Berufsrecht

Ärztliche Aufklärungspflicht

(Stand: März 2017)

Der Wille von Patientinnen und Patienten ist für Ärztinnen und Ärzte grundsätzlich bindend. Nach dem Behandlungsvertrag sollen Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten als selbstverantwortliche Partnerinnen und Partner in Respekt vor deren persönlichen Rechten annehmen, um ihnen Rat und Hilfe zu geben. Eine Patientin oder ein Patient kann jedoch das Recht auf Selbstbestimmung nur dann wahrnehmen, wenn sie oder er von der Ärztin oder dem Arzt vor der Behandlung umfassend über Diagnose, Therapiemöglichkeiten und mögliche Komplikationen aufgeklärt worden ist.

Ärztinnen und Ärzte sind aufgrund des zwischen ihnen und der Patientin oder dem Patienten jeweils bestehenden Behandlungsvertrages grundsätzlich dazu verpflichtet, die Patientin oder den Patienten rechtzeitig und vollständig über die bei der erhobenen Diagnose möglichen und/oder erforderlichen Therapien und ärztlichen Maßnahmen zu informieren. Durch diese Informationen soll die Patientin oder der Patient in die Lage versetzt werden, Entscheidungen zu treffen, die Schaden von ihr oder ihm abwenden. Gleichzeitig ist die Patientin oder der Patient über das sogenannten „therapierichtige Verhalten“ zu informieren. Dadurch soll der Behandlungserfolg sichergestellt und die Patientin oder der Patient vor möglicher Selbstgefährdung durch ein der Behandlung entgegenwirkendes Verhalten geschützt werden.

In § 630c Absatz 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist durch das sogenannte Patientenrechtegesetz [1] die diesbezügliche zivilrechtliche Pflicht aus dem Behandlungsvertrag zur therapeutischen Aufklärung ausdrücklich geregelt: „Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen.“

Gemäß § 8 Berufsordnung der Ärztekammer Berlin (im Folgenden auch: BO) bedarf es zur Behandlung der Einwilligung der Patientin oder des Patienten in den ärztlichen Eingriff. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen. § 8 Satz 3 BO bestimmt, dass die Aufklärung der Patientin oder dem Patienten insbesondere vor operativen Eingriffen Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einschließlich Behandlungsalternativen und die mit ihr verbundenen Risiken in verständlicher und angemessener Weise zu verdeutlichen hat.

Ziel der Aufklärung ist es, die Patientin oder den Patienten in die Lage zu versetzen, in Kenntnis der notwendigen Informationen eine vernünftige Entscheidung zu treffen.

Entsprechend der bisherigen zivilrechtlichen Rechtsprechung zu der sogenannten Eingriffs- und Risikoaufklärung ist der Behandelnde nach § 630e Absatz 1 Sätze 1 und 2 BGB verpflichtet, eine Patientin oder einen Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Auch auf Alternativen zu der Maßnahme ist hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden innerhalb des medizinischen Standards zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können (vgl. § 630e Absatz 1 Satz 3 BGB).

In der Gesetzesbegründung wird hierzu klargestellt, dass Ärztinnen und Ärzte nur über solche alternative Therapiemethoden aufklären müssen, die zum medizinischen Standard gehören. Sie müssen also nicht ungefragt über therapeutische Verfahren aufklären, die sich etwa erst in der Erprobung befinden und damit noch nicht zum medizinischen Standard zählen. Dies selbst dann nicht, wenn sie als Therapiealternativen in Betracht kämen.

Eine Patientin oder ein Patient soll durch die Aufklärung in die Lage versetzt werden, für sich eine Wahl zwischen mehreren Behandlungsalternativen zu treffen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Ärztin oder ein Arzt alle Behandlungsalternativen auch selbst anbieten muss. Die Patientin oder der Patient kann dann entscheiden, ob sie oder er die von der Ärztin oder dem Arzt angebotene Methode wählt oder ob sie oder er sich in anderweitige Behandlung begibt.

Ärztinnen und Ärzte sind bei ihrer Behandlung nur zur Vornahme solcher Eingriffe berechtigt, die von der Einwilligung der Patientinnen und Patienten umfasst sind. Bestehen daher bereits vor dem Eingriff Anhaltspunkte dafür, dass eine Erweiterung des ursprünglich geplanten Eingriffs erforderlich werden könnte, so ist über die mögliche Erweiterung ebenfalls aufzuklären. Ergibt sich eine solche Notwendigkeit beispielsweise erst während eines operativen Eingriffs, so haben Ärztinnen und Ärzte unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens der Patientin oder des Patienten zu entscheiden, ob die Operation fortgesetzt oder abgebrochen wird.

Selbst wenn eine Patientin oder ein Patient oder deren gesetzliche Vertreter auf der Grundlage der ärztlichen Aufklärung eine indizierte Behandlung ablehnen, ist die Ärztin oder der Arzt an diese Entscheidung grundsätzlich gebunden (vgl. auch unten zu 8. "Minderjährige und nicht einwilligungsfähige Patientinnen und Patienten"). Bei hieraus ggf. entstehenden Gefahren für minderjährige oder gesetzlich betreute Patientinnen und Patienten können sich Ärztinnen und Ärzte zur berufsrechtlichen Beratung an die zuständige Ärztekammer wenden.

Die Patientin oder der Patient ist vor der Durchführung eines Eingriffs oder einer anderen Behandlung insbesondere über die damit verbundenen Risiken aufzuklären, die im Rahmen der jeweiligen Behandlung wesentlich sind, selbst wenn sie sich statistisch sehr selten verwirklichen. Patientinnen und Patienten muss die Möglichkeit gegeben werden, den Stellenwert eines Risikos in der eigenen Situation abzuschätzen.

Nach § 8 Satz 4 BO sind Patientinnen und Patienten umso ausführlicher und eindrücklicher über erreichbare Ergebnisse und Risiken aufzuklären, je weniger eine Maßnahme medizinisch geboten oder je größer ihre Tragweite ist. Eine schonungslose Aufklärung über alle mit dem Eingriff verbundenen Risiken ist daher in den Fällen geboten, in denen keine medizinische Notwendigkeit für den Eingriff besteht, zum Beispiel bei sogenannten Schönheitsoperationen.

Für den erforderlichen Umfang der Aufklärung kann folgende Richtschnur an die Hand gegeben werden:

Je weniger dringlich ein Eingriff ist, desto ausführlicher und umfassender ist aufzuklären. Je dringender die Indikation und je notwendiger der Eingriff, desto geringer sind demgegenüber die Anforderungen an die Aufklärungspflicht. Ist ein sofortiges ärztliches Handeln erforderlich, um Schaden von einer Patientin oder einem Patienten abzuwenden, darf u. U. auf die Aufklärung verzichtet werden. So bedarf es der Aufklärung auch aus zivilrechtlicher Sicht gemäß § 630e Absatz 3 BGB nicht, soweit sie ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, etwa bei Unaufschiebbarkeit der ärztlichen Maßnahme oder bei ausdrücklichem patientenseitigen Verzicht.

Für eindeutig medizinisch indizierte venöse Blutentnahmen wird etwa aus zivilrechtlicher Sicht vertreten, dass hier angesichts deren geringer Invasivität und mit Rücksicht auf die allgemeine Verkehrspraxis auf die ärztliche Eingriffsaufklärung verzichtet werden darf. [2]

Grundsätzlich muss Patientinnen und Patienten oder deren gesetzlichen Vertretern vor jeder diagnostischen und/oder therapeutischen Maßnahme ausreichend Zeit zur Überlegung gewährt werden: Gemäß § 630e Absatz 2 Nr. 2 BGB muss die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen, dass die Patientin oder der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann.

Bei der Frage, was unter "rechtzeitig" zu verstehen ist, korrespondiert die Gesetzesbegründung mit der Rechtsprechung und mit § 8 Satz 4 BO: Hiernach ist insbesondere vor diagnostischen oder operativen Eingriffen, soweit möglich, eine ausreichende Bedenkzeit vor der weiteren Behandlung zu gewährleisten. Damit steht in Zusammenhang, dass Patientinnen und Patienten umso ausführlicher und eindrücklicher über erreichbare Ergebnisse und Risiken aufzuklären sind, je weniger eine Maßnahme medizinisch geboten oder je größer ihre Tragweite ist.

Vor geplanten schwerwiegenderen Maßnahmen, etwa stationären operativen Eingriffen, sollen Patientinnen und Patienten mindestens einen Tag zuvor, möglichst jedoch bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung eines festen Operationstermins, aufgeklärt werden. [3] Bei kleineren ambulanten Eingriffen kann das Aufklärungsgespräch noch am Tag der Maßnahme durchgeführt werden. Wenn das Aufklärungsgespräch jedoch direkt vor der an sich planbaren Maßnahme stattfindet und Patientinnen und Patienten der Eindruck vermittelt wird, sie könnten sich nicht mehr gegen die Maßnahme entscheiden, dann ist die Aufklärung nicht mehr rechtzeitig

Die Aufklärung muss grundsätzlich individuell in einem Gespräch zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient erfolgen. Formulare können das Aufklärungsgespräch vorbereiten und die notwendige Dokumentation der Aufklärung gewährleisten – sie können jedoch im Grundsatz kein Aufklärungsgespräch ersetzen.

Bei durch die Ständige Impfkommission des Bundesgesundheitsamtes (STIKO) empfohlenen Impfungen und bestimmten medikamentösen Therapien etwa hat die höchstrichterliche Rechtsprechung auch eine Aufklärung durch die rechtzeitige Aushändigung von Aufklärungsbögen oder Beipackzetteln an Patientinnen und Patienten für ausreichend gehalten, wenn der Patientin oder dem Patienten Gelegenheit gegeben worden war, der Ärztin oder dem Arzt Fragen zu dem Gelesenen zu stellen und auf diese Weise ihren/seinen Informationsbedarf zu der ärztlichen Behandlung zu decken. [4] Im Falle von Medikationen mit aggressiven bzw. nicht ungefährlichen Arzneimitteln galt dies allerdings nur dann, wenn mit der Medikation kein spezifisches Risiko verbunden war, das gerade für die Person der Patientin, auch unter Berücksichtigung ihrer Lebensführung, bestand. [5]

Auch nach dem Patientenrechtegesetz muss die Aufklärung mündlich erfolgen; ergänzend kann auf Unterlagen Bezug genommen werden. Hierzu heißt es in § 630e Absatz 2 Nummer 1, 2. Halbsatz BGB: "… ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält."

Dies bedeutet: Sofern eine Patientin oder ein Patient ergänzend zur mündlichen Aufklärung durch einen Text aufgeklärt wird, ist diese Art der Aufklärung aus zivilrechtlicher Sicht nur wirksam, wenn die Patientin oder der Patient den Text ausgehändigt erhält. Es ist daher zu empfehlen, die Aushändigung des Textes zu dokumentieren.

Das Aufklärungsgespräch ist nach § 630 Absatz 2 Nummer 1 BGB von einer oder einem fachlich für die betreffende Maßnahme qualifizierten Ärztin oder Arzt zu führen, ohne dass es dabei auf die formale Weiterbildungsqualifikation ankommt. Die Aufklärung kann auch durch Ärztinnen und Ärzte vorgenommen werden, welche die Maßnahme selbst nicht durchführen. Eine Delegation an nichtärztliches Personal wäre nicht statthaft.

Ärztinnen und Ärzte haben Patientinnen und Patienten nach § 8 BO in verständlicher und angemessener Weise aufzuklären. Sie müssen sich im Rahmen der Aufklärung vergewissern, ob die Patientin oder der Patient die Informationen verstanden hat und ob weitere Informationen gewünscht werden.

Nach der Gesetzesbegründung zu § 630e Absatz 2 Nummer 3 BGB, der ebenfalls eine für die Patientin oder den Patienten verständliche Aufklärung fordert, bedeutet dies unter anderem: Ist eine Patientin oder ein Patient nach eigenen Angaben oder nach der Überzeugung der Ärztin oder des Arztes der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, hat die Aufklärung in einer Sprache zu erfolgen, die die Patientin oder der Patient versteht. Erforderlichenfalls ist eine sprachkundige Person oder eine Dolmetscherin/ein Dolmetscher (auf Kosten der Patientin oder des Patienten) hinzuzuziehen. Es genügt grundsätzlich nicht, der Patientin oder dem Patienten lediglich ein Aufklärungsformular in dessen Sprache zu überreichen.

In der Gesetzesbegründung wird zugleich klargestellt, dass die Regelungen im Sozialgesetzbuch I über die Kostentragungspflicht des zuständigen Sozialleistungsträgers unberührt bleiben. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen Kosten für Sprachmittler in der Regel nicht.

Mangels gesicherter Kostentragung sollten als Sprachmittler vorrangig sprachkundige Angestellte der Ärztin/des Arztes bzw. des Krankenhauses, Mitpatientinnen/Mitpatienten, ehrenamtliche Helferinnen/Helfer oder Angehörige der Patientin/des Patienten herangezogen werden. Insbesondere bei Angehörigen der Patientin oder des Patienten muss die Ärztin oder der Arzt jedoch nach der Rechtsprechung in geeigneter Weise überprüfen, ob die Sprachkenntnisse des Angehörigen zur Übersetzung der Aufklärung ausreichend sind. Zudem ist die Ärztin oder der Arzt zum Schluss des Aufklärungsgespräches gehalten, sich durch gezielte Rückfragen an die Patientin oder den Patienten, übersetzenden Angehörigen oder Helferinnen bzw. Helfer zu versichern, ob diese die Inhalte der Aufklärung richtig erfasst bzw. übersetzt haben. [6]

Nach bisheriger Rechtsprechung gilt allerdings auch Folgendes: Besteht ärztlicherseits der Eindruck, dass eine Patientin oder ein Patient ausreichend der deutschen Sprache mächtig ist, so kann die Ärztin oder der Arzt erwarten, dass die Patientin oder der Patient sich bemerkbar macht, sofern sie oder er etwas nicht verstanden hat. Äußert sich eine Patientin oder ein Patient in einer solchen Situation nicht und verlangt sie oder er keine Übersetzung, dann kann ärztlicherseits davon ausgegangen werden, dass die Patientin oder der Patient die Aufklärung verstanden hat.

Der in § 630f Absatz 2 BGB geregelte Umfang der dokumentationspflichtigen Inhalte geht über das bisher von der Rechtsprechung Verlangte hinaus. So müssen "sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse" aufgezeichnet werden, unter anderem Einwilligungen und Aufklärungen.

Nach früherer Rechtslage bestand keine Verpflichtung, Einwilligungen und Aufklärungen in der Patientenakte zu dokumentieren. Zur Vermeidung von Streitigkeiten und zu Beweiszwecken ist jedoch auch schon in der Vergangenheit dazu geraten worden, diese Inhalte in die Behandlungsdokumentation aufzunehmen.

Über die frühere Rechtsprechung hinaus geht zudem die in § 630e Absatz 2 BGB geregelte Verpflichtung, Patientinnen und Patienten Abschriften derjenigen Unterlagen auszuhändigen, die diese im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet haben.

Bei minderjährigen und nicht einwilligungsfähigen Patientinnen und Patienten sind in der Regel die Sorgeberechtigten bzw. die gesetzlichen Betreuer oder die Vorsorgebevollmächtigten die richtigen Aufklärungsadressaten.

Einwilligungsfähig ist nur, wer tatsächlich dazu in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite des Heileingriffs zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen sowie die Entscheidung zu artikulieren. Die Einwilligungsfähigkeit ist mit Blick auf die konkrete Behandlungssituation einzuschätzen.

Die Einwilligung zum Eingriff muss im Falle der fehlenden Einsichtsfähigkeit des Kindes durch die sorgeberechtigten Personen erfolgen. Dementsprechend bedarf es für ärztliche Eingriffe bei einem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern grundsätzlich der Einwilligung beider Elternteile. Da diese Einwilligung von beiden sorgeberechtigter Eltern in der Praxis nicht immer eingeholt werden kann, hat die Rechtsprechung ein abgestuftes Modell zur Einwilligung bei Minderjährigen entwickelt. Bei leichteren Eingriffen und Routinefällen ohne besonderes Risiko darf die Ärztin oder der Arzt bei Erscheinen nur eines Elternteils grundsätzlich davon ausgehen, dass dieser von dem nicht erschienenen Elternteil zur gemeinsamen Einwilligung ermächtigt wurde. Bei mittleren bis schwereren Eingriffen mit nicht unbedeutenden Risiken muss sich die Ärztin oder der Arzt durch Nachfrage beim einwilligenden Elternteil davon überzeugen, dass der nicht erschienene Elternteil die entsprechende Ermächtigung erteilt hat und von den Chancen und Risiken des Eingriffs unterrichtet wurde. Insoweit darf die Ärztin oder der Arzt allerdings grundsätzlich auf die Angaben des erschienenen Elternteils vertrauen. Bei schwierigen und weitreichenden Eingriffen mit erheblichen Risiken, wie beispielsweise eine Herzoperation, muss sich die Ärztin bzw. der Arzt hingegen bei dem nicht erschienenen Elternteil Gewissheit verschaffen, dass auch dieser mit dem Eingriff einverstanden ist. [7]

Soweit eine (minderjährige) Patientin oder ein (minderjähriger) Patient die notwendige Reife hat, um die Notwendigkeit, die Tragweite und mögliche Folgen des geplanten Eingriffs zu erfassen, ist sie/er in jedem Fall mit in die Aufklärung einzubeziehen. In diesen Fällen bedarf es zur Wirksamkeit der Einwilligung in den Eingriff auch der Zustimmung der/des noch minderjährigen Patientin/Patienten. Der/dem Minderjährigen kann bei einem relativ indizierten Eingriff mit der Möglichkeit erheblicher Folgen für die künftige Lebensplanung ein Vetorecht gegen die Einwilligung durch die gesetzlichen Vertreter zustehen, wenn sie/er über eine ausreichende Urteilsfähigkeit verfügt. [8]

Nach den Regelungen der §§ 1901a ff. BGB ist es Aufgabe der/des Vorsorgebevollmächtigten oder der Betreuerin/des Betreuerin einer nicht einwilligungsfähigen volljährigen Patientin oder eines nicht einwilligungsfähigen volljährigen Patienten, den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen der Patientin oder des Patienten insbesondere auch in Ansehung einer vorliegenden Patientenverfügung festzustellen und dem festgestellten Willen Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Ohne die Einwilligung der/des Vorsorgebevollmächtigten bzw. der Betreuerin/des Betreuers darf die Ärztin oder der Arzt (weiter) jedenfalls dann behandeln, sofern ohne sofortige Behandlung ein gesundheitlicher Schaden droht und die Behandlung dem mutmaßlichen Willen der Patientin oder des Patienten entspricht.

Um der aktuellen Rechtsprechung über die Rechte psychisch Kranker bei der Frage der Durchführung bestimmter ärztlicher Maßnahmen Rechnung zu tragen, ist die Regelung des § 630e Absatz 5 BGB eingeführt worden. Hiernach sind auch einwilligungsunfähigen Patientinnen und Patienten entsprechend ihrem Verständnis die wesentlichen Umstände bezüglich des ärztlichen Eingriffs zu erläutern. Dies gilt, soweit die Patientin oder der Patient aufgrund ihres oder seines Entwicklungsstandes und ihrer oder seiner Verständigungsmöglichkeit in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies ihrem oder seinem Wohl nicht zuwiderläuft. Diese Informationspflicht ist zu unterscheiden von der Aufklärung als Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme. Die Eingriffs- und Risikoaufklärung muss im Fall der Einwilligungsunfähigkeit einer Patientin oder eines Patienten weiterhin gegenüber den zur Einwilligung Berechtigten erfolgen. Die soeben genannte Information von Patientinnen und Patienten ist also neben der Aufklärung der zur Einwilligung Berechtigten erforderlich.

Die zunächst durch die Rechtsprechung entwickelte „wirtschaftliche Aufklärungspflicht“ ist in § 630c Absatz 3 BGB vorgesehen: „Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich aus den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.“

Entfallen kann die so geregelte wirtschaftliche Informationspflicht gemäß § 630c Absatz 4 BGB nur, soweit diese "aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist". Die Vorschrift nennt hier insbesondere die Fälle der unaufschiebbaren Behandlung und den Fall, dass die Patientin oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat. Im Gesetz selbst wird durch den Begriff "ausnahmsweise" bereits deutlich, dass der Verzicht nicht den Regelfall darstellen soll. In der Begründung zum Gesetz wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass an die Wirksamkeit eines solchen Verzichts hohe Anforderungen gestellt werden würden; so müsse die Patientin oder der Patient die Erforderlichkeit der Behandlung sowie deren Chancen und Risiken zutreffend erkannt haben.

Der ärztliche Eingriff bedeutet strafrechtlich gesehen einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der betroffenen Patientin oder des betroffenen Patienten. Ein solcher Eingriff wird dann nicht als rechtswidrige Körperverletzung angesehen, wenn sich die Patientin oder der Patient eigenverantwortlich für diesen entschieden hat. Eine eigenverantwortliche Entscheidung kann die Patientin oder der Patient jedoch grundsätzlich nur treffen, wenn sie/er vorher ausreichend über den Eingriff, seine Folgen und Risiken informiert worden ist. Eine nicht erfolgte oder eine fehlerhafte Aufklärung kann zu der Annahme führen, dass der ärztliche Eingriff ohne wirksame Einwilligung der Patientin oder des Patienten erfolgt ist und daher eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB) zur Folge hat. Außerdem wäre eine Verletzung der Pflicht zur Aufklärung auch als Verstoß gegen § 8 BO zu werten.

Neben möglichen strafrechtlichen und berufsrechtlichen Folgen müssen Ärztinnen und Ärzte bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche von Patientinnen und Patienten befürchten. Nach § 630h Absatz 2 Satz 1 BGB trägt die Ärztin oder der Arzt die Beweislast dafür, dass sie/er eine Einwilligung eingeholt hat und die hierfür erforderliche Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist.

In den Fällen, in denen eine Behandlung mehrere unterschiedliche wesentliche Risiken birgt, muss über all diese Risiken aufgeklärt werden. Kann eine Ärztin oder ein Arzt die ordnungsgemäße Aufklärung nicht vollständig nachweisen (hat sie oder er zum Beispiel über ein wesentliches Risiko nicht aufgeklärt), verwirklicht sich jedoch nur eines der Risiken, über die die Patientin oder der Patient vollständig aufgeklärt worden ist, dann kann sich die Patientin oder der Patient nicht auf eine fehlerhafte Aufklärung berufen. Es kommt in diesen Fällen darauf an, ob ein bestimmter Aufklärungsfehler auch ursächlich für die Verwirklichung des aufklärungspflichtigen und sich verwirklichten Risikos gewesen ist.

Die Vorschrift des § 630h Absatz 2 Satz 2 BGB regelt bei unzureichender Aufklärung ärztlicherseits den Fall der sogenannten hypothetischen Einwilligung: Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630e BGB, kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass die Patientin oder der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte. Geregelt wird hier der Fall, in dem eine Ärztin oder ein Arzt über ein aufklärungspflichtiges Risiko, welches sich auch verwirklicht hat, nicht oder unzureichend aufgeklärt hat. Wenn die Ärztin oder der Arzt in einer solchen Situation das Gericht davon überzeugen kann, dass die Patientin oder der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte, dann führt dieser Aufklärungsmangel nicht zur ärztlichen Haftung.

Fußnoten

[1] BGBl. 2013 I S. 277 ff., veröffentlicht am 20.02.2013.

[2] Vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 29.06.2011, Az.: 4 O 95/08.

[3] BGH, Urteil vom 25.03.2003, Az.: VI ZR 131/02, bezüglich der Bedenkzeit bei einer Bandscheibenoperation.

[4] BGH, Urteil vom 15.02.2000, Az: VI ZR 48/99, Urteil vom 14.03.2005, Az: VI ZR 289/03.

[5] BGH, Urteil vom 14.03.2005, Az: VI ZR 289/03, bezüglich des Erfordernisses eines mündlichen Hinweises auf das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls vor der Verordnung eines Antikonzeptionsmittels an eine Raucherin.

[6] OLG Köln, Urteil vom 09.12.2015, Az.: 5 U 184/14.

[7] BGH, Urteil vom 15.06.2010, Az.: VI ZR 204/09; OLG Hamm, Urteil vom 29.09.2015, Az.: 26 U 1/15.

[8] BGH, Urteil vom 10.10.2006, Az.: VI ZR 74/05.