Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG)

Gesetzesänderung

Das Berliner "Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten" (PsychKG) ist am 29.06.2016 in Kraft getreten und hat das bisherige "Gesetz für psychisch Kranke" (PsychKG alte Fassung) abgelöst.

Die Neuregelung des PsychKG dient insbesondere der Umsetzung der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung an eine ärztliche Zwangsbehandlung zu stellenden Anforderungen. Zudem soll nach der Gesetzesbegründung den aktuellen Erfordernissen des psychiatrischen Versorgungssystems Rechnung getragen werden. Neben Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch kranke Personen und deren Unterbringung aufgrund einer Selbst- oder Fremdgefährdung wird auch die Unterbringung mit strafrechtlichem Bezug (anders als bislang) eigenständig geregelt. Wichtige Eckpunkte des neuen Gesetzes werden nachfolgend dargestellt.

Hilfen im Rahmen der bezirklichen psychiatrischen Pflichtversorgung

Die Sicherstellung und die Koordination der bedarfsgerechten psychiatrischen Versorgung erfolgt auch nach der Neuregelung durch die Bezirke in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich. Als Bestandteile der bezirklichen psychiatrischen Pflichtversorgung sieht das Gesetz zunächst Hilfen und sog. niederschwellige Angebote für Menschen mit einer psychischen Erkrankung, einer Suchterkrankung oder geistigen Behinderung vor. Durch Kontakt- und Beratungsstellen soll auf eine frühzeitige ambulante Versorgung und die Abstimmung individueller Hilfsangebote hingewirkt werden, um eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten und eine stationäre Behandlung oder Unterbringung entbehrlich zu machen. In dem bezirklichen Hilfesystem kommt den Sozialpsychiatrischen Diensten und den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Diensten der Gesundheitsämter (auch weiterhin) eine Schlüsselrolle zu. Deren Aufgaben und Befugnisse werden durch das neue Gesetz erstmals detailliert geregelt.

Sozialpsychiatrische Dienste: Beratung, Hilfevermittlung, Krisenintervention

Neben der eigenen Beratung und der Vermittlung ambulanter Hilfen zählt hierzu das Vorgehen bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Selbst- oder Fremdgefährdung infolge einer psychischen Erkrankung. Die Dienste können in diesem Fall die betreffende Person auffordern, sich beraten und ärztlich untersuchen zu lassen sowie mit Einwilligung der oder des Betroffenen selbst eine ärztliche Beratung und Untersuchung (ggf. im Wege des Hausbesuchs) durchführen. Die ärztliche Untersuchung kann notfalls – bei anzunehmender Selbst- oder Fremdgefährdung und fehlendem Einverständnis des Betroffenen – auch durch polizeiliche Vorführung ermöglicht werden. Wird durch die Untersuchung eine psychische Erkrankung festgestellt und ist zu befürchten, dass die Person sich selbst erheblichen Schaden zufügen oder bedeutende Rechtsgüter Dritter erheblich gefährden wird, so ist die Person nach Mitteilung der Untersuchungsergebnisse aufzufordern, sich in ambulante oder stationäre Behandlung zu begeben. Kommt der oder die Betroffene dem nicht nach, so hat der zuständige Dienst zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung zur Gefahrenabwehr vorliegen.

Unterbringung zur Gefahrenabwehr

Eine solche Unterbringung – d. h. die Einweisung in eine stationäre Einrichtung gegen oder ohne den Willen der betroffenen Person – ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig: Es muss infolge einer psychischen Erkrankung von einem unmittelbar bevorstehenden Schaden stiftenden Ereignis auszugehen sein, welches eine erhebliche Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der psychisch erkrankten Person oder für besonders bedeutende Rechtsgüter Dritter begründet. Zur Abwendung dieser akuten Gefahr müssen ambulante oder teilstationäre Behandlungsmaßnahmen ausscheiden. Das Gesetz stellt zudem klar, dass die fehlende Bereitschaft, sich behandeln zu lassen, allein keine Unterbringung rechtfertigt.

Liegt die genannte Gefahrensituation dagegen vor, dient die Unterbringung zugleich der Behandlung der psychischen Anlasserkrankung im Interesse der betroffenen Person. Diese hat einen Anspruch auf psychiatrische Behandlung entsprechend dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und unter Wahrung ihres Persönlichkeitsrechts. Die Unterbringung erfolgt in psychiatrischen Krankenhäusern oder Fachabteilungen von Krankenhäusern oder in geeigneten Heimen, die bestimmten baulichen, organisatorischen und personellen Anforderungen genügen müssen, die durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales bestimmt und mit hoheitlicher Gewalt beliehen werden.

Angeordnet wird die Unterbringung auf Antrag des Sozialpsychiatrischen Dienstes und des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes durch das zuständige Betreuungsgericht (Amtsgericht). Besteht dringender Verdacht für das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen und kann eine richterliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, so ist eine vorläufige Unterbringung bis zum Ablauf des nächsten Tages zulässig. Eine gerichtliche Entscheidung ist in diesem Fall unverzüglich herbeizuführen. Die Unterbringung ist zu beenden, sobald die o. g. Voraussetzungen (etwa infolge der erfolgreichen Behandlung der Anlasserkrankung) nicht mehr vorliegen.

Aufklärung und Behandlung untergebrachter Personen

Die Aufklärung und Behandlung untergebrachter Personen wird in dem neuen Gesetz umfassend geregelt. Soweit es ihr oder sein Gesundheitszustand gestattet, ist die Patientin/der Patient bei der Aufnahme durch eine Ärztin/einen Arzt über eigene Rechte und Pflichten, gerichtlichen Rechtsschutz und die Möglichkeit der Beschwerde in verständlicher Weise aufzuklären. Die Aufklärung ist bei fehlender Einsichtsfähigkeit nachzuholen, sobald dies möglich ist. Sie ist zu dokumentieren und durch die Unterschrift der Ärztin/des Arztes zu bestätigen. Weiterhin normiert das Gesetz die ärztliche Aufklärungspflicht hinsichtlich aller diagnostischen Erkenntnisse und vorgesehenen Behandlungen.

Das Aufklärungsgespräch ist so zu führen, dass die untergebrachte Person die Bedeutung ihrer Erkrankung und die vorgesehenen Behandlungsmaßnahmen verstehen und eine selbstbestimmte Entscheidung treffen kann. Denn auch im Rahmen der Unterbringung gilt der Grundsatz, dass eine ärztliche Maßnahme nur durchgeführt werden darf, wenn die Patientin/der Patient darin eingewilligt hat. Bei fehlender Einwilligungsfähigkeit ist der mutmaßliche Patientenwille durch die Betreuerin/den Betreuer und die behandelnde Ärztin/den behandelnden Arzt zu ermitteln (§§ 1901a, 1901b BGB). Die in einer Patientenverfügung oder als natürlicher Wille (d. h. im Zustand der Einwilligungsunfähigkeit) zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der Behandlung ist grundsätzlich zu beachten.

Zulässigkeit einer sog. Zwangsbehandlung

Als Ausnahme von diesem Grundsatz regelt das Gesetz die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer sog. Zwangsbehandlung, d. h. einer Behandlungsmaßnahme, welcher die einwilligungsunfähige Patientin/der einwilligungsunfähige Patient mit natürlichem Willen widerspricht. Die Neuregelung setzt damit die verfassungsrechtlichen Anforderungen um, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 23.03.2011, Az.: 2 BvR 882/09, 12.10.2011, Az.: 2 BvR 633/11und 20.02.2013, Az.: 2 BvR 228/12) an eine solche Behandlung zu stellenden sind. Diese, auch durch den Bundesgerichthof (Beschlüsse vom 20.06.2012, Az.: BGH XII ZB 99/12und XII ZB 130/12) bestätigten Anforderungen hatten zuvor bereits zu einer Änderung der betreuungsrechtlichen Vorschrift des § 1906 BGB geführt (Näheres dazu: hier). Mit der Neuregelung des PsychKG werden diese verfassungsrechtlichen Vorgaben nunmehr durch den Landesgesetzgeber auch für die Unterbringung zur Gefahrenabwehr und für die Unterbringung mit strafrechtlichem Bezug (zu Letzterem s. u.) umgesetzt.

Eine sog. Zwangsbehandlung darf zunächst nur vorgenommen werden, um die Einwilligungsfähigkeit der Patientin/des Patienten zu begründen oder wiederherzustellen. Die Behandlung muss sich also auf die psychische Anlasserkrankung beziehen und zum Ziel haben, die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine freie Willensentscheidung der Patientin/des Patienten zu schaffen. Zur Erreichung dieses Ziels muss die konkrete Behandlungsmaßnahme das mildeste Mittel sein und ihr Nutzen muss die Belastung für die Betroffene/den Betroffenen erheblich überwiegen. Zuvor muss der eingehende Versuch, eine auf Vertrauen gegründete Einwilligung in die Behandlung zu erreichen, erfolglos geblieben sein. Weiterhin ist die untergebrachte Person über die Behandlungsmaßnahme vorab aufzuklären, die Behandlung ist zeitlich zu befristen und nach ihrer Beendigung mit der untergebrachten Person zu besprechen und umfassend zu dokumentieren.

Die Durchführung der Behandlungsmaßnahme unterliegt dem Richtervorbehalt, d. h. es ist die vorherige Zustimmung des Betreuungsgerichts erforderlich. Eine Ausnahme hiervon gilt nur bei Notfallsituationen, d. h. für Behandlungsmaßnahmen, die zur Lebensrettung oder zur Abwendung einer erheblichen Gesundheitsgefahr für die Betroffene/den Betroffenen akut erforderlich sind. Eine solche Notfallbehandlung kann ärztlicherseits angeordnet werden, die Genehmigung des Betreuungsgerichts ist sodann unverzüglich einzuholen.

Strafrechtsbezogene Unterbringung

Die durch das Strafgericht angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) erfolgt im Land Berlin im Krankenhaus des Maßregelvollzugs. Nach der bisherigen Regelung waren hier die Vorschriften über die Unterbringung zur Gefahrenabwehr entsprechend anzuwenden. Aufgrund der unterschiedlichen Belange beider Unterbringungsarten wird deren Ausgestaltung nunmehr eigenständig geregelt.

Dem liegt nach der Gesetzesbegründung die Erwägung zugrunde, dass die strafrechtsbezogene Unterbringung aufgrund des hier verfolgten Zwecks – der neben der Rehabilitation darin besteht, die Allgemeinheit vor der Begehung weiterer rechtswidriger Taten durch die Betroffenen zu schützen – unter restriktiveren Bedingungen erfolge und damit zusätzliche Eingriffsbefugnisse erfordere. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die Therapieziele, etwa aufgrund nicht vorhandener Krankheitseinsicht der Betroffenen, hier oftmals unterschiedlich gelagert sind, und dass die ggf. langjährige Dauer der Unterbringung weitergehende Angebote, etwa hinsichtlich wertschöpfender Arbeit und Freizeitgestaltung, erfordert. Die Neuregelung zielt darauf ab, diesen Unterschieden Rechnung zu tragen und auch für die Ausgestaltung der strafrechtsbezogenen Unterbringung die erforderlichen Rechtsgrundlagen bereitzustellen.

Für weitergehende Fragen und eine berufsrechtliche Beratung stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Berufsrecht unseren Kammermitgliedern gerne zur Verfügung.

Klaus Schmitt, LL.M. (Wellington)
Assessor jur., Abteilung Berufsrecht