Die Zahl der Behandlungsfehlervorwürfe aus dem Bereich der Ärztekammer Berlin ist 2018 das zweite Mal in Folge gesunken. Im vergangenen Jahr gingen 425 neue Vorwürfe bei der gemeinsamen Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern in Hannover ein (2017: 447 Anträge). Von diesen Anträgen und den noch nicht abschließend entschiedenen Fällen aus den Vorjahren konnten 350 Fälle abschließend bearbeitet werden. In 168 Fällen konnte das Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt werden, weil die Verfahrensvoraussetzungen nicht vorlagen (u. a. Nichtzuständigkeit, fehlende Zustimmung der Antragsgegner, Antragsrücknahme, anhängige Zivil- oder Strafprozesse).
Von den verbliebenen 182 geprüften Fällen wurden 64 mit der Anerkennung eines Behandlungsfehlers abgeschlossen, in 118 Fällen wurde die Anerkennung abgelehnt. Das entspricht einer Anerkennungsquote von 35,16 % (2017: 24,71 %) und bewegt sich damit im Bereich anderer Begutachtungsstatistiken wie der des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.
Berliner Behandlungsfehlerstatistik 2014 - 2018*
2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | |
Bestand aus dem Vorjahr | 457 | 488 | 452 | 471 | 482 |
Neueingänge | 515 | 498 | 503 | 447 | 425 |
Erledigungen | 484 | 534 | 484 | 436 | 350 |
Wegen fehlender Verfahrensvoraussetzungen keine Prüfung möglich | 206 | 239 | 220 | 177 | 168 |
Geprüfte Fälle | 278 | 295 | 264 | 259 | 182 |
Davon begründete Ansprüche | 77 | 86 | 67 | 64 | 64 |
Behandlungsfehlerquote bei den geprüften Fällen | 27,70% | 29,15% | 25,38% | 24,71% | 35,16% |
Kein Nachweis für schuldhaften Behandlungsfehler | 201 | 209 | 197 | 195 | 118 |
*auf Basis der durch die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen untersuchten Fälle.
Die Auswertung der Behandlungsorte (Versorgungsebenen) zeigt, dass die Fälle mit 73,5 % aus dem Klinikbereich (ambulant/stationär, Belegärzte, Rehabilitationseinrichtungen) stammen, während der niedergelassene Bereich (auch Medizinische Versorgungszentren) mit 26,5 % beteiligt war.
Die häufigsten Diagnosen, die 2018 in Berlin zur Anrufung der Schlichtungsstelle führten, waren Unterarmfrakturen, traumatische Kniebinnenschäden, Kox- und Gonarthrosen, Deformitäten der Zehen und Finger, bösartige Neubildungen der Mamma, Appendizitis (akut/unklar) sowie lumbale Bandscheibenschäden.
Im Klinikbereich und im niedergelassenen Bereich sind unterschiedliche Fehlerarten festzustellen:
Fehlerschwerpunkte im niedergelassenen Bereich lagen bei der bildgebenden Diagnostik sowie bei der Überweisung zum Facharzt und Konsil (jeweils 16,1 %), bei der allgemeinen Diagnostik (Labor/Zusatzuntersuchungen 12,9 %), der Indikationsstellung (12,9 %), der Pharmakotherapie (6,5 %) und bei der Durchführung der operativen Therapie (6,5 %). Die am häufigsten beteiligten Fachgebiete im niedergelassenen Bereich waren 2018 die Unfallchirurgie/Orthopädie (26,8 %), die Allgemeinchirurgie (12,5 %), die Frauenheilkunde (8,9 %), die Innere Medizin (7,1 %) sowie die Urologie und die Radiologie (jeweils 5,4 %).
Fehlerschwerpunkte im Klinikbereich lagen bei der bildgebenden Diagnostik (26,3 %), der Durchführung der operativen Therapie (25 %), der allgemeinen Diagnostik (Anamnese/Untersuchung 7,9 % sowie Labor/Zusatzuntersuchungen 3,9 %) sowie bei der Indikationsstellung und der Pharmakotherapie (jeweils 7,9 %). Die am häufigsten beteiligten Fachgebiete im Klinikbereich waren im Berichtsjahr die Unfallchirurgie/Orthopädie (31 %), die Allgemeinchirurgie (10,3 %), die Urologie (5,8 %), die Gefäßchirurgie und die Neurochirurgie (jeweils 5,2 %) sowie die Innere Medizin (4,5 %).
Hintergrund
Behandlungsfehlervorwürfe, die in die Zuständigkeit der Ärztekammer Berlin fallen, können über ein für die Patienten kostenfreies außergerichtliches Schlichtungsverfahren abgeklärt werden. Durchgeführt wird dieses niedrigschwellige Angebot von der gemeinsamen Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern in Hannover. Diese Einrichtung wird von den Ärztekammern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen gemeinsam getragen. Voraussetzung für die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ist zunächst die Zustimmung des betroffenen Patienten, des Haftpflichtversicherers und des betroffenen Arztes oder des Krankenhausträgers. Eine Kommission, die mindestens aus einem ärztlichen und einem juristischen Mitglied besteht, prüft den medizinischen Sachverhalt der beanstandeten Behandlung auf Grundlage beigezogener Krankenunterlagen. Grundsätzlich ist die Einholung eines externen Sachverständigengutachtens vorgesehen. Abgeschlossen wird das Verfahren mit einer Entscheidung, die sowohl das Ergebnis der medizinischen Begutachtung als auch das der juristischen Prüfung einbezieht. Dies unterscheidet das Verfahren der norddeutschen Schlichtungsstelle von anderen Schlichtungsverfahren. In geeigneten Fällen kann ein Regulierungsvorschlag unterbreitet werden. Dem Patienten steht danach noch der Rechtsweg offen, allerdings wird das Ergebnis des Schlichtungsverfahrens in rund 90 Prozent der Fälle von den Beteiligten anerkannt. Verjährungsfristen werden durch das Schlichtungsverfahren nicht beeinflusst.
Vertreter der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen arbeiten aktiv und kontinuierlich in mehreren übergeordneten Gremien zum Thema „Fehlervermeidung und Sicherheitskultur“ in der Medizin mit, zum Beispiel auch in Arbeitsgruppen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit.
Die Pressemitteilung als PDF finden Sie hier.
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