Mit großer Mehrheit hat sich die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin in ihrer Sitzung am 21. Februar dafür ausgesprochen, die Abschaffung der Strafbarkeit einer sachlichen Information über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Arztpraxen und andere ärztliche Einrichtungen zu fordern. Eine Ärztin in Hessen war kürzlich wegen des Verstoßes gegen § 219a Absatz 1 Strafgesetzbuch zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Sie hatte über ihre Internetpräsenz unter anderem die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen als Teil der in ihrer Praxis durchgeführten medizinischen Eingriffe aufgeführt.
Von Sascha Rudat
Die Entschließung war auf Initiative der Fraktion Gesundheit erfolgt, die einen entsprechenden Antrag eingebracht hatte. Damit sich die Delegierten damit beschäftigen konnten, musste zunächst die Tagesordnung geändert werden, wofür die Delegierten einstimmig votierten. Zuvor beschäftigten sie sich aber mit einer Reihe weiterer Punkte. So war die Wahl der 16 Delegierten und ihrer Stellvertreter für den 121. Deutschen Ärztetag im Mai in Erfurt erforderlich. Die Bestätigung der Teilnehmerliste erfolgte einstimmig (s. Tabelle). Im Anschluss folgte ein kurzer Bericht des Ombudsmannes für Weiterbildungsfragen, Johannes Bruns. Wie er berichtete, sei die Zahl der Kammermitglieder, die sich 2017 an ihn gewandt hatten, nach wie vor überschaubar. Die Probleme rund um die Weiterbildung in den etwa zehn Mails, die er erhalten hatte, konnten durch ein persönliches Gespräch weitgehend geklärt werden.
Anschließend befassten sich die Delegierten mit der allgemeinen Entschädigungsregelung der Ärztekammer Berlin. Darin enthalten sind die Entschädigungssätze für die ehrenamtliche Tätigkeit in der Kammer. Bisher war die Ärztekammer Berlin bei der Bemessung der Entschädigungssätze davon ausgegangen, dass die gezahlten Entschädigungen umsatzsteuerfrei seien. Nach einer Änderung des Umsatzsteuerrechtes im vergangenen Jahr wird diese Privilegierung künftig möglicherweise nicht mehr automatisch und lückenlos angewendet werden. Die den Delegierten zur Abstimmung vorgelegte Änderung der Entschädigungsregelung sah vor, dass die Umsatzsteuer von der Kammer erstattet wird, falls diese nachgewiesenermaßen vom ehrenamtlich tätigen Kammermitglied entrichtet werden musste. Die Delegierten verabschiedeten die Änderung einstimmig.
Darüber hinaus stand die Überbetriebliche Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten (MFA) auf der Tagesordnung. So beschlossen die Delegierten ebenfalls einstimmig, die Überbetriebliche Ausbildung der Ärztekammer Berlin für MFA über den 31.01.2019 hinaus fortzuführen. Gleichzeitig wurde der Vorstand beauftragt, die Überbetriebliche Ausbildung zum 01.02.2019 neu auszuschreiben. Nach Aussage von Kammervizepräsidentin Regine Held (Allianz Berliner Ärzte) hat sich die im Jahr 2003 von der Kammer eingeführte Überbetriebliche Ausbildung bewährt. Dabei werden Ausbildungsinhalte gelehrt, die an der Ausbildungsstätte und den berufsbildenden Schulen nicht ausreichend vermittelt werden können.
Im Anschluss befassten sich die Delegierten mit der eingangs genannten Entschließung zu § 219a Absatz 1 StGB. Dazu hatte der Vorstand eine geänderte Variante des Entwurfs der Fraktion Gesundheit vorgelegt. Diese fand allgemeine Zustimmung und wurde ohne weitere Diskussionen bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme verabschiedet (s. Wortlaut im Kasten). Am folgenden Tag wurden zwei Änderungsanträge zu § 219a in erster Lesung im Bundestag behandelt.
Abschließend beschäftigten sich die Delegierten mit dem Arbeitsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zum Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz. Dazu war der Präsident des Bundesverbandes Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (BDPM), Christian Messer, als Gastredner eingeladen. In seinem Vortrag warnte Messer die Delegierten eindringlich vor dem Arbeitsentwurf, der auf Grundlage einer Petition einer Gruppe von 2.221 Psychologischen Psychotherapeuten vom BMG verfasst worden sei. „Der Arbeitsentwurf ist ein Testballon“, erklärte Messer, „es wird dort ein völlig neuer Heilberuf geschaffen.“ Er betonte, dass es nicht um eine Auseinandersetzung zwischen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten gehe, sondern um die Profession Arzt als solche. „Nach diesem Entwurf werden die Hausärzte und die grundversorgenden Fachärzte abgeben müssen. Der Arbeitsentwurf hat ein ganz großes Spaltpotenzial “, warnte Messer, sowohl unter Ärzten wie unter Psychotherapeuten.
Kammerpräsident Günther Jonitz (Marburger Bund) schloss sich der kritischen Einschätzung an. Es gehe bei dem Thema um die Schaffung neuer Heilberufe zu Lasten der Ärzteschaft. Er sprach das strategische Vorgehen nach der Bildung einer neuen Bundesregierung an, einen solchen Gesetzentwurf zu verhindern. In der anschließenden Diskussion gab Julian Veelken (Fraktion Gesundheit) zu bedenken, dass man, wenn man die aus dem Gesetzentwurf resultierende Trennung zwischen Somatik und Psyche zu Ende denke, wieder in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts lande. Zugleich wies er darauf hin, dass die Medikation eine urärztliche Aufgabe sei. Aus Sicht von Dietrich Bodenstein (Hartmannbund) wären eine Trennung von Somatik und Psyche „eine Katastrophe“ und ein Fehlweg für die Patienten. Stefan Skonietzki (Allianz Berliner Ärzte) fand es „hochbedrohlich“, wenn die Attraktivität des Berufes Arztes durch eine Einschränkung seiner Kompetenzen weiter abgegraben würde. Die Delegierten kamen überein, sich in der nächsten Sitzung im April erneut mit dem Thema zu beschäftigen. srd
Als Delegierte bzw. deren Stellvertreter zum 121. Deutschen Ärztetag 2018 in Erfurt wurden von der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin benannt:
Liste | Delegierter | Stellvertreter |
1.) Allianz Berliner Ärzte | Dr. med. Klaus-Peter Spies | Dr. med. Sabine Krebs |
2.) Allianz Berliner Ärzte | Ralph Drochner | PD Dr. med. Heiner von Randenborgh |
3.) Allianz Berliner Ärzte | Dr. med. Christian Messer | Dr. med. Regine Held |
4.) Allianz Berliner Ärzte | Dr. med. Roland Urban | Helmut Mälzer |
5.) Allianz Berliner Ärzte | Dr. med. Hans-Detlef Dewitz | Dr. med. Almut Tempka |
6.) Hartmannbund | Dr. med. Daniel Peukert | Miriam Vosloo |
7.) Fraktion Gesundheit | Katharina Thiede | Dr. med. Herbert Menzel |
8.) Fraktion Gesundheit | Julian Veelken | Carina Borzim |
9.) Fraktion Gesundheit | Dr. med. Erich Alfons Huber | Dr. med. Stefan Hochfeld |
10.) Fraktion Gesundheit | Dr. med. Eva Müller-Dannecker | Dr. med. Charlotte Hillmann |
11.) Hausärzte in Berlin | Bettina Linder | Dr. med. Irmgard Landgraf |
12.) Marburger Bund | Dr. med. Anja Dippmann | Dr. med. Werner Wyrwich |
13.) Marburger Bund | Dorothea Spring | Kai Sostmann |
14) Marburger Bund | Dr. med. Oliver Peters | Dr. med. Klaus Thierse |
15.) Marburger Bund | PD Dr. med. Peter Bobbert | Dr. med. Thomas Werner |
16.) Marburger Bund | Dr. med. Matthias Albrecht | Dr. med. Valerie Kirchberger |
Entschließung der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin |
---|
Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin fordert die Abschaffung der Strafbarkeit einer sachlichen Information über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Arztpraxen und andere ärztliche Einrichtungen. Begründung: Der § 219a Absatz 1 StGB in seiner aktuellen Fassung stellt jede Art der öffentlichen Information einer Arztpraxis oder anderen ärztlichen Einrichtung über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen unter Strafe. Das Verbot für eine Arztpraxis oder andere ärztliche Einrichtung, sachlich über das eigene Leistungsspektrum auch in Bezug auf die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu informieren, kollidiert mit dem Informationsanspruch der betroffenen Frauen. Die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs ist unter den Voraussetzungen des § 218a StGB und des Schwangerschaftskonfliktgesetzes rechtlich zulässig. Betroffene Frauen haben nicht nur das Bedürfnis, sondern es wird von ihnen erwartet, eine durchdachte, abgewogene und informierte Entscheidung zu treffen. Sie haben daher ein Recht darauf, sich zu jeder Zeit und umfassend über den Eingriff und über Arztpraxen und andere ärztliche Einrichtungen, die solche Eingriffe durchführen, informieren zu können. Die Beschränkung des Zugangs zu sachlichen Informationen ist mit dem gesetzgeberischen Ziel nicht begründbar. Denn eine sachliche Information birgt nicht die vom Gesetzgeber seinerzeit in den Blick genommene Gefahr, dass dadurch der Entschluss der Frau zum Schwangerschaftsabbruch erst hervorgebracht oder gefestigt wird. Durch sachliche Informationen ist auch keine Kommerzialisierung der Notlage der Frau zu befürchten. Durch sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche wird zudem das auf den Lebensschutz ausgerichtete Beratungsmodell der §§ 218a ff. StGB und des Schwangerschaftskonfliktgesetzes nicht gefährdet. Die Möglichkeit der betroffenen Frauen, sich unbeschränkt über die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs informieren zu können, unterstützt im Gegenteil eine informierte und abgewogene Entscheidung der Frau und dient damit dem Lebensschutz. |