Außergerichtliche Klärung von Streitigkeiten

Mehr über das Verfahren sowie Fragen & Antworten im Überblick

Schlichtungsverfahren

Schlichtungsverfahren bei Streitigkeiten über vermutete Behandlungsfehler 

Die Ärztekammer Berlin bietet Patient:innen, Ärzt:innen sowie medizinischen Einrichtungen im Fall eines vermuteten Behandlungsfehlers die Möglichkeit einer außergerichtlichen Klärung an. Mit dem bei der Ärztekammer Berlin geführten Schlichtungsverfahren wird allen Beteiligten eine objektive, kompetente und an den aktuellen ärztlichen und rechtlichen Standards entsprechende Streitbeilegung ermöglicht.

Der Betrieb der bisher mit dieser Aufgabe betrauten Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern in Hannover ist zum 31.12.2021 eingestellt worden. Bei der Schlichtungsstelle in Hannover anhängige Schlichtungsverfahren werden durch die Ärztekammer Berlin fortgeführt.

Neue Schlichtungsanträge können seit Mitte des Jahres 2021 direkt bei der Ärztekammer Berlin gestellt werden. Hier finden Sie die Schlichtungsordnung der Ärztekammer Berlin vom 9. Dezember 2020.  Weitere Informationen zum Schlichtungsverfahren finden Sie hier in unseren Fragen und Antworten.

Das Schlichtungsverfahren der Ärztekammer Berlin wird elektronisch auf einem hierfür von der Ärztekammer Berlin betriebenen Internetportal durchgeführt. Auf dem Portal können alle Parteien des Schlichtungsverfahrens Dokumente hochladen und elektronisch mit der Ärztekammer Berlin kommunizieren. Hier finden Sie das Internetportal zur Eröffnung eines Nutzer:innenkontos und zum Einloggen in Ihr bestehendes Nutzer:innenkonto: Portal für Schlichtungsverfahren.

Fragen & Antworten zum Schlichtungsverfahren

Die Ärztekammer Berlin bietet im Fall von Streitigkeiten über Behandlungsfehler den Parteien die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß ihrer Schlichtungsordnung vom 9. Dezember 2020 an. Sie möchte damit dazu beitragen, Streitigkeiten über Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter Behandlung außergerichtlich beizulegen und insbesondere langwierige zivilgerichtliche Verfahren zu vermeiden.

Ziel der Ärztekammer Berlin ist es, eine zeitnahe, unabhängige und neutrale Begutachtung einer medizinischen Behandlung, die in dem örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich der Ärztekammer Berlin stattgefunden hat, durchzuführen. Dafür besteht bei der Ärztekammer Berlin ein fachlich unabhängiger Schlichtungsausschuss, dessen Mitglieder sehr erfahrenen Ärzt:innen aus unterschiedlichen zentralen Fachgebieten sind. Anders als zum Beispiel in gerichtlichen Verfahren sind es bei der Ärztekammer Berlin daher Ärzt:innen, die als erste die maßgeblichen Behandlungsunterlagen sichten, wichtige weitere Informationen einholen und den Auftrag an die von ihnen ausgewählten externen Gutachter:innen formulieren. Die Ausschussmitglieder können bei Bedarf auch innerhalb der Ärztekammer Berlin auf einen großen Kreis von ärztlichen Expert:innen zurückgreifen und werden juristisch durch die Jurist:innen der Ärztekammer Berlin beraten. Auch an dieser Stelle kann die ärztliche Selbstverwaltung, insbesondere im Vergleich zu den Gerichten, ihre überlegene fachliche Kompetenz zur Geltung bringen.

Das Schlichtungsverfahren schließt nach dessen Abschluss den Rechtsweg nicht aus. Selbst wenn es nach der Durchführung des Schlichtungsverfahrens noch zu einem zivilgerichtlichen Verfahren kommen sollte, kann die Entscheidung der Ärztekammer Berlin und das im Rahmen des Schlichtungsverfahrens erstellte medizinische Gutachten in das gerichtliche Verfahren eingeführt werden.

Eine Voraussetzung für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ist die Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten. Wenn die erforderlichen Zustimmungen vorliegen, befasst sich der bei der Ärztekammer Berlin gebildete Ausschuss zur Schlichtung von Streitigkeiten über Behandlungsfehler mit dem Sachverhalt. Der Ausschuss ist mit Ärzt:innen besetzt, die über umfangreiche Erfahrungen mit Schlichtungsangelegenheiten verfügen. Der Ausschuss prüft die Unterlagen und holt, sofern erforderlich, weitere Informationen von den Verfahrensbeteiligten und den vor- oder nachbehandelnden Ärzt:innen und medizinischen Einrichtungen ein. In der Regel wird der Ausschuss ein externes fachärztliches Gutachten einholen. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit, sich sowohl zur begutachtenden Person als auch zu dem Gutachtenauftrag zu äußern. Nachdem das Gutachten vorliegt, erhalten die Verfahrensbeteiligten erneut Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Auf der Grundlage des Gutachtens und der vorliegenden Stellungnahmen trifft der Ausschuss seine Entscheidung. Nach einer juristischen Prüfung erhalten die Verfahrensbeteiligten eine Information über das Ergebnis des Schlichtungsverfahrens.

Für die Patient:innen ist das Verfahren kostenfrei. Für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens erhebt die Ärztekammer Berlin bei den betroffenen Ärzt:innen und medizinischen Einrichtungen Gebühren gemäß ihrer Gebührenordnung. Kammermitglieder zahlen eine Gebühr in Höhe von 500 EUR, Nichtkammermitglieder, zum Beispiel Krankenhäuser und andere als juristischen Personen organisierte medizinischen Einrichtungen (zum Beispiel MVZ GmbH), zahlen eine Gebühr in Höhe von 800 EUR für die Durchführung des Verfahrens. Hinzu kommen die Kosten für das externe Fachgutachten, das in der Regel eingeholt wird. Diese Kosten sind als Auslagen zu erstatten.

Die Gebühren und Auslagen für das Schlichtungsverfahren können gegenüber dem Haftpflichtversicherer gemäß § 101 Versicherungsvertragsgesetz geltend gemacht werden. Nach dieser Vorschrift umfasst die Berufshaftpflichtversicherung auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten dem Versicherten gegenüber geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Es ist daher mit dem Haftpflichtversicherer zu klären, ob dieser mit der Durchführung des Schlichtungsverfahrens einverstanden ist und die Kosten hierfür übernimmt. Kammermitglieder können die Ärztekammer Berlin auch damit beauftragen und bevollmächtigen, für sie die erforderliche Korrespondenz mit dem Haftpflichtversicherer zu führen.

Das Verfahren kann auch ohne die Einbeziehung des Haftpflichtversicherers durchgeführt werden. In dem Fall ist der Versicherer jedoch nicht eintrittspflichtig, d. h. die betroffenen Ärzt:innen oder medizinischen Einrichtungen müssten für ggf. bestehende Haftpflichtansprüche selber aufkommen und auch die Gebühren nebst Auslagen gegenüber der Ärztekammer Berlin tragen.

Ohne die Zustimmung der betroffenen Ärzt:innen oder der medizinischen Einrichtung kann ein Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt werden. Die Ärztekammer Berlin überprüft in diesem Fall den Sachverhalt dann ausschließlich im Rahmen ihrer Aufgabe der Berufsaufsicht. Sie prüft im berufsaufsichtsrechtlichen Verfahren in der Regel unter Hinzuziehung fachärztlicher Expertise, ob sich aus dem vorliegenden Sachverhalt eine Verletzung ärztlicher Berufspflichten ergibt. Die betroffenen Patient:innen erhalten allerdings, anders als im Schlichtungsverfahren, nur eine sehr eingeschränkte Auskunft über das Ergebnis der Prüfung (vgl. hierzu § 6 Absatz 2 BlnHKG).

Liegen zureichende Anhaltspunkte für eine Berufspflichtverletzung vor, kann die Ärztekammer Berlin ein berufsrechtliches Verfahren durchführen und nach dessen Abschluss berufsrechtliche Maßnahmen ergreifen oder das Verfahren mit Hinweisen zur pflichtgemäßen Berufsausübung und Qualitätssicherung einstellen. Als berufsrechtliche Maßnahmen kommen nach der gesetzlichen Vorgabe (§§ 65 ff. BlnHKG) die Erteilung einer Rüge sowie die Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens in Betracht. Eine Rüge kann mit einer Geldauflage von bis zu 10.000 Euro und mit der Auflage verbunden werden, an einer bestimmten Maßnahme oder Fortbildung zur Qualitätssicherung teilzunehmen und die Kosten hierfür zu tragen. Ein berufsgerichtliches Verfahren findet vor der bei dem Verwaltungsgericht Berlin gebildeten Heilberufekammer statt. Die Erforderlichkeit einer berufsrechtlichen Maßnahme ist in jedem Einzelfall anhand der Schwere einer festgestellten Berufspflichtverletzung, dem Aspekt der Wiederholungsgefahr und ggf. den aus der Vergangenheit bereits vorliegenden Pflichtverletzungen zu beurteilen.

Bestandskräftige Rügen und berufsgerichtliche Urteile werden in das Berufsverzeichnis eingetragen. Solche Eintragungen sind zum Beispiel bei einer angestrebten Tätigkeit im Ausland im Rahmen einer dann regelmäßig erforderlichen und von der Approbationsbehörde auszustellenden sogenannten Unbedenklichkeitsbescheinigung zu berücksichtigen.

Zunächst ist davon auszugehen, dass ein einfacher Behandlungsfehler keine Berufspflichtverletzung darstellt. Denn jeder Mensch macht Fehler. Fehler können auch den sorgfältigsten Ärzt:innen passieren. Wird daher im Schlichtungsverfahren nur ein einfacher Behandlungsfehler festgestellt und reiht sich dieser nicht an weitere bereits in der Vergangenheit festgestellte Fehler, ist ein berufsrechtliches Verfahren nicht mehr erforderlich. Soweit bei Feststellung eines berufsrechtlich relevanten (d. h. groben) Behandlungsfehlers unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zu besorgen ist, dass sich ein entsprechender Fehler wiederholt, wird ein Tätigwerden der Ärztekammer Berlin im Rahmen der Berufsaufsicht grundsätzlich auch in diesen Fällen nicht mehr erforderlich sein. Die Bereitschaft aus einem Fehler zu lernen und für die Zukunft Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, eine Wiederholung zu vermeiden, gehört ebenfalls zur ordnungsgemäßen ärztlichen Berufsausübung. Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens kann dazu führen, dass sich die betroffenen Ärzt:innen im Fall der Feststellung eines Behandlungsfehlers mit diesem eingehend auseinander gesetzt und für die Zukunft Maßnahmen zur Vermeidung eines solchen getroffen haben. Sofern hiervon nach eingehender Prüfung auszugehen ist, wird auch bei einem groben Behandlungsfehler kein berufsrechtliches Verfahren mehr erforderlich sein.

In der Regel ist nach der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens kein berufsrechtliches Verfahren mehr erforderlich (siehe oben unter Punkt 5.), soweit sich die betroffenen Ärzt:innen im Rahmen des Schlichtungsverfahrens mit einem ggf. festgestellten (groben) Behandlungsfehler hinreichend auseinandergesetzt und ggf. Maßnahmen (etwa auch im Rahmen der Praxisorganisation) ergriffen haben, die ein ähnlich gelagertes Verhalten künftig nicht mehr erwarten lassen.

Werden im Schlichtungsverfahren jedoch schwerwiegende Pflichtverletzungen festgestellt und muss in der Gesamtwürdigung eine Wiederholungsgefahr bejaht werden, so hat die Ärztekammer Berlin aus Gründen des Patientenschutzes weitere Maßnahmen zu ergreifen. Dies können zum Beispiel Hinweise zur Qualitätssicherung sein. Es können aber auch eine Rüge oder ein berufsrechtliches Verfahren erforderlich werden. In diesem Verfahren werden jedenfalls das im Schlichtungsverfahren erstellte Gutachten und, sofern darüber hinaus erforderlich, auch die im Rahmen des Schlichtungsverfahrens eingereichten Behandlungsunterlagen verwendet werden.

Nein, ein einfacher Behandlungsfehler stellt in der Regel keine Berufspflichtverletzung dar. Liegen der Ärztekammer Berlin allerdings innerhalb von fünf Jahren eine Reihe von festgestellten fehlerhaften Behandlungen vor, aus denen sich etwa Sorglosigkeit in Bezug auf die Einhaltung von ärztlichen Standards oder gesetzlichen Regelungen, etwa Hygienebestimmungen, ergibt, kann in der Gesamtschau die Annahme einer Berufspflichtverletzung begründet sein. Auch grobe Behandlungsfehler können die Annahme einer Berufspflichtverletzung begründen. Ein grober Behandlungsfehler setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass ein eindeutiger Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse vorliegt, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler der Ärztin oder dem Arzt „schlechterdings nicht unterlaufen darf“.