der Nichtoffenbarung "im Regelfall" als "nicht gegeben" an. Auch hier käme es jedoch auf die Umstände des Einzelfalls an, heißt es dort weiter. Nach früherer Rechtsprechung können dem Einsichtsrecht der Patienten auch die Persönlichkeitsrechte des Arztes entgegenstehen. Insbesondere im Bereich der Psychiatrie und der Psychotherapie kann es erforderlich werden, z.B. eigene, ggf. problematische, emotionale Reaktionen auf den Patienten oder auf das Therapiegespräch festzuhalten, um diese etwa im Nachhinein zu reflektieren oder in einer Supervision aufzuarbeiten. Soweit es sich hierbei um persönliche, den Arzt in Bezug nehmende Informationen handelt, die dieser von vorn herein ausschließlich zu seiner eigenen Erinnerung aufgezeichnet hat, unterliegen diese Informationen nicht dem Einsichtsrecht des Patienten. Insofern ist der Wortlaut der Vorschrift im BGB als Regel anzusehen, von der im Einzelfall begründete und eng begrenzte Ausnahmen gemacht werden können. Im Einzelfall wird bezüglich solcher persönlichen Aufzeichnungen des Arztes eine Abwägung zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Patienten und dem Persönlichkeitsrecht des Arztes vorgenommen werden müssen.
Erhebliche Rechte Dritter, die dem Einsichtsrecht entgegenstehen können, können z.B. die Rechte von Eltern minderjähriger Patienten oder von mitbehandelnden Kollegen darstellen. Aufzeichnungen, die diese Personen in Bezug nehmen, können und müssen ggf. sogar vom Einsichtsrecht ausgenommen werden, sofern eine Offenbarung deren Persönlichkeitsrechte oder deren Anspruch auf Geheimhaltung verletzen würde. Insofern ist im Einzelfall eine Abwägung der bestehenden unterschiedlichen Rechtspositionen und Interessen vorzunehmen.
Vorsicht Kostenfalle: Begründungspflicht bei Ablehnung der Einsichtnahme
In der Vorschrift im BGB findet sich zudem eine ausdrückliche Verpflichtung, die Ablehnung einer Einsichtnahme gegenüber dem Patienten zu begründen. Dass diese Verpflichtung ausdrücklich im Gesetz geregelt ist führt dazu, dass bei fehlender Mitteilung der Begründung im Verzugsfall die Kosten für eine rechtsanwaltliche und ggf. klageweise Geltendmachung vom Arzt zu tragen wären. Die Begründung für die Verweigerung einer Einsichtnahme sollte daher zur Vermeidung nachteiliger Kostenfolgen zeitnah nach der Geltendmachung des Einsichtsrechts und immer schriftlich erfolgen.
Einsichtnahme am Erfüllungsort
Der Bezug in Absatz 1 Satz 2 auf die Vorschrift des § 811 BGB bedeutet, dass die Einsichtnahme an dem Ort zu gewähren ist, an dem sich die Behandlungsdokumentation vertragsgemäß befindet. Das ist in der Regel die betreffende Arztpraxis, das MVZ oder das Krankenhaus. Die Gewährung des Einsichtsrechts an einem anderen Ort kann der Patient nur im Falle eines wichtigen Grundes verlangen.
Elektronische Abschriften der Patientenakte und Kostentragung
In § 630g Absatz 2 ist Folgendes geregelt:
"Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten."
Diese Norm ist auf Anhieb nicht ohne Weiteres zu verstehen. Besonderes Augenmerk verdient hier das Wörtchen "auch". Der Blick in die Gesetzesbegründung bestätigt, dass der Gesetzgeber mit Absatz zwei nicht nur das Recht auf "elektronische" Abschriften der Patientenakte regeln wollte. Nach der Gesetzesbegründung gibt diese Vorschrift dem Patienten das Recht, Abschriften von der Patientenakte zu verlangen und zwar sowohl von den in Textform erstellten sowie von den elektronischen Dokumenten. Verlangt werden können Kopien der Dokumente in Textform sowie maschinenlesbare Datenkopien oder Dateien von in elektronischer Form bestehenden Aufzeichnungen. Die Kosten hierfür hat der Patient zu tragen. In Anlehnung an das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) können pro einfache Fotokopie 0,50 Euro, ab der 50. Kopie 0,15 Euro je Kopie, vom Patienten verlangt werden. Für aufwändigere Abschriften, z.B. in Form der Kopie einer Röntgenaufnahme, eines MRT-Bildes oder eines Videofilms, können die angemessenen und tatsächlich nachgewiesenen Kosten verlangt werden.
Einsichtsrecht nach dem Tod des Patienten - Postmortale Schweigepflicht
Die frühere zur sog. "postmortalen Schweigepflicht", d.h. zum Einsichtsrecht nach dem Tod des Patienten bestehende Rechtsprechung ist in § 630g Absatz 3 wie folgt normiert:
"Im Fall des Todes des Patienten stehen die Rechte aus den Absätzen 1 und 2 zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen seinen Erben zu. Gleiches gilt für die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen. Die Rechte sind ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht."
Diese Norm stellt klar: Der Schutz der Patienteninformationen erlischt nicht nach dem Tode des Patienten. Des Weiteren: Das Recht, über die eine Person betreffenden Informationen zu disponieren, ist ein höchstpersönliches Recht, das nur von der betreffenden Person selber wahrgenommen werden kann. Nach dem Tod ist daher eine Entbindung von der Schweigepflicht, etwa durch Erben oder durch Angehörige nicht mehr möglich. Wenn der Patient zu Lebzeiten seinen diesbezüglichen Willen nicht ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten kundgetan hat, dann verbleibt als einziger Maßstab für die Frage der Offenbarung von Patienteninformationen dessen mutmaßlicher Wille. Grundsätzlich kann der Arzt davon ausgehen, dass es dem mutmaßlichen Willen seines verstorbenen Patienten entspricht, einem rechtmäßigen Erben die für die Geltendmachung dessen vermögensrechtlicher Ansprüche erforderlichen Informationen zu erteilen. Das gleiche gilt für Angehörige (z.B. Kinder, Eltern, Ehegatten, Lebenspartner, Geschwister, Enkel), die sog. immaterielle Interessen verfolgen. Zu denken ist hierbei z.B. an Schmerzensgeld für den Verlust des Angehörigen oder auch lediglich die Klärung der Ursachen für dessen Tod. Die Rechtsprechung hat früher bereits die Klärung der Frage, ob ein Behandlungsfehler ursächlich für das Ableben war, als grundsätzlich im Interesse des Verstorbenen und damit seinem mutmaßlichen Willen entsprechend anerkannt. Auch die Aufklärung einer Straftat, d.h. ob der Patient ggf. einer Straftat zum Opfer gefallen ist, soll grundsätzlich dessen mutmaßlichen Willen entsprechen. Gleiches gilt für den Klassiker: Die Klärung der Frage, ob zum Zeitpunkt einer Verfügung von Todes wegen (Testament) Testierfähigkeit beim Erblasser gegeben war. Verfügt der Arzt allerdings über konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Offenbarung der Patienteninformationen nicht dem mutmaßlichen Willen seines verstorbenen Patienten entspricht, dann darf eine Offenbarung auch nicht erfolgen. Auch hinsichtlich des Umfangs der zu offenbarenden Informationen ist in solchen Fällen der mutmaßliche Wille des Verstorbenen maßgeblich.
Beweislastverteilung im Streitfall
Ist dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen, so gilt zunächst die allgemeine vertragsrechtliche Haftungsregelung des § 280 Absatz 1. Übertragen auf das ärztliche Behandlungsverhältnis heißt es dort: Begeht der Arzt einen Behandlungsfehler, so kann der Patient Ersatz des durch den Behandlungsfehler entstandenen Schadens verlangen. Grundsätzlich gilt im Zivilrecht der allgemeine Grundsatz, dass derjenige, der etwas von einem anderen verlangt, die hierfür erforderlichen Voraussetzungen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen hat. Will der Patient also einen Anspruch aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers geltend machen, so hat er grundsätzlich den Kunstfehler, die eingetretene Gesundheitsverletzung sowie den eingetretenen Schaden darzulegen und zu beweisen. Des Weiteren hat er den Nachweis über die Kausalität zwischen Fehler und Gesundheitsverletzung (sog. haftungsbegründende Kausalität) und zwischen Gesundheitsverletzung und Schaden (sog. haftungsausfüllende Kausalität) zu führen. Außerdem muss dem Arzt oder einer Hilfsperson grundsätzlich entweder Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorzuwerfen sein, was bei einem objektiv festgestellten Behandlungsfehler zunächst widerlegbar vermutet wird (§ 280 Absatz 1 Satz 2). Neben dieser allgemeinen, für alle Dienstverträge geltenden Beweiserleichterungsregel, regelt § 630h weitergehende Beweiserleichterungsregelungen speziell für den medizinischen Behandlungsvertrag. Der Gesetzgeber hat sich dabei an bereits in der Vergangenheit von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen orientiert. Diese sollen im Folgenden in ihren Grundzügen erklärt werden. Da die Regelungen des § 630h eine ganze Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen enthalten, wird die Rechtsprechung auch weiterhin einen wesentlichen Beitrag zur Ausfüllung des Arzthaftungsrechts leisten müssen.
Beweislast beim "voll beherrschbaren Risiko"
In der Vorschrift des § 630h Absatz 1 normiert der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung geprägte Fallgruppe des sog. voll beherrschbaren Risikos:
"Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat."
Während nach der allgemeinen Regelung des § 280 Absatz 1 Satz 2 bei Vorliegen eines Fehlers alleine das Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) vermutet wird, wird bei der Fallgruppe des vollbeherrschbaren Risikos nach § 630h Absatz 1 die Frage der Pflichtverletzung, d.h. das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, widerlegbar vermutet. Ein sog. vollbeherrschbares Risiko ist dann anzunehmen, wenn die Verletzung des Körpers oder des Lebens des Patienten aus einer Gefahr resultiert, die dem sog. Herrschafts- und Organisationsbereich des Arztes zuzuordnen ist. Es geht bei dieser Fallgruppe um Risiken, die der Arzt in einem bestimmten Bereich objektiv voll beherrschen kann. Das betrifft z.B. die spezifischen Risiken, die durch die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen, z.B. beim Einsatz medizinisch-technischer Geräte, ausgeschlossen werden können. Das Gleiche gilt für die Einhaltung der Hygienestandards oder die ordnungsgemäße Koordinierung und Organisation der Behandlungsabläufe. Weil der Patient in der Regel weder Einblick noch Einfluss in und auf diese Bereiche hat und weil bei Einhaltung aller Regeln davon ausgegangen wird, dass die Verwirklichung des jeweils spezifischen Risikos ausgeschlossen ist, soll in diesen Fällen der Arzt nachweisen müssen, dass ihm keine Pflichtverletzung, d.h. kein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Die Nachweispflicht dafür, dass sich überhaupt ein sog. vollbeherrschbares Risiko verwirklicht hat, liegt allerdings weiterhin beim Patienten. Auch wenn weitere Ursachen für die Verletzung des Lebens oder des Körpers des Patienten verantwortlich sein können, die dem Arzt quasi die volle Beherrschbarkeit entziehen, z.B. bestimmte Dispositionen des Patienten, bleibt es bei der Grundregel, d.h. bei der vollen Beweislast für den Patienten.
Beweispflicht für ordnungsgemäße Aufklärung und Einwilligung
§ 630h Absatz 2 Satz 1 regelt eine Abweichung von der Grundregel insofern, als dass nach dieser Vorschrift der Arzt die Beweislast dafür trägt, dass der Patient in die Behandlung eingewilligt hat und dass die hierfür erforderliche Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist:
"Der Behandelnde hat zu beweisen, dass er eine Einwilligung gemäß § 630d eingeholt und entsprechend den Anforderungen des § 630e aufgeklärt hat."
In den Fällen, in denen eine Behandlung mehrere unterschiedliche wesentliche Risiken birgt, muss über alle diese Risiken aufgeklärt werden. Kann der Arzt die ordnungsgemäße Aufklärung nicht vollständig nachweisen, hat er z.B. über ein wesentliches Risiko nicht aufgeklärt und verwirklicht sich jedoch eines der Risiken, über die der Patient vollständig aufgeklärt worden ist, dann kann sich der Patient nicht auf eine fehlerhafte Aufklärung berufen. Es kommt in diesen Fällen darauf an, ob ein bestimmter Aufklärungsfehler auch ursächlich für die Verwirklichung des aufklärungspflichtigen und sich verwirklichten Risikos gewesen ist. Der Blick ist insofern immer auf den Schutzzweck der Aufklärungspflicht gerichtet.
Beweislast bei unzureichender Aufklärung
Die Vorschrift des § 630h Absatz 2 Satz 2 regelt bei unzureichender Aufklärung durch den Arzt den Fall der sog. hypothetischen Einwilligung:
"Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630e, kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte."
Geregelt wird hier der Fall, in dem der Arzt über ein aufklärungspflichtiges Risiko, welches sich auch verwirklicht hat, nicht oder unzureichend aufgeklärt hat. Wenn der Arzt in einer solchen Situation das Gericht davon überzeugen kann, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte, dann führt dieser Aufklärungsmangel nicht zur Haftung des Arztes. Hätte nämlich der Patient trotz mangelhafter oder fehlender Aufklärung in die Behandlung eingewilligt, wäre die fehlerhafte Aufklärung nicht ursächlich für den eingetretenen Schaden geworden und soll daher auch nicht zulasten des Arztes bewertet werden. Eine solche Hypothese wird z.B. in den Fällen einer lebensrettenden Operation gestellt. Eine solche Operation würde ein vernünftiger Mensch in der Regel auch in Kenntnis der bestehenden Risiken durchführen lassen. Der konkret betroffene Patient kann der sog. hypothetischen Einwilligung jedoch mit der plausiblen Behauptung entgegentreten, er hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem ernsthaften Entscheidungskonflikt über die Durchführung der Behandlung befunden. Gelingt dem Patienten die Darlegung eines ernsthaften Entscheidungskonfliktes, würde von einer unwirksamen Einwilligung und in deren Folge von einer Schadensersatzpflicht des Arztes dem Grunde nach ausgegangen werden.
Beweislast bei unzureichender Behandlungsdokumentation
Die Vorschrift des § 630h Absatz 3 macht die Notwendigkeit einer sorgfältig geführten Behandlungsdokumentation deutlich:
"Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Absatz 1 oder Absatz 2 nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte entgegen § 630f Absatz 3 nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat."
In dem Fall, dass eine bestimmte ärztliche Maßnahme nicht dokumentiert ist, wird der Arzt im Schadensfall beweisrechtlich so gestellt, als ob die Maßnahme nicht durchgeführt worden ist. Dies gilt bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfristen für die betreffenden Behandlungsunterlagen. Es liegt in einer solchen Situation dann an ihm, die tatsächlich erfolgte Durchführung der Maßnahme zu beweisen. Im Wesentlichen wird diese Beweislastregel relevant bei dokumentationspflichtigen Befunden sowie bei sog. Anfängerbehandlungen, die lückenlos zu dokumentieren sind. Eine unterlassene Dokumentation steht im Schadensfall einer vernichteten Patientenakte gleich. Der Arzt muss dann beweisen, dass er einen bestimmten Befund tatsächlich erhoben hat oder dass ein Berufsanfänger tatsächlich die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen ergriffen hat. Diese Beweise sind in den meisten Fällen kaum zu führen, so dass dringend, auch im eigenen Interesse, zu einer sorgfältigen Behandlungsdokumentation zu raten ist.
Beweislast beim Anfängerfehler
Nach der Vorschrift des § 630h Absatz 4 greift im Falle des sog. Anfängerfehlers eine weitere Beweislastregel:
"War ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt, wird vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war."
Diese Vorschrift trägt der Annahme Rechnung, dass allein die Übertragung von Tätigkeiten an einen hierfür unzureichend qualifizierten Arzt nicht dem im Behandlungsverhältnis geschuldeten Behandlungsstandard entspricht. Relevant wird diese Regelung vor allem bei Berufsanfängern oder bei Weiterbildungsassistenten. Steht die unzureichende Qualifikation des Arztes fest, muss der Vertragspartner des Patienten im Streitfall darlegen und beweisen, dass die unzureichende Befähigung, Übung oder Erfahrung des Behandelnden nicht ursächlich für die Verletzung des Patienten war. Die Beweislast für den ärztlichen Fehler und für den eingetretenen Schaden verbleibt bei dieser Fallgruppe beim Patienten.
Beweislast beim groben Behandlungsfehler
Die Vorschrift des § 630h Absatz 5 Satz 1 regelt die Beweislastverteilung bei einem festgestellten sog. groben Behandlungsfehler:
"Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war."
Grundsätzlich hat der Patient im Schadensfall sowohl die Tatsache zu beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dass dieser Fehler auch ursächlich für die entstandene Verletzung der Gesundheit oder des Lebens geworden ist. Die Kausalität zwischen Fehler und eingetretener Gesundheitsschädigung ist jedoch häufig, z.B. bei Multimorbidität, kaum nachweisbar, da in solchen Fällen auch andere Ursachen für die Gesundheitsschädigung in Frage kommen. Liegt indes ein grober Behandlungsfehler vor, ist der Patient von dieser Beweislast befreit, denn die Kausalität wird dann vermutet. Dass der Fehler "grob§ war, ist allerdings vom Patienten zu beweisen.
Der betroffene Arzt muss im Falle eines festgestellten groben Behandlungsfehlers beweisen, dass dieser nicht kausal war für die Rechtsgutsverletzung oder dass der Gesundheitsschaden auch bei regelrechter Behandlung eingetreten wäre. Eine sehr schwierige Beweisführung, die ebenfalls häufig nicht gelingt. Der Ausgang einer zivilrechtlichen Streitigkeit ist bei unsicherer Kausalität zwischen Fehler und Rechtsgutsverletzung fast vollständig abhängig von der Beweislastverteilung. Daher kommt der Frage, ob es sich "nur" um einen einfachen Fehler handelt oder ob ein sog. grober Behandlungsfehler vorliegt, häufig eine entscheidende Bedeutung zu. Ein Fehler gilt als grob, wenn der Arzt gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen verstoßen hat und ihm dies schlechterdings nicht unterlaufen darf. Dies ist immer eine Frage des Einzelfalls. Unter bestimmten Umständen können auch sog. fundamentale Diagnosefehler oder sog. grobe Befunderhebungs- oder Befundsicherungsfehler dieselben beweisrechtlichen Folgen haben wie der grobe Behandlungsfehler.
Beweislast beim Befunderhebungsmangel
Die Regelung des § 630h Absatz 5 Satz 2 regelt den Fall, dass ein einfacher Befunderhebungs- oder Befundsicherungsfehler vorliegt und anzunehmen ist, dass sich bei der gebotenen Abklärung der Krankheitssymptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass eine Verkennung oder eine Nichterkennung als grob fehlerhaft zu werten gewesen wäre:
"...Dies gilt auch dann, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre."
Die Vermutung der Ursächlichkeit zwischen dem Befunderhebungs- oder Befundsicherungsmangel und der Rechtsgutsverletzung kann vom Arzt widerlegt werden. Dieser müsste darlegen, dass aufgrund weiterer Umstände davon auszugehen ist, dass sich das durch die fehlende Befunderhebung gesetzte Risiko gar nicht verwirklicht hat. Davon kann z.B. in den Fällen auszugehen sein, in denen der Patient selber durch eigenes Verhalten den Heilerfolg behindert oder vereitelt hat.
III. Regelungen in der Bundesärzteordnung (BÄO)
Buchstäblich in "allerletzter Minute" ist eine Änderung der Bundesärzteordnung (BÄO) in das Patientenrechtegesetz aufgenommen worden. Die in der BÄO vorhandenen Regelungen zur ärztlichen Approbation sind um einen weiteren Ruhenstatbestand erweitert worden, d.h. um einen weiteren Sachverhalt, aufgrund dessen die zuständige Approbationsbehörde das Ruhen der ärztlichen Approbation anordnen kann.
Fehlende Berufshaftpflichtversicherung kann zum Ruhen der Approbation führen
Nach § 6 Absatz 1 BÄO kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden,
"...wenn sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht."
Die Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung besteht nach der Regelung des § 21 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin. Diese lautet wie folgt:
"Der Arzt ist verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zu versichern."
Nach der neuen Regelung in der BÄO kann das Ruhen der Approbation nicht nur im Fall einer nicht vorhandenen sondern auch für den Fall einer bestehenden jedoch nicht ausreichenden Haftpflichtversicherung angeordnet werden. Für die Anordnung des Ruhens der Approbation ist in Berlin das Landesamt für Gesundheit und Soziales zuständig. Es ist damit zu rechnen, dass den Landesärztekammern in Zukunft die Aufgabe übertragen wird, den Versicherungsstatus ihrer Mitglieder zu prüfen und ihnen vorliegende Kenntnisse über eine fehlende oder unzureichende Berufshaftpflichtversicherung an die Approbationsbehörden zu melden. Geplant sind außerdem Regelungen, wonach die Haftpflichtversicherer die Landesärztekammern über den bestehenden oder einen geänderten Haftpflichtversicherungsstatus ihres ärztlichen Kunden informieren müssen. Hierzu müssten die Heilberufe- und Kammergesetze um eine Norm ergänzt werden, nach der die Kammern die hierfür zuständigen Stellen gemäß § 117 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sind.
IV. Regelungen im Sozialgesetzbuch V (SGB V)
Im Folgenden soll nur auf diejenigen Änderungen im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) eingegangen werden, die sich direkt auf die ärztliche Berufsausübung auswirken können.
Krankenkassen müssen Leistungsanträge innerhalb von drei Wochen bescheiden
Die neue Vorschrift des § 13 Absatz 3a SGB V betrifft auf den ersten Blick nur die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sowie den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Beim genaueren Hinsehen wird jedoch deutlich, dass hier eine Vorschrift geschaffen worden ist, die auch die ärztliche Berufsausübung erheblich tangiert. Zukünftig haben die gesetzlichen Krankenkassen über einen Antrag auf Leistungen spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Der MDK hat innerhalb von drei Wochen gegenüber der Krankenkasse Stellung zu nehmen.
Kann die Krankenkasse die vorgesehenen Fristen nicht einhalten, muss sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mitteilen. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Die Fünfwochenfrist soll nach der Gesetzesbegründung auch dann von den Krankenkassen einzuhalten sein, wenn der MDK die für diesen geltende Dreiwochenfrist überschreitet. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.
Sieben Tage Frist für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte
Der MDK Berlin-Brandenburg hat Ende 2012 bereits verlautbart, dass man angesichts der sehr kurz bemessenen Fristen zukünftig die niedergelassenen Ärzte bitten wird, dem MDK innerhalb von sieben Tagen die erforderlichen Unterlagen zuzusenden. Dies wird sicherlich insbesondere dann eine nicht unerhebliche Herausforderung für die betroffenen Praxen werden, wenn zusätzlich zu den Unterlagen auch Befundberichte zu übermitteln sind. Welche Konsequenzen sich bei Nichteinhaltung der Frist für die betroffenen Arztpraxen ergeben können, ist derzeit unklar. Besondere Brisanz erfährt diese Frage, wenn die Genehmigungsfiktion der Vorschrift infolge einer zu späten Übersendung angeforderter ärztlicher Unterlagen eintritt und sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Anspruch des Antragstellers nicht bestanden hätte. Ob die Krankenkassen dazu übergehen werden, zur Vermeidung der Genehmigungsfiktion lieber mal einen Antrag abzulehnen, um im Rahmen des Widerspruchsverfahrens die nötige Zeit für weitere Untersuchungen oder Nachforschungen zu erhalten, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren. Zur Vermeidung von Nachteilen ist dringend dazu zu raten, den anfordernden MDK unverzüglich zu informieren, sofern die Wochenfrist nicht eingehalten werden kann. Dies sollte zudem plausibel begründet werden.
Krankenkassen "sollen" bei Behandlungsfehlern unterstützen
In der Vorschrift des § 66 SGB V wird nur ein einziges Wort geändert: Das Wörtchen "können2 wird durch das Wörtchen "sollen" ersetzt. Mit weitreichenden Folgen. Bisher war es mit dem "können" den Krankenkassen und den Pflegekassen freigestellt, ihre Versicherten in Fällen, in denen der Verdacht auf einen Behandlungs- oder Pflegefehler vorliegt, zu unterstützen. Nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung haben die Kassen von dieser Möglichkeit bisher in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht. Zukünftig seien sie grundsätzlich zur Unterstützung verpflichtet, es sei denn, es sprächen besondere Gründe dagegen. Es ist daher damit zu rechnen, dass in weit mehr Fällen als bisher die Kassen dem Verdacht eines Behandlungsfehlers nachgehen werden. Unklar bleibt hierbei weiterhin, mit welchen Mitteln die Krankenkassen die Versicherten "unterstützen" dürfen. Ausdrücklich genannt wird in der Gesetzesbegründung lediglich die Beauftragung des MDK mit der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens. Konsens ist zudem, dass z.B. die Finanzierung eines Schadensersatzprozesses durch die Kassen keine zulässige "Unterstützung" darstellt. Sicher ist auch, dass die Krankenkassen im Rahmen des § 66 SGB V nicht auf eigene Initiative Behandlungsunterlagen oder andere Informationen bei den behandelnden Ärzten anfordern dürfen. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang allerdings, ob die Krankenkassen, wie in der Vergangenheit in Einzelfällen geschehen, die Initiative ergreifen und dem Patienten die Überprüfung einer bestimmten ärztlichen Behandlung vorschlagen oder dies gar verlangen dürfen. Immerhin wäre mit einem solchen Vorgehen ein nicht unerheblicher Eingriff in das Arzt-Patienten-Verhältnis verbunden. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Ärzteschaft, d.h. auch das Vertrauensverhältnis zwischen den einzelnen Ärzten und ihren Patienten, unverzichtbar für die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Krankenkassen die in diese Vertrauensverhältnisse eingreifen, leisten hierzu einen zweifelhaften Beitrag. Die Gesetzesbegründung gibt zu diesen Problemlagen und zur Auslegung des unbestimmten Begriffs "Unterstützung" leider keine Auskunft.
Beschwerdemanagement für Krankenhäuser Pflicht
Nach § 135a Absatz 2 SGB V sind u.a. Vertragsärzte, medizinische Versorgungszentren und Krankenhäuser verpflichtet, sich an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beteiligen, die insbesondere zum Ziel haben, die Ergebnisqualität zu verbessern und einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln. Mit dem Patientenrechtegesetz wird diese Norm ergänzt und geregelt, dass in Krankenhäusern zum einrichtungsinternen Qualitätsmanagement auch die Verpflichtung zur Durchführung eines patientenorientierten Beschwerdemanagements gehört. Die meisten Krankenhäuser in Berlin halten bereits seit längerer Zeit ein Beschwerdemanagement vor, allerdings nicht immer systematisch und transparent. Für Arztpraxen und medizinischen Versorgungszentren bleibt die Einführung eines Beschwerdemanagements freiwillig.
Nach der Gesetzesbegründung gehört zu einem geeigneten Beschwerdemanagement insbesondere, dass Patientinnen und Patienten in geeigneter Form über ihre Beschwerdemöglichkeit vor Ort informiert werden, außerdem eine zügige und transparente Bearbeitung der Beschwerden sowie eine Unterrichtung über das Ergebnis und mögliche Konsequenzen. Bei der Unterrichtung der Patienten über die "möglichen Konsequenzen" sind von den Einrichtungen allerdings die bestehenden Datenschutzregelungen, insbesondere auch die Regelungen zum Schutz der personenbezogenen Daten des betroffenen Arztes, zu beachten. Nach der Gesetzesbegründung haben die Krankenhäuser zudem nach außen und innen transparente Regelungen in Bezug auf die Stellung und die Kompetenzen der mit dem Beschwerdemanagement betrauten Personen (z. B. Patientenfürsprecher, Patientenvertrauenspersonen, Ombudsleute, Qualitätsbeauftragte) zu treffen.
Fehlermeldesysteme werden unterstützt
Die Einführung von sog. Fehlermeldesystemen (z. B. CIRSmedical.de oder "Jeder Fehler zählt") ist für Leistungserbringer nicht verpflichtend. Die Einführung solcher Fehlermeldesysteme wird jedoch durch eine neue Regelung im Krankenausfinanzierungsgesetz unterstützt. Danach sind für die Beteiligung ganzer Krankenhäuser oder wesentlicher Teile der Einrichtungen an einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystemen, sofern diese den Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) entsprechen, Zuschläge zur Vergütung vorzusehen. Die Festlegungen des GBA sollen Kriterien enthalten, die "in besonderem Maße geeignet erscheinen, Risiken und Fehlerquellen in der stationären Versorgung zu erkennen, auszuwerten und zur Vermeidung unerwünschter Ereignisse beizutragen". Konsequent umgesetzt könnte dies die Bereitschaft der Ärzte erhöhen, diese Berichtssysteme auch zu nutzen.
Die Ärztekammer Berlin betreibt mit dem Netzwerk CIRS-Berlin (www.cirs-berlin.de) bereits seit 2008 ein einrichtungsübergreifendes Berichtssystem, an dem derzeit 10 Berliner Krankenhausträger mit insgesamt 19 Standorten beteiligt sind. In diesen Kliniken werden mehr als die Hälfte der Krankenhausbehandlungen in der Stadt durchgeführt.
Daten aus Fehlermeldesystemen geschützt
Außerdem wird dem § 135a SGB V ein Absatz 3 angefügt, der Folgendes vorsieht:
"Meldungen und Daten aus einrichtungsinternen und einrichtungsübergreifenden Risikomanagement und Fehlermeldesystemen nach Absatz 2 in Verbindung mit § 137 Absatz 1d dürfen im Rechtsverkehr nicht zum Nachteil des Meldenden verwendet werden. Dies gilt nicht, soweit die Verwendung zur Verfolgung einer Straftat, die im Höchstmaß mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und auch im Einzelfall besonders schwer wiegt, erforderlich ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre."
Besteht ein Fehlermeldesystem, dürfen sich daraus "im Rechtsverkehr" keine Nachteile, d.h. auch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen für den Meldenden ergeben. In vielen Kliniken geben bereits heute die Leitungen Erklärungen ab, dass sie die Berichtsinhalte nicht für arbeitsrechtliche Belange verwenden.
Auch vor Strafverfolgung wird der Meldende weitgehend geschützt. Die Daten aus dem Fehlermeldesystem dürfen nur zur Verfolgung von solchen Straftaten verwendet werden, die im Höchstmaß mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind und bei denen die Strafverfolgungsbehörden auf die Daten aus dem Fehlermeldesystem angewiesen sind, d.h. wenn keine anderen aussichtsreichen Ermittlungsmöglichkeiten bestehen. Die bei einem Behandlungsfehler in der Regel in Frage kommenden Delikte (Körperverletzung und fahrlässige Tötung) gehören genau so wenig zu dieser Gruppe von Straftaten wie die im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch möglichen Delikte (§§ 218 ff. Strafgesetzbuch). Die Daten aus den Fehlermeldesystemen dürften daher, wenn überhaupt, eher mal bei der Ermittlung von Straftaten Verwendung finden, die außerhalb der medizinischen Einrichtung begangen worden sind. Mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe im Höchstmaß sind z.B. Straftaten wie sexueller Missbrauch von Kindern oder vorsätzliche Tötungsdelikte bedroht. Die Verwendung der Daten aus den Fehlermeldesystemen für die Ermittlung von Straftaten, die durch Patienten oder deren Angehörige begangen worden sind, ist allerdings eine eher theoretische Möglichkeit. Wegen ihrer Eigenart dürften die dort hinterlegten Daten dazu kaum geeignet sein. In der Regel würden die Ermittlungsbehörden im Bedarfsfall daher auf die wesentlich aussagekräftigere Behandlungsdokumentation zurückgreifen. Anders kann der Fall allerdings liegen, sofern Fehlermeldesysteme für sachfremde Zwecke genutzt werden, z.B. um die Straftat eines Krankenhausmitarbeiters offenzulegen, ohne sich als Absender erkennen geben zu müssen. In diesem Fall wären ein Bedarf der Ermittlungsbehörden und die Möglichkeit der Nutzung der Daten für die Strafverfolgung denkbar.
1 Paragraphen ohne weitere Bezeichnung sind solche des BGB
2 Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist an mehreren Stellen in diesem Text auf die Verwendung der männlichen und weiblichen Form verzichtet worden. Die Gender-Grundsätze und die der Antidiskriminierung werden von der Ärztekammer Berlin beachtet.
Hinweis: Sofern Sie berufsrechtlichen Beratungsbedarf hierzu haben, rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail unter berufsrecht@aekb.de
[1]vgl. hierzu auch: Sven Niemeck, Das neue Patientenverfügungsgesetz, BERLINER ÄRZTE 12/09, S. 14-20; Martina Jaklin, Das Patientenverfügungsgesetz aus ärztlicher Perspektive, BERLINER ÄRZTE 12/09, S. 21.