Berufsrecht

Ärztliche Dokumentationspflicht

(Stand: April 2018)

Die ärztliche Dokumentationspflicht wird durch unterschiedliche Rechtsvorschriften unabhängig voneinander geregelt. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Berufsordnung der Ärztekammer Berlin (BO) haben Ärztinnen und Ärzte über die in Ausübung ihres Berufs gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen. Zivilrechtlich wird die Dokumentationspflicht seit Inkrafttreten des sogenannten Patientenrechtegesetzes [1] in § 630f Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gesetzlich geregelt. Im Vertragsarztrecht ergibt sie sich zudem aus § 57 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä). Hinzu kommen Sondervorschriften für einzelne Bereiche der ärztlichen Berufsausübung. [2]

Die ärztliche Dokumentation zielt primär darauf ab, eine sachgerechte Behandlung und Weiterbehandlung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Dem entsprechend stellt das ärztliche Berufsrecht klar, dass die Dokumentation der Behandlung nicht nur Gedächtnisstütze für Ärztinnen und Ärzte ist, sondern auch dem Interesse der Patientin oder des  Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation dient (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BO). Die Dokumentation soll den wesentlichen Behandlungsverlauf nachvollziehbar machen, unnötige Doppeluntersuchungen vermeiden und eine sachgerechte Mit- und Weiterbehandlung der Patientin/des Patienten ermöglichen. [3] Außerdem sollen Patientinnen und Patienten jederzeit die Möglichkeit haben, die ärztliche Behandlung anhand der Dokumentation durch eine andere Ärztin/ einen anderen Arzt überprüfen zu lassen. Aus der ärztlichen Perspektive kommt der Behandlungsdokumentation darüber hinaus eine wichtige Beweisfunktion zu. Denn wird eine ärztliche Maßnahme (einschließlich der Aufklärung und Einwilligung) unter Verstoß gegen die Dokumentationspflicht nicht aufgezeichnet, so wird in einem Arzthaftungsprozess zulasten der Ärztin oder des Arztes vermutet, dass sie oder er die betreffende Maßnahme auch nicht durchgeführt hat (Beweislastumkehr nach § 630h Abs. 3 BGB).

Mit der Dokumentationspflicht korrespondiert das Recht von Patientinnen und Patienten, Einsicht in die sie betreffenden ärztlichen Aufzeichnungen zu nehmen (§ 10 Abs. 2 BO sowie § 630g BGB). Darüber hinaus weist die ärztliche Dokumentation hinsichtlich der Verpflichtung zur Aufbewahrung der Behandlungsunterlagen (und zu deren Vernichtung nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist) enge Bezüge zur ärztlichen Schweigepflicht (§ 9 BO) auf. [4]

Im Zusammenhang mit der ärztlichen Dokumentation sind zudem die geltenden datenschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten. Das einschlägige Datenschutzrecht wird durch die sogenannte Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) der EU und die neue Fassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) mit Wirkung zum 25.05.2018 vollständig neu geregelt. Die damit für Ärztinnen und Ärzte als datenschutzrechtlich verantwortliche Personen geltenden Pflichten sind gerade auch – aber nicht nur – beim Umgang mit der Behandlungsdokumentation einzuhalten; Verstöße können empfindliche Sanktionen nach sich ziehen. [5]

Gegenstand der ärztlichen Dokumentation sind sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Informationen und Behandlungsergebnisse. Hierzu zählen nach der ausdrücklichen Aufzählung in § 630f Abs. 2 BGB insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien/ Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen sowie auch Arztbriefe von vor- und mitbehandelnden Kolleginnen und Kollegen. Wann ein Behandlungsinhalt im Übrigen als wesentlich zu qualifizieren und damit von der Dokumentationspflicht umfasst ist, hängt von medizinischen Gesichtspunkten und von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Gemäß § 630f Abs. 1 Satz 1 BGB hat die Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung zu erfolgen. Die Aufzeichnung sollte also während oder unmittelbar nach der Behandlung vorgenommen werden. Soweit dies aufgrund besonderer Umstände nicht möglich ist, ist die Dokumentation zeitnah nachzuholen. Medizinische Notwendigkeiten sind dabei zu berücksichtigen, insbesondere muss die Dokumentation so rechtzeitig erfolgen, dass eine ggf. erforderliche Weiterbehandlung der Patientin/des Patienten gesichert ist. In § 7 Abs. 6 BO heißt es hierzu wie folgt: "Bei der Überweisung von Patientinnen und Patienten an Kolleginnen oder Kollegen oder ärztlich geleitete Einrichtungen haben Ärztinnen und Ärzte rechtzeitig die erhobenen Befunde zu übermitteln und über die bisherige Behandlung zu informieren, soweit das Einverständnis der Patientinnen und Patienten vorliegt oder anzunehmen ist. Dies gilt insbesondere bei der Krankenhauseinweisung und -entlassung. Originalunterlagen sind zurückzugeben."

Die dokumentierten Inhalte müssen zwar nicht für den medizinischen Laien, wohl aber für andere Ärztinnen und Ärzte verständlich sein. Dabei genügen auch stichwortartige Angaben und fachspezifische Abkürzungen, wenn für eine andere Ärztin oder einen anderen Arzt erkennbar ist, was gemeint ist und wie vorgegangen wurde. Voraussetzung ist stets, dass die Dokumentation objektiv leserlich und fachlich nachvollziehbar ist. Die Dokumentation kann sowohl in einer Papierakte, als auch elektronisch geführt werden. Für beide Fälle wird in 
§ 630f BGB bestimmt, dass Berichtigungen und Änderungen der Behandlungsdokumentation nur zulässig sind, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind (dazu im Näheren für die elektronische Dokumentation nachfolgend).

Bei der elektronischen Behandlungsdokumentation sind – vor allem mit Blick auf die Datensicherheit und auf den Beweiswert der Aufzeichnungen – einige Besonderheiten zu beachten. [6]

Sicherungs- und Schutzmaßnahmen, § 10 Abs. 5 BO:

Die elektronische Behandlungsdokumentation bedarf nach § 10 Abs. 5 BO besonderer Sicherungs- und Schutzmaßnahmen, um deren Veränderung, Vernichtung oder unrechtmäßige Verwendung zu verhindern. Ärztinnen und Ärzte haben hierbei die Empfehlungen der Ärztekammer zu beachten. Durch die besonderen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen soll im Interesse der Patientensicherheit ausgeschlossen werden, dass Behandlungsdaten etwa aufgrund von Hardware- oder Softwareproblemen verloren gehen. Zudem soll aus Daten-schutzgründen verhindert werden, dass unbefugte Dritte Zugriff auf die Patienteninformationen nehmen können. Zu diesem Zweck muss der Zugang zu dem Datenbestand (etwa durch Passwortsicherung) auf die Ärztin oder den Arzt und die gleichermaßen zur Verschwiegenheit verpflichteten nichtärztlichen Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter beschränkt sein. Darüber hinaus sollte die Urheberschaft jeder Eintragung eindeutig erkennbar sein und Nutzungen vollständig protokolliert werden. Zur Sicherung der Patientendaten sollten täglich Sicherungskopien auf geeigneten Medien erstellt werden. Bei einer externen Speicherung von Patientendaten (außerhalb der Praxis) ist technisch sicherzustellen, dass Dritte die Patientendaten nicht zur Kenntnis nehmen können. Im Falle der Wartung des EDV-Systems durch externe Dienstleister sind die für Auftragsdatenverarbeitung geltenden Grundsätze einzuhalten (vgl. Art. 28 ff. DS-GVO), insbesondere ist der Dienstleister schriftlich zur Verschwiegenheit zu verpflichten und darf personenbezogene Daten nur im Rahmen der datenschutzrechtlich verantwortlichen Person (Ärztin oder Arzt) verarbeiten.[7] Bei einem Wechsel des EDV-Systems müssen die elektronisch dokumentierten Inhalte während der für die Aufbewahrung geltenden Fristen weiterhin verfügbar bleiben.

Erkennbarkeit nachträglicher Berichtigungen und Änderungen, § 630f Abs. 1 S.2 und 3 BGB:

Gemäß § 630f Abs. 1 BGB sind Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind (Satz 2). Dies ist nach der Bestimmung in Satz 3 auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen. Bei der elektronischen Behandlungsdokumentation ist also eine Praxissoftware zu verwenden, die nachträgliche Berichtigungen und Änderungen automatisch erkennbar macht.[8] Wird diese Anforderung nicht erfüllt, so droht die Beweislastumkehr nach § 630h Abs. 3 BGB (s. o.). Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung empfiehlt die Ärztekammer Berlin ihren Kammermitgliedern, ihre Praxissoftware – ggf. durch Kontaktaufnahme mit dem Hersteller – daraufhin zu überprüfen, ob sie die Anforderungen des § 630f Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB erfüllt.

„Ersetzendes Scannen“ von in Papierform vorliegenden Behandlungsunterlagen:

Die in Papierform vorliegenden Behandlungsunterlagen – auch etwa Arztbriefe von Kolleginnen und Kollegen – können eingescannt und anstelle des Originals elektronisch aufbewahrt werden. Bei diesem sogenannten „ersetzenden Scannen“ kommt dem elektronischen Dokument in-dessen nicht derselbe Beweiswert zu, wie dem als Urkunde zu qualifizierenden Original. Ärztinnen und Ärzte haben daher im Einzelfall abzuwägen, ob die in Papierform vorliegenden Dokumente nach dem Scannen vernichtet oder aufbewahrt werden.

Fußnoten

[1] Bundesgesetzblatt BGBl. 2013 I S. 277 ff. vom 20.02.2013.

[2] Etwa § 28 Abs. 1 Röntgenverordnung (Anwendung von Röntgenstrahlen am Menschen), § 85 Strahlenschutzverordnung (Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung) oder § 37 Abs. 3 Jugendarbeitsschutzgesetz (betriebsärztliche Untersuchung Jugendlicher).

[3] So auch die Gesetzesbegründung zu § 630f BGB, BT-Drs. 17/10488, S. 25 f.

[4] Siehe dazu die Merkblätter der Ärztekammer Berlin: „Einsichtsrechte in Patientenunterlagen“, „Ärztliche Aufbewahrungspflichten“ sowie „Die ärztliche Schweigepflicht“.

[5] Siehe hierzu im Einzelnen Bundesärztekammer/Kassenärztliche Bundesvereinigung: Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis (dort: Seite 7 ff.), Deutsches Ärzteblatt 2021; 118 (45): A-2134 / B-1758.

[6] Siehe auch: Bundesärztekammer/Kassenärztliche Bundesvereinigung, wie zuvor, Ziffer 4.2 und Ziffer 6.

[7] Wie zuvor, Ziffer 3.6.

[8] Vgl. die Gesetzesbegründung zum Patientenrechtegesetz, oben Fn. 3, S. 25 f.