Die Abläufe der Organspende und -transplantation sollen in Berlin transparenter und vertrauenswürdiger werden. Dieses Ziel hat sich in der Hauptstadt ein breites Bündnis von Vertretern aus Medizin, Forschung, Politik und Verbänden gesetzt. Das Bündnis will die Bürgerinnen und Bürger mit verständlichen Informationen besser aufklären und so dazu anregen, sich bewusst für oder gegen eine mögliche Organspende zu entscheiden. Damit soll die Chance auf ein lebensrettendes Spenderorgan für Betroffene erhöht werden.
Ungeachtet notwendiger bundesweiter Maßnahmen sollen dazu in Berlin weitergehende Maßnahmen umgesetzt werden:
- Das Berliner Transplantationsgeschehen soll transparenter und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar gemacht werden.
- Die historisch guten Elemente der Berliner Situation - wie z.B. das Mehraugenprinzip - sollen noch besser genutzt und gestärkt werden.
- Die Transplantationszentren sollen durch die Entwicklung von Benchmarks und Qualitätskriterien systematischer bewertet sowie deren Strukturen und Prozesse verbessert werden.
- Die Berliner Situation soll zum Vorbild werden, indem über bundesweite Vorgaben hinausgegangen wird. Dies beinhaltet etwa die Veröffentlichung von Ergebnissen und Prüfberichten, die Vermeidung von Chefarzt-Aufschlägen und Doppelmitgliedschaften in Entscheidungsgremien.
- Durch die Gründung eines Beirats soll eine zusätzliche Struktur geschaffen werden, die sich regelmäßig mit dem Berliner Transplantationssystem beschäftigt und Verbesserungsvorschläge erarbeitet.
Liste der Erstunterzeichnenden (in alphabetischer Reihenfolge)
Eva Bell, Verbraucherzentrale Berlin
Dr. Detlef Bösebeck, Deutsche Stiftung Organtransplantation Region Nord-Ost
Reiner Felsberg, Marburger Bund Landesverband Berlin Brandenburg
Prof. Dr. Ulrich Frei, Charité - Universitätsmedizin Berlin
Prof. Dr. Roland Hetzer, Deutsches Herzzentrum Berlin
Thomas Isenberg, MdA, SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin
Dr. Günther Jonitz, Ärztekammer Berlin
PD Dr. Christoph Knosalla, Deutsches Herzzentrum Berlin
Simon Kowalewski, MdA, Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin
Gottfried Ludewig, MdA, CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin
Prof. Dr. Peter Neuhaus, Charité - Universitätsmedizin Berlin
Prof. Dr. Hans-H. Neumayer, Charité - Universitätsmedizin Berlin
Karin Stötzner, Die Patientenbeauftragte für Berlin
Heiko Thomas, MdA, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin
Gudrun Ziegler, Forum Organtransplantation Berlin e.V.
Statements einiger Beteiligten
"Durch die schwerwiegenden Vorwürfe der Datenmanipulation bei Wartelistenpatienten wurde das Vertrauen in die Organtransplantation und die Organspende erschüttert. So sanken auch in Berlin die Organspendezahlen in 2012 im Vergleich zum Vorjahr. Auch wenn es erfahrungsgemäß immer wieder Schwankungen in der Entwicklung der Zahlen gibt, ist die Verunsicherung der Menschen spürbar vorhanden und sehr ernst zu nehmen. Es muss nun alles dafür getan werden, um jegliche Verdachtsfälle in Transplantationszentren lückenlos aufzuklären und weiterem Missbrauch sicher vorzubeugen. Jedes gespendete Organ rettet Leben, vielleicht sogar einmal das eigene. Dies sollten wir uns immer wieder vor Augen führen!"
Dr. Detlef Bösebeck
DSO-Region Nord-Ost Deutsche Stiftung Organtransplantation
"Organspende muss von vollständigem Vertrauen getragen werden. Sie verträgt keinerlei Zweifel an Vorgängen und den beteiligten Personen."
Prof. Dr. Roland HetzerDeutsches Herzzentrum Berlin
"Wer krank ist, muss sich drauf verlassen können, dass Hilfe im Gesundheitssystem solidarisch funktioniert. Klare Leitplanken des Patientenschutzes müssen das Vertrauen in die Organtransplantation stärken, Anreize zum Missbrauch beseitigen und Kontrollen verbessern. Andererseits: Wer als Patient im Falle eines Falles Organe gespendet haben möchte, sollte sich überlegen, auch selber solidarisch zu sein und Organspender zu werden. Machen sie mit! Werden Sie Organspender!"
Thomas Isenberg, MdA
SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin
"Unter dem Transplantationsskandal leiden vor allem die, die auf ein Organ warten. Mit der Berliner Erklärung wird eine neue, breitere Basis für die Belange dieser Menschen geschaffen und Vertrauen wieder hergestellt. Unser Ziel muss es sein, in Berlin eine führende Rolle im Transplantationswesen einzunehmen. Diese Leuchtturmfunktion erreichen wir, indem wir über die bundesweiten Vorgaben hinausgehen und mit Hilfe eines Beirats die Situation kontinuierlich analysieren und Verbesserungsvorschläge machen."
Dr. Günther Jonitz
Ärztekammer Berlin
"Unter den Zweifeln, die am Transplantationssystem entstanden sind, leiden vor allem die Patienten, die auf lebensrettende Organspenden warten. Ein transparentes, nachvollziehbares Auswahlverfahren und klare Qualitätsmetriken sind daher sowohl für potentielle Spender als auch Empfänger dringend nötig. Dafür setzen wir uns gemeinsam ein."
Simon Kowalewski, MdA
Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin
"Das Ziel der Berliner Erklärung ist die Schaffung eines transparenteren und mit klaren Regeln ausgestatteten Systems der Organspende. Gerade in einem Bereich, welcher über Leben und Tod entscheidet, ist eine Kultur der Transparenz zwingend erforderlich. Ein Missbrauch darf hier keine Chance haben und muss mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden."
Gottfried Ludewig, MdA
CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin
"Im internationalen Vergleich nimmt die Bundesrepublik Deutschland mit 13-14 Spendern/Mio. Einwohnern nur einen hinteren Platz ein. Diese Situation hat sich durch den Wartelisten-Skandal im Bereich der Lebertransplantation weiter verschlechtert. Die Zahlen machen deutlich, dass eine Wiederherstellung des Vertrauens in der Bevölkerung primäres Ziel sein muss. Darüber hinaus sind jedoch weitergehende Reformen zwingend nötig, um das Leid unserer Patienten zu mildern und ihr Leben zu retten."
Prof. Dr. Hans-H. Neumayer
Charité - Universitätsmedizin Berlin
"Das verlorengegangene Vertrauen gewinnen wir nur zurück, wenn wir ein System schaffen, das von der Beratung der Angehörigen des Organspenders bis zur Nachkontrolle des Organempfängers transparent und nachvollziehbar ist, Fehler aufdeckt und aus ihnen lernt. Wir in Berlin wollen unseren Beitrag dazu leisten."
Heiko Thomas, MdA
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin
"Jährlich vermeidbar wäre der Tod von 1000 Menschen, die nicht am Mangel der medizinischen Möglichkeiten, nicht aus Kostengründen sondern aus Unkenntnis und bedingt durch Ängste und Vorurteile unserer Mitbürger sterben müssen. Seit meiner eigenen Transplantation sind dies mindestens 10 000 Patienten, die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher sein. (Zu schlechter Zustand, daher von der Liste genommen oder gar nicht gelistet worden, obwohl zu einem früheren Zeitpunkt eine TX dieses Leben gerettet hätte.) Wir haben eine Kleinstadt verloren, ohne es zu registrieren."
Gudrun Ziegler
Forum Organtransplantation Berlin e.V.