Angesichts der jüngsten Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fordert der Präsident der Ärztekammer Berlin, Dr. med. Günther Jonitz, ein grundlegendes Umdenken in der Gesundheitspolitik. Die im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vorgesehenen neuen Maßnahmen bspw. zu Praxisöffnungszeiten, zur Einschränkung der Mobilität von Ärztinnen und Ärzten in Richtung Ausland und der Versuch, per Verordnungsermächtigung künftig im Einzelfall entscheiden zu wollen, welche neuen Behandlungen durch die Krankenkassen bezahlt werden sollen, führen zur Entmündigung und Demotivierung der Ärztinnen und Ärzte, so Jonitz weiter. Mit dem neuen § 94a SGB V werde vom Bundesgesundheitsministerium versucht, das Prinzip der gemeinsamen Verantwortung der Selbstverwaltungspartner auf der Basis solider, objektiver wissenschaftlicher Kriterien der evidenzbasierten Medizin auszuhebeln.
„Eine solide Analyse der Ursachen der Probleme, die mit dem TSVG geregelt werden sollen, findet nicht statt. Die Politik re-agiert auf Probleme dann, wenn sie offenkundig sind und dort, wo sie an-kommen anstatt dort, wo sie her-kommen“, betont Jonitz und erklärte weiter: „Ganz nebenbei macht der vorgesehene § 94a jeden Gesundheitsminister zur Zielscheibe von Lobbyverbänden aller Art, die ihre eigenen Interessen ohne Rücksicht auf das gesamte System durchsetzen wollen“, warnt Jonitz.
„In der Vergangenheit gab es eine Art Vertrag zwischen der Ärzteschaft, den Gesundheitsberufen und der Politik: Wir kümmern uns um die Versorgung kranker Menschen, die Politik sorgt für gute Rahmenbedingungen. Dieser Vertrag wird durch das vorgesehene TSVG erneut gebrochen und wird dazu führen, dass die Selbstfürsorge der Gesundheitsberufe auch als Reaktion auf die bestehende Kommerzialisierung der Patientenversorgung mehr in den Vordergrund rückt.“ Teilzeit- statt Vollzeitarbeit werde mehr und mehr die Regel. „Die Lücken in der Versorgung werden zu-, statt abnehmen.“
Verstärkt werde dieser verhängnisvolle Prozess durch die bestehende Fehlallokation der Gelder der Versicherten: Von 100 Euro GKV-Beitrag erreichen den Vertragsarzt ca. 8,74 Euro, den Krankenhausarzt 9,38 Euro und die stationäre Pflege 8,79 Euro. „Die Politik vergisst die Menschen, die tagtäglich die persönliche Verantwortung für kranke Menschen übernehmen und lässt diese mit den Folgen einer fehlgeleiteten Politik im Regen stehen.“ Diese Politik habe in den vergangenen 20 Jahren die Versorgung nachweislich und erkennbar teurer und schlechter gemacht. „Diese Politik wird mit dem TSVG fortgesetzt“, erklärt Jonitz.
Die Ärztekammer Berlin fordert daher einen Stopp dieser bevormundenden Politik. Stattdessen sei ein Dialog über bestehende Herausforderungen der Patientenversorgung in Zeiten des Wandels („Digitalisierung“) und eine neue politische Strategie der „Optimierung der Versorgung“ anstelle des Versuchs der „Dezimierung von Kosten, Mengen und Strukturen“ notwendig (s. Antrag Ia-03, Deutscher Ärztetag 2017).
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